Jeder wahre Christ ist international eingestellt, weil das Christentum international ist. Er wird sich immer mehr bewußt, daß das Gute allumfassend, unendlich, auf kein Land, auf keine Rasse beschränkt ist, und er versteht, daß dieses Gute Gott, das eine Gemüt oder die eine Intelligenz, der einzige Vater-Mutter ist, der die unveräußerlichen Rechte Freiheit und Gleichheit allen Seinen Kindern unparteiisch verliehen hat.
Gott teilt Seine Güte dem menschlichen Bewußtsein durch den Christus mit. Der „Christus ist”, wie die Christian Science durch das Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” von Mary Baker Eddy enthüllt, „die wahre Idee, die das Gute verkündet, die göttliche Botschaft von Gott an die Menschen, die zum menschlichen Bewußtsein redet” (S. 332). Jesus konnte durch den Christus, den er besser als irgend jemand verstand und ausdrückte, die Kranken und die Sündigen heilen und zeigen, daß der Mensch gesund, liebevoll, gerecht und rein ist.
Für den Christus „ist nicht da Grieche, Jude, Beschnittener, Unbeschnittener, Ungrieche, Szythe, Knecht, Freier, sondern alles und in allen Christus.” Wie der Christus wirksam Rassenhaß und Streit überwindet, ist aus Jesu Verhalten gegen die Samariter ersichtlich. Sie waren, wie uns berichtet wird, ursprünglich Assyrer, Götzendiener, und hatten, obgleich sie mitten in einem jüdischen Gebiet wohnten, die jüdische Religion nur teilweise angenommen. Deshalb betrachteten sich die Juden als höherstehend, und die Samariter lehnten sich gegen diese Haltung so auf, daß sich Streit zwischen den beiden Völkern entwickelte. Als Jesus eines Tages durch Samaria zog und an Jakobs Brunnen ein Weib bat, ihm zu trinken zu geben, war es daher nicht überraschend, daß sie erstaunt fragte: „Wie bittest du von mir zu trinken, so du ein Jude bist, und ich ein samaritisch Weib? (Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern)”.
Wie kam es, daß Jesus kein Verlangen hatte, die herkömmliche Feindseligkeit fortzusetzen, und mit überlegener Miene und in Selbstgerechtigkeit auf das Weib und ihr Volk hinabzusehen? Die Samariter, die durch das Weib zu ihm kamen, gaben die Antwort, als sie zu ihr sagten: „Wir glauben nun hinfort nicht um deiner Rede willen; wir haben selber gehört und erkannt, daß dieser ist wahrlich Christus, der Welt Heiland.”
Ja, es war der Christus, der Bote der Wahrheit, der gekommen war, ihr Denken aus materialistischem Gottesdienst zu der Wahrnehmung und Anbetung des göttlichen Prinzips, der Liebe, der Quelle und Substanz alles Daseins zu erheben. Ihre Freude war so groß, daß sie Jesus, einen Juden, baten, bei ihnen zu bleiben, „und er blieb zwei Tage da.” Die Feindschaft war aus dem Bewußtsein dieser Samariter verschwunden. Sie fühlten zweifellos die Einheit des Guten, das der Christus allen Menschen bringt. Als Jesus ein andermal zehn Aussätzige heilte, war der einzige, der zurückkam, Gott zu danken, ein Samariter.
In dem Maße, wie die Menschen den Christus in ihr Bewußtsein einlassen, bringen sie nicht nur in ihr eigenes Leben und damit ihrem Volk im großen ganzen unsagbare Segnungen, sondern dieses christusähnliche Denken durchdringt auch die Beziehungen der Völker untereinander und bringt Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, Liebe und Frieden ans Licht. So geht die Erlösung des einzelnen allgemeiner Erlösung voran.
Was für Gelegenheiten zu friedlicher Zusammenarbeit ein Volk, das glaubt, seinen Nachbarvölkern überlegen zu sein, doch dadurch versäumt, daß es sich zu Feindschaft oder Willkürherrschaft verleiten läßt, anstatt zu Freundschaft und Wohlwollen die Hand zu bieten! Was ist es, Was ist es, was dazu verleitet? Der Offenbarer Johannes nennt es „die alte Schlange, die da heißt der Teufel und Satanas, der die ganze Welt verführt.” Christian Science erklärt, daß es ein sogenanntes materielles Gemüt. eine sogenannte materielle Intelligenz ist, die verkündet, daß die Schöpfung gut und böse sei, und die der Materie Substanz, Leben und Intelligenz zuschreibt, und dadurch die menschliche Persönlichkeit erhöht.
Menschen und Völker kommen unter den Einfluß dieses „fleischlichen Gesinntseins”, wie Paulus es nennt, wenn sie sich aus Unwissenheit durch eine politische oder falsche religiöse Lehre irreführen lassen und ihr blindlings gehorchen, oder wenn sie in trügerischer oder böswilliger Absicht deren mesmerische Einflüsterungen gern in ihr Bewußtsein aufnehmen und sich durch sie—durch Eigensinn, Selbstgerechtigkeit und Eigenliebe—beherrschen lassen. Sind diese Einflüsterungen einmal angenommen worden, so kann es scheinen, als ob sie das eigene Denken eines Menschen oder eines Volkes wären, und sie scheinen durch diese Übereinstimmung Macht zu erlangen.
Jeder gesittete Mensch weiß, daß in einem Staat Gesetz und Ordnung nicht ohne eine Regierung aufrechterhalten werden können, und er sollte daher von seiner Handlungsfreiheit bereitwillig soviel aufgeben, wie nötig ist, seine Sicherheit und Freiheit zu verbürgen. Aber viele Bürger wollen nicht zugeben, daß es ebenso nötig ist, daß ein Volk Opfer bringt, um ein friedliches und geordnetes Verhalten unter Völkern zustande zu bringen. Gleichgültigkeit oder anerzogener selbstsüchtiger Nationalismus, der die Rechte anderer nicht achtet, geht unverkennbar aus dem sterblichen Gemüt hervor, und eine solche Selbstsucht trägt zu der Gesetzlosigkeit auf internationalem Gebiet bei. Sie hat dem internationalen Gesetz einerseits durch die Weigerung, ihm nachzukommen, und anderseits durch Vorenthaltung der nötigen Gerichtsund Verwaltungsbehörden und der Durchführungsgewalt viel von seiner Nützlichkeit und Macht genommen.
Wir sind Gott und Mary Baker Eddy tief dankbar, daß dieses täuschende sterbliche Gemüt durch die Christian Science bloßgestellt wurde und es sich gezeigt hat, daß es unwirklich und machtlos ist und in keiner Beziehung zu Gott oder Seiner Schöpfung steht. Wenn sich das Böse wie vor alters brüstet: „Ich will in den Himmel steigen und meinen Stuhl über die Sterne Gottes erhöhen”, wiederholt die Wissenschaft des Christus den freudigen Ausruf des Propheten: „Wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern! Wie bist du zur Erde gefällt, der du die Heiden schwächtest!”
Je mehr die Menschen die Ermahnung der Christian Science beherzigen, dem Gesetz des Christus gehorsam selbständig zu denken, desto mehr werden sie sich ihrer persönlichen Verantwortlichkeit mit Bezug auf die Regierung bewußt sein. Dieses größere Verantwortlichkeitsgefühl wird zu Selbstregierung und dem Zusammenschluß von Staaten zwecks wirksamerer Verwertung ihrer wirtschaftlichen und die Bildung betreffenden Mittel führen. In einem aufgeklärten Bewußtsein finden die anmaßenden Einflüsterungen des Hasses, der Habgier und des Wetteiferns kein Gehör, und dadurch wird den von Zeit zu Zeit stattfindenden kriegerischen Ausbrüchen des fleischlichen Sinnes Einhalt geboten.
Nur auf der Grundlage des einen Gemüts und des Gesetzes Christi, seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst, kann die Menschenbrüderschaft und Eintracht in internationalen Beziehungen zustande kommen. Wenn die Menschen dieses Christusideal wahrnehmen, fangen sie an, sich als den Angehörigen aller Völker nah verwandt zu betrachten, und dieses wachsende Bewußtsein der Brüderschaft wird sich in solchen politischen Verständigungen bekunden, die dem friedlichen Verkehr aller Völker untereinander am besten dienen.
Die Entfaltung dieses die ganze Welt umfassenden Bewußtseins bedingt nicht, daß man sein Vaterland weniger liebe. Man kann sein Vaterland oder ein Land, in das man eingewandert ist, eher mit dem Heim vergleichen. Mrs. Eddy schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 58): „Das Heim ist der liebste Fleck auf Erden, und es sollte der Mittelpunkt, aber nicht die Grenze der Neigungen sein.” Dann wird ein Denken, das das Gute schätzt und liebt, wo oder durch wen es auch zum Ausdruck kommt, der Vaterlandsliebe das Gleichgewicht halten. In der sich erweiternden Liebe zu Gott und den Menschen hat Vaterlandsliebe ihren rechten Platz.
Im Hinblick auf internationale Beziehungen, die mit dem Evangelium—dem Zusammenwirken des Gesetzes und der Liebe—übereinstimmen, sind uns folgende Worte von Mrs. Eddy ein Ansporn und eine Herausforderung (Wissenschaft und Gesundheit, S. 565): „Die Verkörperung der geistigen Idee hatte eine kurze Geschichte in dem Erdenleben unseres Meisters; aber, seines Königreichs wird kein Ende sein', denn Christus, die Idee Gottes, wird schließlich alle Nationen und Völker gebieterisch, absolut, endgültig, mit der göttlichen Wissenschaft regieren.”
