In schweren Zeiten fühlt man, daß einem Kraft not tut — eine nicht aus dem unzuverlässigen menschlichen Willen hervorgehende Kraft, sondern eine Kraft, deren Ruhe und Macht aus der unveränderlichen Beständigkeit einer göttlichen Quelle hervorgeht. Manche empfinden vielleicht ein Bedürfnis nach sittlicher und geistiger Stärke, andere nach wirtschaftlicher Stärke, und viele suchen sehnsüchtig das, was vielfach als körperliche Kraft betrachtet wird.
Mary Baker Eddy schreibt in dem wertvollen Buch „Miscellaneous Writings“ (S. 240): „Alle Erziehung sollte zu sittlicher und körperlicher Erstarkung und Freiheit beitragen.“ Die Christliche Wissenschaft, die sich heute mit ihrer wahren Erziehung auf verdienstvollen Gebieten des Denkens in unserer Mitte befindet, bietet allen, die hören wollen, ihre erfrischenden, aufklärenden geistigen Wahrheiten dar. Sie lehrt uns unter anderem, was Stärke ist, und wo sie zu finden ist.
Wenn man verstehen lernt, daß Stärke eine Sache geistigen Denkens ist, wird man fähiger, sie sich auf jedem Gebiet zu wahren. Der Christliche Wissenschafter hat verstehen gelernt, daß nicht die Materie, sondern das göttliche Gemüt die Quelle unaufhörlicher Unterstützung und Ausdauer ist, um die für die Aufgaben des Alltags nötige Stärke zu beweisen. Er hat verstehen gelernt, daß Stärke nicht etwas ist, was in der Materie aufgespeichert ist, um aus der Materie heraus verbraucht zu werden. Sie wird nicht dadurch erlangt, daß eine geheimnisvolle Kraft, während man den Körper ruhen läßt, Lebenskraft und Tatkraft sammelt. Weder Schwäche noch Stärke ist in der Materie. Schwäche ist ein angeblicher Bestandteil der Unwahrheit des sterblichen Gemüts; sie ist unwirklich. Gottes Schöpfung spiegelt unaufhörlich die unüberwindliche Stärke des Geistes wider. Stärke ist eine geistige Tatsache. Sie kennt kein Aufhören, sondern wird dem Menschen von dem Geist immerwährend mitgeteilt. Sie wird durch Anwendung nicht erschöpft, noch nimmt sie ab, wenn man älter wird.
Der falsche Glaube an junge und alte Materie — daß jene stark, diese schwach sei — ist für den vernichtet, der Stärke im geistigen Verständnis sucht. Schon viele haben gesehen, daß ihre Stärke mit zunehmenden Jahren infolge größerer Gotteserkenntnis zunahm. Kaleb betrachtete, wie er zu Josua sagte, als Grund für seinen Erfolg und seine unverminderte Stärke im Alter von 85 Jahren den Umstand, daß er „dem Herrn ... treulich folgte“ (Jos. 14, 8). Kalebs Begründung stimmt mit der Erklärung unserer Führerin in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 183) überein: „Gehorsam gegen Wahrheit verleiht dem Menschen Macht und Stärke.“ Und sie fügt bedeutsam hinzu: „Unterwerfung unter den Irrtum führt Verlust an Macht herbei.“
In dem heute in der Welt stattfindenden großen sittlichen und geistigen Kampf unterstützt und stärkt die göttliche Liebe alle daran beteiligten Völker oder Menschen in dem Verhältnis, wie sie diese Liebe bewußt ausdrücken. Die Christlichen Wissenschafter halten sich rückhaltlos an Gott, und in den christlich-wissenschaftlichen Zeitschriften und in den Mittwochabendversammlungen berichten Leute, die sich zu ihrer Errettung aus Furcht, Leid und Gefahr auf Gott verlassen haben, über viele Beweise.
Ein junger Marineoffizier, ein Christlicher Wissenschafter, der Flugzeugführer war, erzählte mir sein Erlebnis. Er war mit seinem Kampfflugzeug bei dem Angriff auf Luzon schon seit Tagesanbruch im Gefecht gewesen. Nachdem er einem Aufruf für Freiwillige zur Erfüllung einer gewissen Aufgabe Folge geleistet hatte, fand er gegen Abend, daß er wegen eines heftigen Wirbelsturms nicht auf sein Schiff zurückkehren konnte, sondern sein Flugzeug auf dem Wasser landen mußte, und zwar ganz nahe dem von dem Sturm betroffenen Gebiet. Es war so hoher Wellengang, daß er die Rettungsausrüstung, die ihm geholfen hätte, an der Oberfläche zu bleiben, nicht losmachen konnte, ja sie preisgeben mußte. Völlige Finsternis brach herein; er wußte, daß er schwimmen mußte, bis er gerettet werden würde; denn ohne Widerstand würde er in den hohen Wellen untergehen.
Dieser junge Christliche Wissenschafter schwamm 14 Stunden in den hohen Wellen. Die ganze Nacht hindurch klammerte er sich an das, was er über Gott und den Menschen wußte. Zuweilen hatte er das Gefühl, als könnte er keinen Arm mehr bewegen, aber immer wieder fiel ihm eine Wahrheit ein, die er in der christlich-wissenschaftlichen Sonntagsschule oder zu Hause gelernt hatte, und erfrischte und stärkte ihn.
Als er am nächsten Vormittag endlich von einem Zerstörer gerettet wurde, hörte er den Arzt sagen, daß er nicht am Leben bleiben werde. Vierzehn Stunden schwimmen war unerhört! Er wurde liebevoll gepflegt und zu Bett gebracht. Er sagte, daß er jenen ganzen Tag über abwechselnd ein wenig geruht und dann ein wenig die Wahrheit erklärt habe. Am Abend war seine Zunge, die so geschwollen gewesen war, daß sie den ganzen Mund ausfüllte, normal. Er konnte seine Augen, die ganz verfärbt und fast geschlossen waren, wieder öffnen; sein Puls, der als sehr schwach erklärt worden war, war wieder normal, und er konnte zu Abend essen.
Als er auf das Schiff gebracht wurde, waren die Muskeln und Sehnen an seinen Beinen vom Ankämpfen gegen die Wellen und von dem beständigen Schwimmen vollständig bloßgelegt. Das Schiff war mit christlich-wissenschaftlichen Schriften versehen, die ihm gegeben wurden, und es wurde ihm erlaubt, daß er ohne Einmischung des Arztes selber für seine Heilung arbeiten konnte. Nach 10 Tagen konnte er gehen, und seine Beine waren bald darauf vollständig geheilt. Nach einem ihm gewährten kurzen Urlaub zu Hause freute er sich, seinem Lande weiter zu dienen. Seine geistige Stärke und sein Gottvertrauen waren gewachsen, weil er in dieser Prüfungszeit die Hinlänglichkeit und Wirksamkeit des Geistes, ihn zu retten und wieder gesund zu machen, bewiesen hatte.
Dieses Erlebnis beweist die Beständigkeit und Zuverlässigkeit geistiger Stärke, die kein Schwanken kennt. Sie versagt in Zeiten der Not nicht, sondern schützt vor dem Irrtum. Liebe, Demut und Selbsterkenntnis sind die Hauptbestandteile geistiger Stärke; der Mensch wird sich dieser Eigenschaften dadurch bewußt, daß er sich bemüht, sie im täglichen Leben anzuwenden, daß er unerschütterlich den göttlichen Willen zu erkennen und zu tun sucht.
Manchmal ist man versucht zu glauben, daß die Kraft und Fähigkeit zur Erfüllung der Forderungen der Seele nicht im rechten Verhältnis stehe zu der Bereitwilligkeit, sie zu erfüllen. Es kann zum Beispiel die Einflüsterung kommen, daß Versorgung außerhalb unseres Bewußtseins sei und von Umständen und Zuständen abhänge, über die man keine oder wenig Herrschaft habe. Aber Versorgung ist eine geistige Idee und muß von jedem einzelnen im eigenen Bewußtsein bewiesen werden. Ein geistiges Bewußtsein der Fülle Gottes läßt keinen Mangel aufkommen.
Als Jesus das Volk speiste, wandte er sich an das unbegrenzte göttliche Gute, dessen er sich klar bewußt war, und er empfing die für alle ausströmende Segnung und Versorgung. Wenn wir im Denken die geistige Standhaftigkeit beweisen, die sich auf Gott verläßt und nicht zweifelt, wird Versorgung natürlich und mühelos in Erscheinung treten. Ebenso, wie körperliche Schwäche durch die Erkenntnis der Wahrheit und der Liebe verschwindet, verschwindet wirtschaftliche Schwäche, und an ihre Stelle tritt die Wahrnehmung einer Fülle, die nicht abnimmt.
Das menschliche Gemüt hält manchmal irrigerweise den menschlichen Willen, Beherrschung, Stolz und Torheit für Stärke. Läßt man diese Irrtümer ins Bewußtsein ein, so bringen sie andere im Gefolge, z.B. Unzufriedenheit, Klagen, Tadelsucht, Selbstsucht, Empfindlichkeit, Undankbarkeit, Mangel, Mißmut, Müßiggang und dergleichen. Diese irrigen Gesinnungen sind immer sterblich; sie tragen die Schwäche und die Nichtsheit ihres Ursprungs in sich. Sie haben nichts Rettendes; beharrt man in ihnen, so treiben sie einen auf das Meer der Verwirrung hinaus, ohne einem die Kraft zu geben, gegen die Wogen anzukämpfen.
Dem Willen Gottes gehorchen, durch Liebe Herrschaft erlangen, die Macht geistiger Sanftmut bestätigen, ein wachsames Bewußtsein beweisen, heißt die Beständigkeit und Macht geistiger Stärke bekunden. Durch geistige Liebe im Bewußtsein wird die geistige Stärke fortwährend erneut.
Auf Gott harren, Seine liebevolle Unterstützung erwarten, Ihm gehorsam sein, heißt zur Ausführung jeder rechten Forderung neue Kraft finden. Mrs. Eddy schreibt (Miscellaneous Writings, S. 130): „Wisset ihr nicht, daß der, der die größte Nächstenliebe übt und auf Gott harrt, seine Stärke erneut und erhöht wird?“ Jesaja versichert uns (Jes. 40, 31): „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie laufen und nicht matt werden, daß sie wandeln und nicht müde werden.“
 
    
