In Jesu Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen wurde die Frage aufgeworfen, wann es Zeit sei, das Unkraut auszujäten und zu vernichten. Die Antwort des Hausvaters war: „Lasset beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um der Ernte Zeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuvor das Unkraut und bindet es in Bündel, daß man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheune.“ Matth. 13:30. Darauf mögen wir logischerweise fragen: Wann ist die Zeit der Ernte, und wie wissen wir, wenn sie gekommen ist?
Die Erntezeit deutet eine Reife des Denkens an, einen Fortschritt aufgrund von Erfahrungen, eine Bereitschaft, die Frucht einzubringen. Der Haushalter im Gleichnis des Meisters warnte seine Knechte davor, das Unkraut vorzeitig zu jäten, „auf daß ihr nicht zugleich den Weizen mit ausraufet“ Matth. 13:29.. Das trifft ganz gewiß auch auf unser Wachstum im Verständnis und in der Anwendung der Christlichen WissenschaftChristian Science (kr’istjən s’aiəns) zu. In unserem Leben gibt es Zeitpunkte, die auf die Ernte und das Verbrennen des Unkrauts hinweisen.
Christus Jesus wußte das offensichtlich, denn er sagte einmal: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ Joh. 2:4., und bei einer anderen Gelegenheit: „Die Stunde ist da.“ Joh. 17:1. Hierin zeigte sich, daß er so gut vorbereitet war, daß er alles unter Gottes Führung und zur richtigen Zeit tun konnte. Auf diese Weise vermied er Reaktionen und nutzlose Mühen. Er handelte unter göttlicher Führung, die das Ergebnis schon von Anfang an kennt.
Wenn wir uns daran gewöhnen, auf göttliche Anweisungen aufmerksam zu hören und auf sie zu reagieren, können auch wir Aufruhr und Rückschläge verhindern, die durch die Selbstbehauptung des menschlichen Willens entstehen. Bisweilen mögen wir versucht sein, Standpunkte zu vertreten, die wir noch nicht verstehen und demonstrieren können. Es ist der menschliche Wille, der Fehler macht. Das zeigte sich in dem Jünger Petrus, der recht ungestüm gewesen war, bevor er durch seine Erfahrung als Jünger Reife gewann. Nachdem sein Verständnis zugenommen hatte, konnte er seine Haltung durch Heilen und praktisches Demonstrieren beweisen. Er gewann offenbar, was ihm an Geduld und Beharrlichkeit noch gefehlt hatte, denn später war es ihm möglich, Tote aufzuwecken.
Die Zeit der Ernte kann als unsere heranreifende Vorstellung verstanden werden, die wir von dem zu Gottes Ebenbild geschaffenen Menschen haben. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß Gott göttliche Liebe ist, unendlicher Geist, ewige Wahrheit. Der Mensch spiegelt als Ebenbild Gottes das göttliche Wesen wider. Er ist geistig und vollkommen, zum Ebenbild Gottes geschaffen. Dieser Wissenschaft zufolge spiegeln die Gesundheit und die Harmonie des Menschen die göttliche Herrschaft wider. In dem Maße, wie wir im Verständnis dieser absoluten Wahrheiten wachsen und sie durch Heilungen beweisen, nehmen wir sie in uns auf.
Wie können wir dieses „Heranwachsen“ beschleunigen? Einiges läßt sich von den Kräften lernen, die den Reifeprozeß in der Natur und in unserer Landwirtschaft vorantreiben. Durch Bewässern, Nähren, Düngen, Kultivieren wird das Wachstum gefördert. Aber auch durch geduldiges Warten. Unsere Verantwortung ist es, darauf zu achten, daß diese Tätigkeiten während des Wachsens ausgeführt werden — während sich unser Verständnis entwickelt und wir die Christliche Wissenschaft zu demonstrieren lernen. Unsere Führerin, Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, sagt: „Am meisten bedürfen wir des Gebetes inbrünstigen Verlangens nach Wachstum in der Gnade, das in Geduld, Sanftmut, Liebe und guten Werken zum Ausdruck kommt.“ Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 4.
Das „Wachstum in der Gnade“ ist es, das uns auf das Demonstrieren vorbereitet. Wenn wir die Wahrheit assimilieren, die Tatsachen der göttlichen Wissenschaft verstehen lernen, die notwendigen Änderungen unseres Charakters erarbeiten, die Gedanken läutern, uns der göttlichen Liebe fügen, dann befinden wir uns auf dem Weg des Reifens. Hartnäckige Annahmen werden ausgemerzt, das Denken wird flexibler, formbarer, empfänglicher. Wir legen die falschen Auffassungen ab und heißen den Christus willkommen, das wahre Wesen des Menschen als Ebenbild Gottes.
Eine der wunderbarsten Eigenschaften unseres Meisters war seine Geduld. Er gab seinen Anhängern beständig guten Rat, lehrte sie grundlegende Wahrheiten, bewies ihnen mit seiner heilenden Tätigkeit die Tatsachen des Lebens, ermutigte sie in ihren Bemühungen, ihm zu folgen. Er lehrte in Gleichnissen, um ihnen seine Lehren leicht verständlich zu machen.
Einmal bezeichnete er die Ernte als „das Ende der Welt“ Matth. 13:39.. Schon immer wurden Vermutungen angestellt, was „das Ende der Welt“ bedeuten und wann es kommen könnte. Aber das ist etwas, was wir individuell erleben. Wir alle nehmen die Wahrheit auf unsere eigene Weise in uns auf. Jeder von uns erntet an verschiedenen Stellen auf dem Feld des Lebens. Wenn wir die Unwirklichkeit des Bösen, das Nichts des Irrtums, deutlich erkennen, vollzieht sich in unserem Bewußtsein das Ende der Welt — d. h., der Glaube an ein von Gott getrenntes Leben findet ein Ende. Das Unkraut wird verbrannt und der Weizen in der Scheune gespeichert.
Der verlorene Sohn kam an „das Ende der Welt“, als er die Torheit der Sünde erkannte und sich von ihr abwandte. Daraufhin wurde er sich seiner rechtmäßigen Herkunft bewußt, und er erlebte eine neue Welt der Wiedergeburt. Das Ende der Welt wird manchmal als eine schreckliche Katastrophe dargestellt. Aber es ist durchaus möglich, daß das Ende dem einzelnen keine drastischen Umwälzungen bringt, wenn sein Denken für die Wahrheit aufgeschlossen ist. Wenn der Eigensinn fortbesteht, könnte das zu einem verheerenden Ende führen. Ist das Denken jedoch aufgeschlossen und empfänglich, dann braucht das nicht so zu sein. Es ist ganz gewiß möglich, auf die Offenbarung der Wahrheit ohne Kampf zu reagieren. Aber natürlich muß die Nichtsheit des Bösen und der Sünde aufgezeigt werden. Die Bibel nennt Gott „ein verzehrendes Feuer“ 5. Mose 4:24..
Uns wird geraten, das Unkraut zu verbrennen — die Ansichten des sterblichen Gemüts, die Annahmen von Sünde und Krankheit, von Leben und Intelligenz in der Materie. Wenn uns die Tatsachen der wahren Existenz klar werden — die Allheit Gottes, des Guten, und die Vollkommenheit des Menschen —, wird das „Unkraut“ im Bewußtsein schwinden, bis wir erkennen, daß es nichts ist. Dann vollzieht sich die Heilung. Mrs. Eddy schreibt: „Wir ernten geistige Früchte aus unseren eigenen materiellen Verlusten. In dieser verzehrenden Glut werden die falschen Bilder auf der Leinwand des sterblichen Gemüts ausgelöscht; und so verblaßt auch der darunterliegende materielle Farbgrund, bis er nicht mehr zu sehen ist.“ Rückblick und Einblick, S. 79.
Manchmal erhebt sich die Frage, wann der richtige Zeitpunkt für grundlegende Änderungen in unserem Lebensstil oder unseren Lebenszielen gekommen sei. Man mag sich fragen: „Bin ich bereit, mich ganz der öffentlichen Ausübung des christlich-wissenschaftlichen Heilens zu widmen?“ Der folgende Vers aus den Sprüchen Salomos wird oft als Richtlinie zitiert: „Der Mensch setzt sich's wohl vor im Herzen; aber vom Herrn kommt, was die Zunge reden wird.“ Spr. 16:1. Gott allein kann einem die vollständige Antwort geben. Doch das Kultivieren des Denkens ist etwas, was wir alle anstreben können. Bereitschaft ist der Schlüssel. Wir können sicher sein, daß es sich zeigen wird, wenn wir zu diesem Schritt bereit sind. Ein aufrichtiger Wunsch wird zur Fähigkeit heranreifen.
Wenn wir bereit sind, das Denken zu disziplinieren, das Zeugnis der körperlichen Sinne zurückzuweisen, uns von der Materie zum Geist zu wenden, dann sehen wir die Früchte richtigen Denkens und Handelns. Das Verbrennen des Unkrauts ist Selbstaufopferung. Dabei wird die heilende Kraft des Christus immer offensichtlicher. Mrs. Eddy sagt: „Meine Schüler mit geschultem Verstand, verfeinerten Neigungen und reichen Hoffnungen versprechen eine glänzende Laufbahn. Sie müssen aber bedenken, daß die Saatzeit vorüber, die Stunde der Ernte gekommen ist, und Gesänge, süßer als der Glockenton zur Weinlese, sollten vom Berg der Offenbarung aufsteigen.“ Vermischte Schriften, S. 356.
Die Vorbereitung des Bodens, die Pflege des bestellten Feldes und schließlich das Ernten mit der Sichel der Demonstration bringen Ertrag. Die Zeit der Ernte kommt mit dem Heranreifen des Denkens. Diese fortschreitende Entwicklung ist, was die Weltlichkeit betrifft, eine teure Hoffnung; doch sie enthüllt die Harmonie der göttlichen Wissenschaft auf eine praktische Weise, die die hungernden Herzen sättigt und die tiefsten Wünsche erfüllt. Kann es eine größere Aufgabe geben als die, die Nöte der Menschheit mit jener christlichen Liebe und Hingabe zu stillen, die von Jesus zum Ausdruck gebracht wurde?