Wie aufrichtig sind Sie? Wie getreu spiegelt Ihre äußere Erscheinung Ihr inneres Selbst wider? Um diese Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten, muß man noch tiefer gehen, als in seinen Gedanken und Motiven zu forschen. Die Menschheit hat sich so darauf eingestellt, gewisse Phasen der Unehrlichkeit und Heuchelei als normal anzusehen, daß etwas mehr als menschliche Vernunft erforderlich ist, um hinter die Wahrheit zu kommen. Verzerrte Maßstäbe und falsche traditionelle Begriffe müssen abgestreift werden, wenn man zu den Tatsachen gelangen will.
Die Bibel sagt: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.“ 1. Sam. 16:7; Nur die Weisheit des göttlichen Gemüts kann den wahren Wert unserer und anderer Menschen Gedanken klar erkennen, und wer sich seit langem über jeden Vorwurf erhaben dünkt, wird — wenn er die geistige Einsicht der göttlichen Intelligenz anzuwenden lernt — vielleicht entsetzt sein, wenn er entdeckt, was für tiefgehende Makel sein eigener Charakter aufweist und wie falsch er den Charakter eines Mitmenschen eingeschätzt hat.
Die Christliche Wissenschaft zeigt, daß in der Wirklichkeit des Universums Gottes der Mensch, die Idee Gottes, das Wesen der Gottheit als genaues Gleichnis widerspiegelt. Er bringt die Eigenschaften des ewigen Lebens und der ewigen Wahrheit und Liebe zum Ausdruck. Alle Söhne und Töchter Gottes schließen die Eigenschaften der Seele in sich, die ganz klar als ihre individuelle Identität zum Ausdruck kommen. Sie werden vom göttlichen Prinzip regiert. Sie machen die Weisheit und Intelligenz des unendlichen Gemüts offenbar, und ohne sich zu verstellen oder zu zögern, zeigen sie der Welt ihr gutes Wesen. Sie haben keine Unzulänglichkeiten zu verbergen, und sie zögern nicht, die zarten Kostbarkeiten ihrer Zuneigungen zu enthüllen, da es in Gottes Allheit keine bestialischen Elemente gibt, von denen sie zerrissen werden könnten. In dem wahren geistigen Reich gibt es weder Unaufrichtigkeit noch Heuchelei. Jeder einzelne hat seine eigene Nische im göttlichen Plan und fürchtet nicht, daß sie ihm genommen werden könnte. Wettbewerb und wahnwitziger Ehrgeiz sind unbekannt. Kein Intrigieren noch sich in Positur setzen ist erforderlich, um zu beeindrucken. Rechtschaffenheit ist universal.
Seit einigen Jahren zeigt sich in der menschlichen Gesellschaft die Tendenz, Unbescholtenheit wiederherzustellen und einen besseren Begriff von Rechtschaffenheit zu gewinnen. Viele Leute, die sich bewußt sind, daß die wahre Bedeutung des Daseins durch jahrhundertelanges falsches Denken getrübt wurde, bemühen sich ernsthaft darum, die Tünche traditioneller Ehrbarkeit und der Vorstellung, was sich paßt, von ihrem Leben zu entfernen — ihren Wertbegriff zu heben, zu entdecken, was in Wahrheit ihre Identität und was der wirkliche Lebenszweck ist.
Aber das fleischliche oder sterbliche Gemüt ist nicht fähig, seine eigenen Unzulänglichkeiten festzustellen. Es weiß wenig von der geistigen Wahrheit und hat daher keine verläßliche Basis, auf der es ein Urteil aufbauen kann. Mrs. Eddy schreibt: „Das sterbliche Gemüt befindet sich in Unwissenheit über sich selbst, sonst könnte es sich niemals selbst betrügen. Wenn das sterbliche Gemüt wüßte, wie es besser sein könnte, dann würde es besser sein.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 186; Wir sehen demzufolge Anzeichen dafür, daß manche Leute mit einem im Grunde genommen ehrlichen Verlangen nach der Wahrheit in ihrem menschlichen Bestreben, sich einer Form des Irrtums und der Heuchelei zu entziehen, ungewollt einer anderen Form des gleichen Irrtums verfallen — nämlich dem, das Gute unter einem Schleier flegelhaften Benehmens zu verbergen.
Das Motto einer britischen Familie lautet: Esse Quam Videri. Aus dem Lateinischen übersetzt bedeutet es soviel wie „mehr sein als scheinen“ — eine gute Grundlage für eine ehrliche Lebensweise, möchte man denken. Aber wir haben biblische Autorität dafür, daß auch der äußere Schein wichtig ist. Wenn das Herz wahr und gut ist, sollte die äußere Erscheinung damit übereinstimmen. Der Apostel Paulus gab der Gemeinde zu Thessalonich den Rat: „Meidet jeden Anschein des Bösen.“ 1. Thess. 5:22 (n. der engl. Bibel); Ja, es ist genauso unaufrichtig, böse zu erscheinen, wenn man gut ist, wie gut zu erscheinen, wenn man böse ist. In jedem Fall ist man ein Heuchler.
Das Ideale ist, ein ehrliches und gutes Herz zu haben und dieser Rechtschaffenheit keinen Stein in den Weg zu legen, wenn sie für die Welt in Erscheinung tritt. Warum sollte man sich genieren, großzügig und rücksichtsvoll zu sein oder hohe Ideale und erhabene Ziele zu haben? Und doch gibt es Menschen, die es vorziehen, sich der Welt als griesgrämig, mürrisch, knauserig oder als aus der Reihe tanzende und unkonventionelle Rebellen zu zeigen, anstatt als die ehrlichen, freundlichen, verläßlichen Leute, die sie sind. Vielleicht genauso viele verbergen ihre Güte unter einem rauhen, unbeholfenen Äußeren wie andere ihre Gewissenlosigkeit und Falschheit hinter einem Lächeln und glattzüngigen Reden.
Die Christliche Wissenschaft zeigt, daß Unehrlichkeit jeder Art Schwäche ist. Sie trennt uns von dem allmächtigen göttlichen Prinzip, Gott, wohingegen wir uns in dem Verhältnis mit der Macht Gottes, zu heilen, eins wissen, wie wir die Eigenschaften des göttlichen Prinzips verkörpern und sie aufrichtig in Erscheinung treten lassen. Mrs. Eddy schreibt: „Ehrlichkeit ist geistige Kraft. Unehrlichkeit ist menschliche Schwachheit, die die göttliche Hilfe verwirkt.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 453.
Christus Jesus bewies dies durch seine Treue zur Wahrheit. Er wußte, daß er der Sohn Gottes war, und brachte beständig die Eigenschaften seines göttlichen Wesens zum Ausdruck. Von der Höhe seiner geistigen Demonstration heilte er die Kranken und Sündigen. Er riß den Schleier der Unaufrichtigkeit vom weltlichen Denken, ohne auf dessen schändliche Ebene hinabzusteigen. Er schalt die Heuchler gehörig, aber bewahrte sich immer seine eigene Würde und Aufrichtigkeit. Er ist unser Vorbild bei der Umgestaltung unseres eigenen Lebens und der menschlichen Gesellschaft als Ganzes. Nur wenn wir ihm auf seinem Wege geistiger Aufrichtigkeit folgen, können auch wir mit geistiger Macht ausgerüstet sein und die ganze Welt mit der Wahrheit segnen.
