Wen oder was lieben wir? Beschränkt sich unsere Liebe auf ein Gefühl der Zuneigung zu nahen Verwandten, einem Freund oder einer Freundin, einem Hund oder einem Auto?
Manche Momente der Glückseligkeit sind mit solch überschwenglicher Liebe erfüllt, daß wir nicht nur jene lieben, die wir kennen, sondern die ganze Welt in unsere Arme schließen möchten!
Doch ohne es in Frage zu stellen, wird von den meisten Menschen die Liebe nur unter gewissen Voraussetzungen zum Ausdruck gebracht und akzeptiert: Eine Person oder ein Gesellschaftskreis, ein Objekt oder ein Gegenstand gewinnen nur dann unsere Zuneigung, wenn sie ein Ausleseverfahren durchlaufen haben, das sie unserer persönlichen Anerkennung für würdig erachtet. Infolgedessen teilen wir unser Leben in Erfahrungsbereiche auf; das eine Mal können wir nicht umhin, jemanden zu lieben, und das andere Mal sehen wir keine Veranlassung, unserer Zuneigung Ausdruck zu verleihen. Wie lange eine begrenzte Anschauung von Liebe dem einzelnen als ausreichend erscheint, steht mit seiner Erkenntnis der unparteiischen, allumfassenden göttlichen Liebe in engem Zusammenhang.
Die Bibel definiert Gott als Liebe. Siehe 1. Joh. 4:8. Da Liebe, Gott, allumfassend in ihrer Wirkung ist, ist sie unendlich und stets verfügbar, selbst wenn ihre Gegenwart nicht gleich zu erkennen ist.
An welche Bedingungen könnte Gott Seine Bereitschaft zu lieben knüpfen? An keine! Gott liebt bedingungslos: ohne aufzuhören und wieder neu zu beginnen, fortwährend. Was könnte der unendlichen göttlichen Liebe im Wege stehen? Nichts! Die göttliche Liebe entfaltet ihre Liebe uneingeschränkt. Es gibt keinen Platz, wo Gott nicht den vollen Glanz Seiner Lieblichkeit erstrahlen läßt. Der geistige Mensch, Gottes Darstellung Seiner selbst, lebt in der Liebe. Das Wesen der göttlichen Schöpfung wird durch ihre Einheit mit der zärtlichen Liebe Gottes und deren reinen Ausdruck bestimmt.
Die göttliche Liebe garantiert ihrem Kind ein grenzenloses Dasein, ohne Anfang und ohne Ende. Im Licht leuchtender Liebe erstrahlt das vollkommene Sein. Unser Bemühen, unsere wahre Identität als Ebenbild der Liebe zum Ausdruck zu bringen, ist erfolgreich, wenn wir nicht zulassen, daß das zeitliche Selbst — die Annahme von einer fleischlichen Identität — dominiert. Diese materielle, falsche Identität hat in unserem Bewußtsein von Gottes Liebe tatsächlich keinen Platz. Nur ein Verständnis unserer geistigen Identität verhilft uns zu der Erkenntnis, daß Gott nicht auf einen sterblichen, materiellen Menschen oder eine sterbliche, materielle Schöpfung angewiesen ist oder durch sie ausgedrückt wird.
Häufig stehen wir durch das Festhalten an der materiellen Auffassung vom Selbst einem ungehinderten Fluß der göttlichen Fürsorge im Weg, und ohne es zu wollen, hindern wir deren Zutagetreten. Nur wenn wir uns eindeutig mit der unpersönlichen göttlichen Liebe identifizieren, gelangen wir zu dem allumfassenden Begriff von unserer wahren Identität als Gottes Ebenbild, Seinem geliebten Kind.
Wieviel Wärme und Sympathie uns von anderen auch entgegengebracht wird, wir müssen verstehen lernen, daß Zuneigung nur dann von Dauer ist, wenn sie der göttlichen Liebe entspringt. Sollte uns Haß oder Abneigung entgegenschlagen, dann bietet die Erkenntnis, daß die allmächtige Liebe immer gegenwärtig ist, eine wirksame Verteidigung.
Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit: „Allumfassende Liebe ist der göttliche Weg in der Christlichen Wissenschaft.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 266. Das Verständnis der allumfassenden Liebe führt uns niemals dazu, die Probleme der Menschheit außer acht zu lassen, sondern kommt in tätiger Nächstenliebe zum Ausdruck, die praktische Hilfe verschafft.
Selbst die Freude, sich am Lob und Beifall anderer aufzurichten, verliert seinen Glanz durch das Anerkennen der Tatsache, daß der Vater jedes zu seiner Ehre geschaffene Kind bewußt liebt.
Christus Jesus erwiderte dem reichen Jüngling, der sich an ihn als an eine materielle Persönlichkeit wandte und ihn mit „guter Meister“ anredete: „Was heißest du mich gut? Niemand ist gut als allein Gott.“ Mark. 10:17, 18. Doch Jesus versäumte es nicht, seine geistige Identität zu beanspruchen, die göttliche Güte zum Ausdruck brachte. Sein Christus-Wesen war sich ganz und gar des vollkommenen Vaters bewußt.
Wenn wir erkennen, wie sehr wir von Gott uneingeschränkt, bedingungslos, inniglich geliebt werden, fangen auch wir an, wahrhaft zu lieben. Dadurch erfüllt jeder einzelne seine gottgegebene Mission, die göttliche Gegenwart anzuerkennen — was auch sein individuelles Tätigkeitsfeld sein mag — und sich zu bemühen, Seine Liebe zu betätigen, die ein wirkungsvolles Werkzeug beim christlichen Heilen ist.
Ich erinnere mich noch gut an den Besuch eines christlich-wissenschaftlichen Sonntagsgottesdienstes. Die Liebe, die dort zum Ausdruck gebracht wurde, trug ich freudig im Herzen nach Hause. Von dieser Liebe geleitet, konnte ich die Wahrheit in bezug auf eine körperliche Beschwerde erkennen, unter der eine Verwandte am Nachmittag litt. Ich weigerte mich, die Annahme in mein Bewußtsein aufzunehmen, daß der Mensch, das Ebenbild der göttlichen Liebe, krank sein konnte. Dank der geistigen Tatsachen, von denen meine Verwandte wußte, daß sie die Wahrheit ihres Daseins sind, konnte sie noch am gleichen Tag an einem Vortrag über die Christliche Wissenschaft teilnehmen. Die göttliche Liebe hatte die allumfassende Wirksamkeit christlich-wissenschaftlicher Gottesdienste unter Beweis gestellt, indem sie alle Beteiligten segnete.
Mrs. Eddy gab den Mitgliedern ihrer Kirche Regeln, die sie im Handbuch Der Mutterkirche festlegte. Artikel VIII Abschnitt 1, betitelt „Eine Richtschnur für Beweggründe und Handlungen“, wird einmal im Monat in den Sonntagsgottesdiensten der kirchen Christi, Wissenschafter, überall in der Welt verlesen. Er beginnt mit den Worten: „Weder Feindseligkeit noch rein persönliche Zuneigung sollte der Antrieb zu den Beweggründen und Handlungen der Mitglieder Der Mutterkirche sein. In der Wissenschaft regiert allein die göttliche Liebe den Menschen; und ein Christlicher Wissenschafter spiegelt die holde Anmut der Liebe wider in der Zurechtweisung der Sünde, in wahrer Brüderlichkeit, Barmherzigkeit und Versöhnlichkeit.“
Wer nach der göttlichen Liebe sucht und sich bemüht, sie widerzuspiegeln, kann sich eines erfüllten Daseins erfreuen. Die Wärme der Liebe Gottes findet ihren konkreten Ausdruck in menschlichen Angelegenheiten, und der empfangene Segen bringt nicht nur Harmonie in unsere eigene Situation, sondern hat oft auch eine sanft berichtigende und helfende Wirkung auf das Leben anderer.
Die göttliche Liebe wird durch Zärtlichkeit, Wärme, Harmonie alle Zeit als bedingungslos wirkend erkannt. Wenn wir sie schätzen, werden wir und die ganze Menschheit durch die vollkommene Entfaltung des Guten gesegnet.