Jeder Mensch sehnt sich bewußt oder unbewußt im tiefsten Innern, christusähnlich zu sein, die Eigenschaften zu besitzen und zu bekunden, die den Vertreter Gottes auf Erden, den Menschen Christus Jesus, auszeichneten. Christus Jesus ist der vollkommene Beispielgeber. Niemand anders kann seinen Platz einnehmen. Dessen sollte jeder Schüler der Christlichen Wissenschaft eingedenk sein.
Daher sollte sich der Schüler der Christlichen Wissenschaft gewissenhaft in die im Neuen Testament berichtete Lebensweise des Meisters vertiefen, um sich im eigenen Leben die geistigen Eigenschaften Christi Jesu anzueignen. Jesu Leben, wissenschaftlich verstanden, zeigt uns, wie wir uns in jeder Lebenslage verhalten sollen; denn wir lesen, daß er sich vor Probleme, Schwierigkeiten und Versuchungen gestellt sah „gleichwie wir, doch ohne Sünde”. Vom materiellen Gesichtspunkt aus betrachtet lebten die Menschen seiner Umgebung ein normales Leben. Sie stellten gewisse Sitten und Gebräuche auf und hielten sie ein; aber Jesus anerkannte selten weltliche Verfahren, auch ließ er sich von der Meinung der Welt nicht beeinflussen. Von Anfang bis zu Ende seiner irdischen Laufbahn gehorchte er der Stimme Gottes und anerkannte Gott als die einzige Macht.
Sagen wir, es sei für uns zu schwierig, Christus nachzufolgen? Ach nein! Nur wenn wir dem Christusbeispiel nicht folgen, wird das Leben schwierig. Alles Unharmonische in der Welt rührt daher, daß wir diesem Beispiel nicht gefolgt sind. Christus Jesus weist den Weg des Lebens. Er erleuchtet den Weg zu rechtschaffener Tätigkeit, zu dauerndem Glück, zu voller Erlösung, zum ewigen Leben!
Aber wie viele verlassen sich in dem Verlangen, göttliche Vollkommenheit zum Ausdruck zu bringen, auf eine menschliche Persönlichkeit zum Ausarbeiten ihrer Erlösung! Man sollte sehr auf der Hut sein, daß man nicht dazu neigt, die Persönlichkeit zu vergöttern. Zwar ist das Leben vieler Männer und Frauen durch die Christliche Wissenschaft herrlich umgewandelt worden; aber diese Umwandlung war die Folge ihres geistigen Wahrnehmens und Verständnisses des vollkommenen Menschen, das sie durch ernstes Sichvertiefen in die Bibel und das christlich-wissenschaftliche Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” von Mary Baker Eddy erlangten. Die materielle Persönlichkeit hat keine Ähnlichkeit mit Gottes Widerspiegelung und sollte daher nie als Vorbild angesehen werden. Den Christus, die geistige Idee, nehmen wir dadurch wahr, daß wir den Blick von der endlichen Person abwenden und auf das Prinzip sehen.
In ihrer Botschaft an Die Mutterkirche für das Jahr 1901 (S. 34) warnt unsere geliebte Führerin Mary Baker Eddy ihre Schüler vor der Gefahr, die Persönlichkeit zu vergöttern, wenn sie schreibt: „Folgt eurer Führerin nur so weit, wie sie Christus folgt”. Ungeachtet der Stellung, die sie einnehmen mögen, harren alle Schüler der Christlichen Wissenschaft immer noch des Gemütes Christi, das noch kein einziger schon vollständig erlangt hat. Wir sollten nicht vergessen, daß der erlangte Grad der Geistigkeit nicht durch Stellung oder Ruhm oder Beliebtheit, sondern nur durch christliches Leben bestimmt wird.
Der Schüler der Christlichen Wissenschaft kann sich glücklich preisen, daß ein anwendbares Verständnis ihrer Lehren nicht auf wenige beschränkt ist: alle sind von Gott gesegnet. Da also jede Idee Gottes die göttliche Intelligenz und Vollkommenheit Gottes widerspiegelt, kann jeder Schüler der Christlichen Wissenschaft sein göttliches Geburtsrecht dadurch beanspruchen, daß er ein beweisbares Verständnis der Christlichen Wissenschaft erwirbt. Dieses Verständnis können wir dadurch erlangen, daß wir uns fleißiger in die Bibel, das christlich-wissenschaftliche Lehrbuch und die anderen Schriften von Mrs. Eddy einschließlich des Handbuchs Der Mutterkirche vertiefen und aufmerksamer darauf achten, daß wir die sich uns entfaltenden Wahrheiten anwenden. Dann sehen wir, daß Wissenschaft und Gesundheit und das Kirchenhandbuch nicht materiell ausgelegt, sondern nur geistig erfaßt und verstanden werden können.
In ihrem Aufsatze „Deification of Personality” (Vergötterung der Persönlichkeit) in „Miscellaneous Writings” (S. 308, 309) schreibt Mrs. Eddy: „Die Christliche Wissenschaft wird durch ihr göttliches Prinzip gelehrt, das für den körperlichen Sinn unsichtbar ist. Ein materielles menschliches Bild ist das Gegenteil des Menschen in Gottes Bild und Gleichnis. Daher ist eine endliche Person nicht das Vorbild für den Metaphysiker. Ich rate allen Christlichen Wissenschaftern ernstlich, aus ihrem Beobachten und Forschen den persönlichen Sinn von jedem Menschen auszuschließen und im Denken nicht bei der eigenen Körperlichkeit oder der Körperlichkeit anderer als gut oder böse zu verweilen”.
Jeder Schüler der Christlichen Wissenschaft kann auf einer andern Stufe geistigen Aufstiegs stehen als andere. Der eine hat vielleicht Probleme gelöst, denen ein anderer in seinem Leben noch nicht begegnet ist; dagegen kann dieser in einer andern Richtung ein gewisses geistiges Verständnis erworben haben. Und was anderseits jemand als das Beste unter gewissen Umständen bewiesen hat, mag für einen andern unter anderen Umständen nicht das Richtige sein. Jeder einzelne muß jeden Schritt selber beweisen. Persönliche menschliche Ansichten spiegeln sehr oft nicht die geringste Geistigkeit wider. Gedanken, Worte und Handlungen müssen im Lichte Beispiels und der Lehren des Meisters unpersönlich erwogen werden, ehe man feststellen kann, wie nahe sie an das Göttliche heranreichen. Wir müssen unser Denken vergeistigen, ehe wir wissenschaftlich urteilen können. Gott wird unsere Schritte recht lenken, wenn wir alle Abgötterei aufgeben und bei Ihm geistiges Verständnis und göttliche Führung suchen.
Wir hören zuweilen, wenn jemand von der Wahrheit abweicht und einen weltlichen Schritt unternimmt, die Entschuldigung: „Nun ja, wir sind letzten Endes doch nur Menschen!” Können wir aber an der Tatsache festhalten, daß „wir nun Gottes Kinder sind”, und die Erklärung beweisen, daß wir „Gottes Erben und Miterben Christi” sind, solange wir unsere Übertretungen mit einer solch falschen Äußerung entschuldigen? Der wirkliche Mensch ist jetzt und immerdar das geistige Bild und Gleichnis Gottes. Er kann nie etwas anderes sein. Das ist geistige Tatsache. Erlauben wir uns, das Gegenteil zu denken und zu äußern, so ist dies eine Umkehrung dessen, was wir früher als Wahrheit angenommen haben.
Der Glaube, daß auch nur das geringste Verfallen in den Irrtum erlaubt oder entschuldbar sei, weil es jemand getan hat, von dem wir denken, er verstehe die Christliche Wissenschaft besser als wir, entschuldigt weder dessen noch unsere Schuld. In jedem Falle ist es ein Abweichen von der Wahrheit, was in der Christlichen Wissenschaft weder vorkommen darf noch erlaubt oder gerechtfertigt ist. Aller Irrtum ist unwirklich; aber man muß, ehe man ihn verwerfen kann, erkennen und zugeben, daß es Irrtum ist, ohne Rücksicht darauf, wer ihn zu bekunden scheint. Ungeachtet seiner materiellen Umgebung ist der aufrichtige Christliche Wissenschafter beständig bestrebt, wissenschaftlich zu denken, zu reden und zu handeln. Er geht keinen Vergleich mit dem Bösen ein, er rechtfertigt es nicht, verzeiht es nicht, entschuldigt es nicht, noch billigt er es dadurch, daß er sich damit abgibt oder ihm frönt. Jeder einzelne ist für sein geistiges Wachstum im Ergründen und Anwenden der Christlichen Wissenschaft verantwortlich.
Was Irrtum ausdrückt, veranschaulicht nicht den Christus. Ein verständiges Herz, Höflichkeit, Intelligenz, Reinheit, Erbarmen, Zärtlichkeit, Güte, Glaube, Versöhnlichkeit und ähnliche Eigenschaften bringen die Kennzeichen des Christus zum Ausdruck. Unhöflichkeit, Unreinheit, Gleichgültigkeit, Herrschsucht, Rangstolz und Überheblichkeit sind keine geistigen Züge. Alle wünschenswerten Eigenschaften gehören dem Menschen als der Widerspiegelung des unendlichen göttlichen Gemüts; aber wir dürfen in keinem Falle vergessen, daß sie uns nur durch Widerspiegelung gehören. Jesus sagte: „Der Sohn kann nichts von sich selber tun, sondern was er siehet den Vater tun”.
Durch Festhalten an dem Christusideal können wir jeder Art Götzendienst entrinnen. Wer christlich-wissenschaftlich denkt und arbeitet, sollte anerkannt, unterstützt und verstanden werden. Christus Jesus lenkte das Denken seiner Jünger beständig darauf hin, daß Gott die Quelle alles Guten ist. „Niemand ist gut denn der einige Gott”, lautete die unpersönliche Lehre des Meisters. Christus Jesus ist der vollkommene Beispielgeber. Wollen wir christusähnlich sein, so müssen wir ihm nachfolgen.
