Es mag wie eine monumentale Aufgabe erscheinen, aber die Worte des Apostels sind unzweideutig. Als Christen müssen wir bereit und willens sein, allem den Kampf anzusagen, was sich Gott entgegenstellen möchte. Selbstverständlich müssen wir das auf geistige Weise tun, denn der Apostel Paulus spricht hier nicht von physischem Kampf. Es wird uns gesagt, „die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlich, sondern mächtig im Dienste Gottes, zu zerstören Befestigungen“. Und von jedem Christen wird deutlich gefordert, sein Denken dem vollkommenen Willen Gottes zu unterwerfen — „alle Gedanken [gefangenzunehmen] unter den Gehorsam Christi“ 2. Kor. 10:4, 5..
Eine ehrliche Beurteilung unseres geistigen Fortschrittes würde sicherlich zeigen, daß noch viel Arbeit zu tun ist. Die meisten von uns fühlen sicherlich zeitweilig, daß unser Denken tatsächlich Gott nahe ist und daß wir Seine Gegenwart und Führung wirklich in unserem Leben spüren. Aber fühlen wir nicht zu anderen Zeiten, daß wir jämmerlich versagt haben und nicht tun, was von uns eigentlich erwartet wird? Trotzdem können wir uns gewiß über das Gute freuen, das wir schon vollbracht haben, und wir können demütig beten, um zu erkennen, was in unserem Leben noch der Regeneration bedarf.
Auf die Frage, wie jeder Gedanke unter den Gehorsam Christi, der Wahrheit, gebracht werden kann, gibt es keine simple Antwort, und zweifellos sind auch die individuellen Bedürfnisse jedes Menschen verschieden. Aber es ist vielleicht von Nutzen, einige Punkte zu erwägen, die sich in der menschlichen Erfahrung ziemlich häufig zu wiederholen scheinen. In der einen oder anderen Form muß wohl fast jeder sich damit auseinandersetzen, der den aufrichtigen Wunsch hat, Gottes Absicht in seinem Leben auszuführen.
Zum Beispiel ist das menschliche Denken selten ganz frei von einem falschen Gefühl des Stolzes — von der egozentrischen Vorstellung, persönliche Fähigkeiten und Erfolge verzeichnen zu können, die unabhängig sind von dem, was Gott jedem Seiner Kinder gibt. Dieser Stolz drückt sich oft in geistigem Hochmut aus, der die Ehre für vollbrachte Leistungen nur für sich selbst in Anspruch nimmt. Falscher Stolz gibt Gott, der eigentlichen Quelle alles Guten, nicht die Ehre, die Ihm gebührt.
Um diese Sünde zu heilen und die Gedanken unter den Gehorsam Christi zu bringen, müssen wir um die Erkenntnis unserer wahren Beziehung zu Gott beten. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß Gott unendliches Gemüt, die einzige Ursache, ist. Der wahre Mensch ist die Idee oder Offenbarwerdung des Gemüts. Daher kann alles Gute, dessen wir fähig sind, direkt auf Gott zurückgeführt werden. Wenn wir eine Eigenschaft wie Intelligenz zum Ausdruck bringen und dadurch befähigt sind, ein lohnendes Ziel zu erreichen, dann sollten wir erkennen, daß unsere intelligente Fähigkeit in Wirklichkeit von Gott herrührt und daß unserem Vater Lob gebührt. Demut schließt die Erkenntnis ein, daß der Mensch die vollkommene Wirkung Gottes, des vollkommenen Prinzips, ist. Dieses Verständnis vom wahren Sein des Menschen verleiht uns die Kraft, noch mehr im Dienst unseres Schöpfers zu tun. Wahre Demut ist nicht Schwäche. Die Demut geistigen Verständnisses bricht falschen Stolz, preist Gott und bringt die Gedanken unter den Gehorsam der Wahrheit.
Ein weiterer Bereich des menschlichen Denkens, dem wir Beachtung schenken müssen, ist die Tendenz, sich Sorgen zu machen. Es ist eine Sünde, sich zu sorgen. Wenn wir Zeit damit verschwenden, uns wegen einer Situation ängstlich Gedanken zu machen, verneinen wir in der Tat Gottes stete Gegenwart und Allmacht. Wir glauben dann, daß es eine Macht außer Gott gebe (oder zumindest eine potentielle Macht), die die Ursache unserer Sorge ist. Wenn wir uns Sorgen machen, glauben wir, daß Gott nicht völlig für uns sorge, daß unser Leben dem Zufall ausgesetzt sei, der Launenhaftigkeit von Umständen, den Handlungen anderer, äußeren wirtschaftlichen Faktoren usw.
Wir können jedoch lernen, daß Gott tatsächlich allmächtig ist. Gott, göttliche Liebe, regiert und erhält Seine Schöpfung in vollkommener Harmonie. Es gibt nie auch nur einen Augenblick, wo der Mensch sich außerhalb der göttlichen Fürsorge befindet. Durch Gebet können wir die schmerzhaften falschen Annahmen der sterblichen Existenz durchschauen und die herrliche Erkenntnis vom Reich Gottes auf Erden gewinnen. In dem Maße, wie wir unser ganzes Vertrauen auf Gott setzen, werden wir für Seinen Christus empfänglich, der uns errettet und umwandelt.
Als Christus Jesus sich dem Leichenzug in Nain näherte, sah er eine Witwe, die gerade ihren einzigen Sohn verloren hatte. Siehe Luk. 7:11–16. Nicht nur tiefer Schmerz, sondern auch Zweifel und Sorge erfüllten wahrscheinlich das Denken der Frau. Wer würde nun für sie sorgen? In ihrem Stand mag ihre Versorgung ohne Mann oder Sohn sehr unsicher gewesen sein.
Aber der Meister demonstrierte Gottes Allmacht und immergegenwärtige Fürsorge für Seine Kinder. Durch die Kraft des göttlichen Geistes rief Christus Jesus den Sohn der Witwe ins Leben zurück. Diese Heilung bewies, daß jeder scheinbare Anlaß zu Kummer oder Sorge in Wirklichkeit grundlos war. Und zeigte sich nicht an der tiefen Ehrfurcht der Witwe und ihrem Lobe Gottes, daß ihre Gedanken unter den Gehorsam gebracht wurden?
Die Gedanken in Einklang mit der Wahrheit zu bringen ist im christlichen Heilen unerläßlich — und zwar beim Heilen von Krankheit wie auch von Sünde. In Wissenschaft und Gesundheit spricht Mary Baker Eddy von der Anatomie, die der wissenschaftlichen Methode des geistigen Heilens eigen ist; aber dies ist nicht die Anatomie, die im allgemeinen als körperliche Struktur materieller Organismen verstanden wird. Sie schreibt: „Geistig aufgefaßt ist Anatomie mentale Selbsterkenntnis und besteht in der Zergliederung der Gedanken, um deren Qualität, Quantität und Ursprung zu entdecken. Sind die Gedanken göttlich oder menschlich? Das ist die wichtige Frage. Dieser Zweig des Studiums ist für die Ausrottung des Irrtums unerläßlich.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 462.
Wir mögen noch nicht die vollständige Herrschaft über jeden Gedanken erlangt haben. Aber wir können zweifellos in der rechten Richtung gehen und ständigen Fortschritt in der Vergeistigung unseres Bewußtseins machen, wenn wir demütig beten, nur das zu tun und zu denken, was Gott von uns erwartet. Der letzte der sechs Glaubenssätze der Christlichen Wissenschaft, die in Wissenschaft und Gesundheit aufgeführt werden, enthält folgendes Versprechen der Anhänger der Christlichen Wissenschaft: „Und wir geloben feierlich zu wachen, und zu beten, daß das Gemüt in uns sei, das auch in Christus Jesus war; anderen zu tun, was wir wollen, daß sie uns tun sollen, und barmherzig, gerecht und rein zu sein.“ Ebd., S. 497.
Wir können unser Denken sorgfältiger überwachen. Wir können uns regelmäßig prüfen: Befinden sich unsere Gedanken in Übereinstimmung mit der geistigen Wahrheit? Wie steht es mit unserem nächsten Gedanken — wird er sterblich und materiell sein, oder selbstlos, rein, von Gott angeregt und inspiriert?
Das sind die wichtigen Fragen. Wenn wir sie richtig beantworten können, werden wir den heilenden Beweis haben, daß wir allmählich den Sieg über die Sterblichkeit erlangen. „Wir zerstören ... Anschläge und alles Hohe, das sich erhebt wider die Erkenntnis Gottes, und nehmen gefangen alle Gedanken unter den Gehorsam Christi.“ 2. Kor. 10:5. Und wir bringen dadurch Friede, Freude und den Trost göttlicher Gnade in unser Leben.
