„Ein Mensch”, schreibt Emerson, „ist ein Bündel Beziehungen, ein Wurzelknoten, dessen Blüte und Frucht die Welt ist”. Die Einheit des Lebens schließt ein beziehungsloses Sein aus. Niemand kann sich mit einem Zaun umgeben. Niemand kann sein Leben von dem einen Leben trennen. Es kann einer seine gottverordnete Beziehung zu anderen so wenig wie seine Beziehung zu seinem Gott ändern. Diese den Menschen innewohnende Beziehung zueinander kennzeichnet des Schöpfers Plan. Niemand kann sie ändern. Sie kennzeichnet das Sein.
Jeder wahre Denkvorgang schließt Beziehung zu unserem Mitmenschen in sich. Kann man einen Freundlichkeitsgedanken denken, ohne seine Beziehung zu einem Bruder zu fühlen? So bringt uns jede Idee der Gerechtigkeit, des Wohlwollens und nützlichen Dienens in Beziehung zu anderen. Würdige Ideen können nicht und wollen nicht abgesondert leben. Mit ihnen formt und knüpft das Gemüt die Bande der Beziehungen. In der menschlichen Erfahrung sprechen die Kleider, die wir tragen, die Nahrung, die wir essen, die Beförderungsmittel, die wir benützen, die Verkehrsweisen, deren wir uns bedienen, zu uns von der gegenseitigen Beziehung der Menschen und der Dinge.
Aber man braucht nicht weit zu blicken, um zu entdecken, daß viele menschliche Beziehungen unharmonisch sind. Reibung und Streit herrschen in vielen Familien, Wettstreit und Hinterlist behaupten sich allzuoft im Geschäft; zahlreich sind die Kämpfe um Stellung und Macht in gesellschaftlichen und politischen Beziehungen. Wie sehr den Menschen doch not tut, das grundlegende Prinzip des Seins zu finden, das intelligente, liebevolle, gegenseitig hilfreiche Beziehungen zwischen allen Menschen natürlich schafft und erhält!
Keine einzige unglückliche Beziehung ist Gottes Werk. Das rechte Verständnis, daß Gott das einzige Leben und Gemüt aller ist, beseitigt die falschen mentalen Elemente, die die Ursache unharmonischer Beziehungen sind. Jeder einzelne kann die geistige Tatsache verstehen, daß die Liebe, die Gott ist, alle in Gleichgesinntheit, Verständnis und heilsamer Zusammengehörigkeit natürlich vereinigen muß. Nichts Geringeres könnte das Werk der Liebe sein. Ohne diese verwandtschaftliche Beziehung würde die Schöpfung der Einheit ermangeln.
Weil die göttliche Intelligenz, Gott, alles macht, was wirklich ist, macht diese Intelligenz, nicht der Mensch, alle wirkliche Beziehung. Der Mensch macht sich so wenig seine Beziehungen, wie er sich selber macht. Der Mensch ist immer Wirkung, nie Ursache. Alles, was zu seinem wahren Sein einschließlich seiner Beziehungen gehört, ist Gottes Werk. Gott macht keinen beziehungslosen Menschen. In der Einheitlichkeit der Einheit, die für Seine Schöpfung natürlich ist, steht jede Idee zu jeder andern Idee durch die Kräfte der Liebe und des Verständnisses in Beziehung. Diese Grundbezüglichkeit wird von dem allmächtigen Gemüt verordnet, eingesetzt und erhalten. Gott der Vater-Mutter setzt alle Ideen zu sich und zueinander in Beziehung. Der Mensch erkennt diese natürliche Verwandtschaft der Idee mit ihrem Prinzip und mit allen anderen Ideen und freut sich darüber.
Das negative sterbliche Gemüt, das vermeintliche Gegenteil der Wahrheit, Gottes, macht geltend, den Menschen zu machen und ihn sterblich zu machen. Es macht geltend, ihn durch materielle Eltern, durch Rasse, tierisches Wesen, persönliche Anziehung, wirtschaftliche Bedürfnisse und menschliche Klugheit in Beziehungen zu setzen. Weil es der Intelligenz ermangelt und kein weises leitendes Prinzip kennt, sind die von ihm ersonnenen Beziehungen oft wertlos, unbeständig und unbefriedigend.
Wie kann einer, der in eine Phase unerfreulicher menschlicher Beziehungen verwickelt ist, sich daraus befreien? Dadurch, daß er durch den geistigen Sinn sein wahres Selbst und seines Bruders Selbst als die Kinder Gottes und die wissenschaftliche Beziehung zwischen ihnen findet. Durch geistige Arbeit und Gebet kann er sich von Tag zu Tag seiner Einheit mit Gott und Gottes Reich und der darin schon bestehenden befriedigenden Ordnung der Beziehungen völliger bewußt werden. Durch sein zunehmendes Verständnis seiner Einheit mit Gott, der sein Leben ist, und seiner stündlichen und ewigen Umgebung in der Welt der Ideen Gottes schwächt er seinen Glauben an die Lüge des sterblichen Gemüts, daß er das Kind der Sterblichkeit sei und in einer unglücklichen sterblichen Beziehung oder Beziehungen stehe. Was so zu ihm redet, ist sein unzerstörter Glaube an ein sterbliches Gemüt und ein materielles Selbst. Mit seiner wachsenden geistigen Erkenntnis Gottes und Seiner in vollkommener Beziehung stehenden Welt weist er diese lügende Einflüsterung zurück und bringt sie zum Schweigen.
Er weiß, daß das gottlose sterbliche Gemüt ihn nicht gemacht, umgeben oder in Beziehungen gesetzt hat. Denn das sterbliche Gemüt lügt immer und bietet nur einen lügenden Begriff von Ursache und Wirkung, vom Menschen und seinen Beziehungen dar. Er weiß, daß er von Gott in liebevolle und verständnisvolle Beziehung zu Gott und zu seinen Mitmenschen gesetzt ist, und daß keine Verbindung von Annahmen, Umständen, Personen oder Kräften des sterblichen Gemüts ihn des Sinnes der Einheit mit dem unendlich Guten und seinen Kundwerdungen berauben kann, dessen sich immer zu erfreuen sein göttliches Recht ist.
Wenn einer versucht ist zu glauben, sein Bruder sei eigensinnig und frage nichts nach Gottes Gesetz, darf er ihn nicht mental dem sterblichen Gemüt überlassen, darf er nicht glauben, daß das Böse seinen Bruder seiner Göttlichkeit und seiner Beziehung zu Gott beraubt habe. Er muß die geistige Idee hinsichtlich aller Menschen erfassen und sehen, daß das sterbliche Gemüt mit seinem lügenden Sinn der Schöpfung und unglücklicher, unharmonischer Beziehungen nie und nirgends in Gottes Weltall etwas zu sagen hatte. Die Ewigkeit ist ewig voll von gottverordneten und mit Gott in Beziehung stehenden Ideen und von nichts anderem, und diese Wahrheit ist genau so auf die Beziehung zweier Personen wie auf die von zwei Milliarden anwendbar.
Wenn einer an dem Christus, der wahren Idee Gottes, seiner selbst und seines Bruders und ihrer unveränderlichen Beziehung zueinander festhält, fühlt er in zunehmendem Maße seine Herrschaft über das sterbliche Gemüt und dessen Anspruch von unglücklich in Beziehung zueinander stehenden sterblichen Persönlichkeiten. Die Tatsache, die er mit zunehmender Klarheit erkennt, ist, daß das göttliche Gemüt auf immer durch eine Welt Gemüts-verwandter Individualitäten augenscheinlich gemacht wird, eine Welt, in der jede Individualität jeder andern ihre Individualität, ihre Freiheit und ihre Tätigkeit unter Gottes Obhut gerecht und liebevoll zugesteht.
So denkend, haben viele Christliche Wissenschafter bewiesen, daß menschliche Beziehungen so gestaltet werden können, daß sie mehr von den Eigenschaften Gottes ausdrücken; daß „Tannen für Hecken wachsen sollen und Myrten für Dornen”, wie Jesaja sagt. Zweifellos muß, ob eine gewisse menschliche Beziehung fortbesteht oder abgebrochen wird, die grundlegende, von der Liebe eingesetzte Beziehung zwischen den in Betracht Kommenden schließlich gefunden und bewiesen werden, ehe der Himmel gewonnen werden kann.
Eine der allzuoft unglücklichen menschlichen Beziehungen ist die Ehe. Von dieser wichtigen Beziehung schreibt Mary Baker Eddy in „Miscellaneous Writings” (S. 52): „Die Ehe läßt sich verschiedentlich definieren. Manchmal stellt sie den jämmerlichsten Zustand menschlichen Daseins dar. Um normal zu sein, muß sie eine Vereinigung der Neigungen sein, die dazu angetan ist, die Sterblichen höher zu heben”. Für so wichtig erachtet Mrs. Eddy diese Beziehung, daß sie ein ganzes Kapitel in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” ihrer Erläuterung widmet. Für diejenigen, die beabsichtigen, in eine solche Beziehung zu treten, und für diejenigen, die schon darin sind, enthält dieses Kapitel eine unschätzbare Botschaft, die ergründet, angewandt und bewiesen werden sollte. In der ganzen menschlichen Geschichte ist es die eindringlichste, hilfreichste und heilendste Abhandlung über diese Beziehung, die dem Menschengeschlecht je gegeben worden ist.
Alle menschlichen Beziehungen müssen als Begriffe des vorübergehenden sterblichen Denkens schließlich den völlig befriedigenden und dauernden Beziehungen weichen, die das ewige Gemüt zwischen allen Ideen Gottes einsetzt und erhält. Bei diesem Austausch des Vorübergehenden gegen das Dauernde, des Menschengemachten gegen das Gottgemachte geht nur das Falsche verloren; die Wirklichkeit wird gewonnen.
Laßt uns darüber im klaren sein, daß das, was ewig wahr ist, heute wahr ist; daß unsere einzig wahren Beziehungen jetzt diejenigen sind, die Gott kennt — die Beziehungen zwischen Bruder und Bruder in der einen großen Familie der Liebe! Laßt uns, ob wir menschlich zu Hause, im Büro, in der Fabrik, in der Schule oder im Dienst unseres Vaterlandes seien, von dieser einfachen wissenschaftlichen Grundlage aus denken und handeln! Laßt uns stündlich durch das Fenster der Brüderschaft auf die Menschheit, nah oder fern, hinausblicken und mit immer klarerer Erkenntnis die geistige Tatsache sehen, die alle menschlichen Beziehungen höher hebt, läutert und umgestaltet, ja die Tatsache, daß Gott das All-in-allem ist, daß das eine Leben und das eine Gemüt heute und auf immer ausgedrückt ist, nicht in einer Schöpfung unglücklich zusammengesellter, reibungstiftender sterblicher Persönlichkeiten, sondern in einer Welt von Gott ausdrückenden, mit Gott in Beziehung stehenden Individualitäten, die sich freuen, daß sie „mit erbaut werden zu einer Behausung Gottes”. Edwin Markham sagt:
Der Gipfel und die Krone alles Guten,
Des Lebens letzter Stern, ist Brüderschaft.
