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Der Weg durch das Tal

Aus der Oktober 1947-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Der Ausdruck „durch das Tal wandern" bedeutet heute wohl hauptsächlich deshalb, weil er im 23. Psalm so gebraucht ist, Schwierigkeit, Angst oder Leid durchmachen. In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift" (S. 596) erklärt Mary Baker Eddy „Tal" zum Teil als „Niedergeschlagenheit; Sanftmut; Finsternis." Mrs. Eddy hat hier zwischen „Niedergeschlagenheit" und „Finsternis" das Wort „Sanftmut" eingefügt, vielleicht um zu zeigen, daß Sanftmut ein Weg ist, der zwischen dem hinführt, was dem sterblichen Sinn wie zwei Berge erscheint.

Wenn wir im Tal sind, scheinen wir auf der einen Seite niedergeschlagenes Denken zu haben, während auf der andern Seite Finsternis herrscht. Wenn wir dicht an dem Berg Niedergeschlagenheit entlang gehen, finden wir, daß unser Ausblick auf die Wirklichkeit immer versperrt ist durch den Berg gegenüber—durch verdunkeltes Denken. Und der Weg dazwischen ist sehr schmal. Aber wie der Psalmist können auch wir im Tal singen (Ps. 23, 4): „Ich fürchte kein Unglück; denn du bist bei mir". Durch Forschen in der Bibel und im Lehrbuch können wir verstehen lernen, wie wir Gottes Hand ergreifen und uns von Ihm in den Sonnenschein geistiger Freude führen lassen können. Wenn wir dann zurückblicken, können wir sehen, daß die Berge, die dem verfinsterten materiellen Sinn so düster und beängstigend schienen, es nur waren, weil wir noch nicht angefangen hatten, ihre Höhen zu ersteigen.

Wir alle haben Talerlebnisse auf eine oder die andere Art, wenn wir dem Geist zustreben. Es ist ein ermutigender Gedanke—ob wir im Denken niedergeschlagen oder buchstäblich in einer Grube sind, ob wir in Selbstsucht befangen oder buchstäblich in einem Gefängnis sind—daß Sanftmut, eine Eigenschaft, die alles Gott, dem Guten, anvertraut, das Mittel war, gar manche vertraute Gestalt der Bibel siegreich durch das Tal zu führen.

Als Abraham auf eine große Probe gestellt wurde, machte er sich demütig bereit, Gottes Befehl zu gehorchen und seinen einzigen Sohn Isaak „auf einem Berge, den ich dir sagen werde", zu opfern (1. Mose 22, 2). Im Tal und auf dem ganzen Weg hinauf auf den scheinbar düsteren Berg, zum Opfer, war Abraham gehorsam und demütig. Als er den Gipfel erreichte, hörte er den Engel des Herrn zu ihm sagen, er solle seine Hand nicht an den Knaben legen, „denn nun weiß ich, daß du Gott fürchtest" (1. Mose 22, 12). Mit welcher Freude Abraham später auf diesen Berg zurückgeblickt haben muß, als er sehen konnte, daß die Düsterkeit und Niedergeschlagenheit nur Trugvorstellungen waren; daß dort, wo sie zu sein schienen, in Wirklichkeit ein großer Segen und erneute Versicherung war!

Durch Geduld und Versöhnlichkeit wurde Joseph nicht nur aus der Grube und dem Gefängnis, sondern auch von Eifersucht und Verfolgung befreit. Als das Volk wider Mose murrte, weil das Wasser zu Mara so bitter war, daß sie es nicht trinken konnten, wurde er nicht ungeduldig, weil sie ihm Vorwürfe machten über etwas, woran er nicht schuldig war. Er schrie zu Gott, und Gott sagte ihm, was zu tun war, damit das Wasser trinkbar wurde. Später zeigte Gott dem Volk in Elim zwölf Wasserbrunnen und siebzig Palmbäume. So ging Mose infolge seines Gehorsams siegreich durch das Tal, durch ungerechten Tadel, hindurch. Elia ging siegreich aus Enttäuschung hervor und konnte Gott sehen und auf dem Berg Horeb das „stille sanfte Sausen" hören. Hiob ging durch geduldige Treue gegen Gott und durch demütiges Gebet für die Freunde, die ihn in seinem Elend getadelt hatten, durch das Tal, durch Armut und leibliches und seelisches Leiden, siegreich hindurch. Jesus, der geradezu das Wesen der Liebe bekundete, ertrug alles, erduldete alles. Der Meister versicherte Thomas einmal (Joh. 14, 6): „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich." Und bewies er nicht, daß der Weg des Christus der Weg der Sanftmut ist? Demütig erduldete er sogar das Kreuz und betete (Luk. 23, 34): „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!" Für Jesus war Sanftmut üben der Weg der Wahrheit und des Lebens; es führte ihn siegreich durch „das finstere Tal" hindurch und befähigte ihn, das ewige Leben zu beweisen.

Aber, kann vielleicht gefragt werden, wie verhält es sich, wenn man heute Erfahrungen macht, wobei man im Tal ist? Welchen zweckdienlichen Wert hat Demut dann? Wie wirkt Sanftmut dann nutzbringend?

Vor einigen Monaten war in unserer Tageszeitung erzählt, wie ein Soldat in einem Floßboot trieb. Da er keinerlei Licht hatte, um sich bemerkbar zu machen, betete er inständig zu Gott um Rettung. Ein Flugzeugführer, der hoch über dem Floßboot hinfuhr, sah ein Licht, lenkte sein Flugzeug an die Stelle und rettete den Mann. „Ich hatte keine Taschenlampe", erklärte der Mann im Floßboot, als er gerettet wurde. Sanftmut verlangt unbedingten Verlaß auf Gott, und mit einem solchen Verlaß ist immer göttliche Erleuchtung verbunden.

Zuweilen sind Erfahrungen im Tal nötig, um unsern geistigen Fortschritt zu fördern. Als eine Christliche Wissenschafterin sich eines Sommers in einer Gebirgsgegend Italiens aufhielt, wurde sie von einer schmerzhaften Unpäßlichkeit befallen, so daß sie zu einer Ausüberin in einer Stadt in Italien fuhr. Der Zug war überfüllt; es war ein sehr heißer Tag, und Mitreisende mußten in den Gängen stehen. Ein Gefühl des Mitleids kam über die Wissenschafterin; sie stand auf und bot ihren Platz einer jüngeren Frau an, die sehr unter der Hitze zu leiden schien. Die Frau nahm das Angebot freundlich dankend an. Nach und nach standen andere Fahrgäste auf und boten Mitreisenden ihren Platz an, und bald herrschte im ganzen Wagen Eintracht. Nachdem die Christliche Wissenschafterin eine Ausüberin gefunden und ihr diese Erfahrung erzählt hatte, sagte die Ausüberin: „Ich brauche Ihnen keine Behandlung zu geben. Sie sind geheilt." Von Freude erfüllt fuhr die Wissenschafterin zurück, um den Rest ihres Urlaubs in den Bergen zu verbringen. Der Zustand, der sie veranlaßt hatte, Hilfe zu suchen, verursachte ihr kein weiteres Mißbehagen. In einfachem, freundlichem Handeln ausgedrückte Sanftmut hatte die Heilung bewirkt.

Wenn wir durch das, was dem menschlichen Sinn als das finsterste Tal erscheint, allein gehen müssen, haben wir die ruhige Zusicherung unserer Führerin in der Fortsetzung ihrer Begriffsbestimmung für „Tal" (Wissenschaft und Gesundheit, S. 596): „Obgleich der Weg im sterblichen Sinn dunkel ist, so erleuchten ihn doch das göttliche Leben und die göttliche Liebe; sie zerstören die Unrast des sterblichen Gedankens, die Furcht vor dem Tode und die vermeintliche Wirklichkeit des Irrtums. Die Christliche Wissenschaft, die dem Sinn widerspricht, läßt das Tal knospen und blühen, gleich der Rose."

Eine Christliche Wissenschafterin, die einen lieben Angehörigen verloren hatte, betete viel und forschte stundenlang in Mrs. Eddys Begriffsbestimmungen für „Begräbnis" und „Auferstehung" (Wissenschaft und Gesundheit, S. 582 und 593), und sie vertiefte sich auch in andere Stellen im Lehrbuch und in „Miscellaneous Writings". Sie fand Trost, als ihr „widersprechender Sinn" an die Stelle kam: „Das größte Unrecht ist nur ein angebliches Gegenteil des höchsten Rechts" (Wissenschaft und Gesundheit, S. 368). Es war sicher das größte Unrecht, daß jemand glauben sollte, der Mensch, das Ebenbild Gottes, des Geistes, könne begraben werden; daß Liebe, Besorgnis, Treue, Beschützung, Mut, Versöhnlichkeit—die Eigenschaften, die ihr Freund ausgedrückt hatte—ihrem Blick entrückt werden konnten. Es kam ihr ein Gebet aus Mrs. Eddys „Einweihungspredigt" (Pulpit and Press, S. 10, 11) in den Sinn, das das falsche Gegenteil durch das „höchste Recht" ersetzte: „Möge das wieder in Erscheinung tretende Reich Gottes, das inwendig in euch—stets bei euch—ist, euch hinaus, hinauf, himmelwärts tragen!"

Dieses Gebet begann ihr Denken sofort zu vergeistigen, und durch weitere Entfaltung konnte sie nach Monaten einigermaßen erkennen, daß die Individualität ihres Freundes nicht aus den Augen verloren war. Als sie sich weiter in die Bibel und die Schriften unserer Führerin vertiefte, und täglich demütig um Führung betete, erkannte sie schließlich mit einem Gefühl tiefer Dankbarkeit, daß sie durch dieses Ergründen und Beten gleichsam Gottes Hand in der Finsternis ergriffen und sich von Ihm hatte zum Licht führen lassen; daß der anscheinende Engpaß durch das Tal in Wirklichkeit „der Weg" Demut war, der auf die weiten Gefilde größerer Gelegenheit zu selbstloser Dienstleistung führte.

Manchmal entdecken wir schon, während wir noch im Tale sind, daß der Weg, der hindurchführt, ein heiliger Boden ist—ein Boden, auf dem in Fülle Milde, Mitgefühl, Duldsamkeit, Liebe, geistige Stärke und geistiges Verständnis blühen. Milton spricht in seinem Gedicht „Lycidas" von „leuchtenden Veilchen". Der Dichter ist getadelt worden, eine solch bescheidene Blüte „leuchtend" zu nennen; aber Milton hatte zweifellos ein Beet Veilchen einmal kniend betrachtet und wußte, daß das Veilchen buchstäblich fast mit einem heiligen Licht leuchtet, wenn man sich niederbückt und das Sonnenlicht durch die Blütenblätter scheinen sieht. Ebenso sehen wir, wenn wir durch die Erfahrung im Tal geläutert und gedemütigt der göttlichen Demut Christi nahe genug kommen, das heilige Licht, das Jesu Pfad durch das Tal erleuchtete, und das, wenn wir es nicht hindern, unsern Pfad mit einem die schönste irdische Dämmerung übertreffenden Strahlenglanz erhellt.

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