Gleichheit zwischen Menschen und Nationen, Einzelwesen und Rassen, ist durch alle Zeitalter hindurch von der Menschheit gesucht worden, und zwar auf vielfache Art, manchmal mit Gewalt, manchmal auf friedlichem Wege, in letzteren Zeiten durch Gesetzgebung, Schiedsgerichte und eine gerechtere Verteilung der vorhandenen Güter. Doch kann wirkliche Gleichheit nur auf einer mentalen Grundlage aufgebaut werden, und Charaktereigenschaften können nicht durch Gesetzgebung erlangt werden. Gleichheit wird nicht durch materiellen Besitz erreicht, noch durch willkürliche Gesetze, die daraus hinzielen, die Klassenunterschiede zu verwischen. Kein Gefühlsschwang noch sogenannte sympathische Beeinflussung können eine Gleichheit hervorbringen, die nicht schon in Wirklichkeit in Denken und Handeln besteht. Nur durch gleiche geistige Normen und Ideale und das Aufsichnehmen der gleichen Verantwortlichkeit, diese Ideale aufrecht zu erhalten, nur durch weise Liebe und Geduld mit den gegenseitigen Unzulänglichkeiten—den individuellen sowohl wie denen, wie den verschiedenen Rassen eigen sind—kann Gleichheit in den menschlichen Beziehungen dem Ziele näher gebracht werden.
Auf Seite 181 des Buches „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany” schreibt Mary Baker Eddy: „Es ist gewißlich eine Entfaltung, nach der wir alle von Herzen streben, daß alle Nationen bald die größtmögliche Gerechtigkeit zwischen den Klassen und Massen der Menschheit ausarbeiten lernen und in Anwendung bringen, um so die universale Gerechtigkeit des Christentums zu veranschaulichen.” Wenn „die größtmögliche Gerechtigkeit zwischen den Klassen und Massen der Menschheit” in Anwendung gebracht wird, so werden wir gerechte Gesetze, gleiche Rechte und Gelegenheiten für alle haben, und gleiche Gerechtigkeit, die auf wissenschaftlichem Christentum begründet ist und den Menschen als den Ausdruck Gottes, des göttlichen Gemüts, offenbart. Die Menschen werden Gleichheit in genau dem Maße finden, in dem sie dieses Gemüt verstehen und ausdrücken lernen,—
„Daß Recht den Fall auf gleichen Schalen wäge,
So nimmer wankt und sieget allewege.”
In dem Bestreben, durch materielle Mittel alles auf einen gleichen Maßstab zu bringen, besteht die Gefahr, ein Ideal aus der Mittelmäßigkeit zu machen und alles auf einen gewöhnlichen und materiellen Standpunkt herabzuschrauben, anstatt es auf das Ideale und ausführbar Geistige zu erhöhen.
Wenn es auch gleiche Gerechtigkeit und gleiche Gelegenheiten für alle geben sollte, so muß doch auch die Tatsache in Betracht gezogen werden, daß die Unwissenheit nicht auf gleichen Schalen mit der Erleuchtung gewägt werden kann, und daß derjenige, der sich gegen alle Erleuchtung und Lebenserhöhung verschließt, nicht das Recht haben sollte, Regeln und Normen für den aufzustellen, der nach einem höheren Standpunkt für sein Denken und Handeln strebt und ausschaut. Müßiggang und Faulheit können keine Gleichberechtigung mit Fleiß und Betriebsamkeit beanspruchen, noch Anmaßung mit Würde und Selbstachtung. Nachlässige Arbeit kann niemals auf gleichem Fuße mit sorgfältiger, vollendeter Ausführung bewertet werden. Das bloße Interesse am Lohn steht nicht auf gleicher Stufe mit dem Interesse an der Arbeit selbst, die zum Segen aller geschieht. Es kann keine Gleichschaltung zwischen Recht und Unrecht geben, zwischen dem hohen Ideal und der niedrigen Denkungsart, und selbst bei der größtmöglichen Gerechtigkeit kann diesen entgegengesetzten Ausgangspunkten für das Denken und Handeln nicht der gleiche Lohn zugemessen werden.
Die Ursache für alle Ungleichheit ist die Annahme, daß es zwei Arten Leben und Substanz gibt, von denen die eine geistig und die andre materiell, die eine gut und die andre böse ist. Die Menschen, die von diesem Standpunkt aus handeln, sehen sich vor die hoffnungslose Aufgabe gestellt, ein Gleichgewicht zwischen diesen Gegensätzen zu finden. Wenn die Menschen dahin kommen, nur einen Gott, einen Geist, ein Prinzip als die Grundlage ihres Lebens anzuerkennen, dann werden sie anfangen, eine Begründung für Gleichheit im menschlichen Leben zu finden, sowohl vom politischen und ökonomischen wie vom sozialen Standpunkt aus.
Also ist es ausschließlich in der Anwendung des wissenschaftlichen Christentums, daß Gleichheit richtig verstanden und ausgearbeitet werden kann. Christus Jesus gab die Grundlage für alle Gleichheit, als er die Menschen lehrte zu beten: „Unser Vater.” Mrs. Eddy machte diesen Punkt sehr klar auf Seite 467 ihres Buches „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift”, wo sie schreibt: „Man sollte es von Grund aus verstehen, daß alle Menschen ein Gemüt, einen Gott und Vater, ein Leben, eine Wahrheit und eine Liebe haben.” Nur durch das Verständnis des einen Vater-Gemüts und Seiner geistigen Schöpfung werden alle Menschen als „gleichgeboren” erkannt werden.
Das Gemüt oder Gott ist die Liebe, und auf Seite 13 ihres Buches „Wissenschaft und Gesundheit” schreibt Mrs. Eddy: „Liebe ist unparteiisch und allumfassend in ihrer Anwendbarkeit und in ihren Gaben.” Alle Einzelwesen haben in gleichem Maße teil an den Schätzen und Gaben der göttlichen Liebe, des unendlichen Guten, und sie machen sich diese Gaben zu eigen im Verhältnis ihrer Aufnahmefähigkeit, ihrer Bereitwilligkeit, alles Gute nach dem geistigen Maßstab zu bemessen und ihr Einssein mit Gott anzuerkennen. Also kann ein jeder all die Liebe, die Freude, den Frieden, die Intelligenz, die Substanz und die frohe Wirksamkeit haben, die er anerkennt und annimmt. In diesem erhabenen Ideal finden wir den Weg zur Gleichheit für Menschen und Nationen.
Eins der größten Beispiele der Freundschaft, das wir in der Geschichte kennen, ist die Freundschaft, die zwischen Jonathan und David bestand—Jonathan, einem Königsohn, und David, einem einfachen Hirtenknaben, der in gesellschaftlicher Stellung von dem Hofleben der Könige weit entfernt war. Und trotzdem lesen wir im Buch Samuel: „Das Herz Jonathans verband sich mit dem Herzen Davids, und Jonathan gewann ihn lieb wie sein eigen Herz.” Dieses Verwischen aller Klassenunterschiede, diese Freundschaft der Gleichheit, hätte durch menschliche Gesetzgebung nicht bewirkt werden können. War es doch das unvermeidliche Ergebnis ähnlicher Charaktereigenschaften und gleicher Ideale und Ziele. Eine gleiche Liebe für das Gute, das Schöne und das Wahre ist das einzige Mittel, Klassenschranken zu verwischen und Rassenunterschiede auszulöschen.
Es ist ermutigend zu beobachten, wie das Licht der geistigen Wahrheit, die in der Christian Science offenbart wird, die Dunkelheit des Materialismus und der falschen Begriffe erleuchtet, und uns bessere Mittel und Wege weist sowohl wie gerechtere Gesetze, um so einen gleichmäßigeren Standpunkt für das menschliche Leben herbeizuführen. Dieses Licht wird „immer heller leuchten, bis auf den vollen Tag,” wenn die Menschen das eine Gemüt anerkennen und es in hohen Idealen, lauteren Motiven, selbstlosem Dienen und wahrem Herzensfrieden ausdrücken. Die göttliche Liebe, das Prinzip aller Existenz, muß verstanden und demonstriert werden, um die erwiesene Einheit des Gemüts ebensowohl wie die Gleichheit der Ideen dieses Gemüts zu offenbaren.
