Robert wuchs ganz im Norden von Neuseeland an der Küste auf. Er unternahm gern lange Ausflüge auf die einsamen Landzungen, die zwischen goldenen Sandstränden in den Pazifischen Ozean hinausragen. Dort setzte er sich dann auf die Klippen und beobachtete die Brandung, wie sie gegen die Felsen tobte und auf den ruhigeren Stränden ausrollte. Im Sommer sind die Strände von den Pohutukawa-Bäumen mit ihren leuchtend roten Blüten und von hohen Flachslilien gesäumt. In früheren Zeiten stellten die Maori, die Neuseeland schon vor der Ankunft der Europäer bewohnten, aus dem Flachs Stoffe und Körbe her.
An einem schönen Sommertag während der WeihnachtszeitDem Leser wird bekannt sein, daß die Jahreszeiten auf der südlichen Halbkugel denen auf der nördlichen genau entgegengesetzt sind. Aus diesem Grund fällt in Neuseeland die Weihnachtszeit in den Sommer. machte Robert einen ausgedehnten Spaziergang entlang einer Landzunge, die er noch nie zuvor ausgekundschaftet hatte. Die Sonne funkelte auf den Wellen, und der frische und würzige Duft des Manuka-Busches lag in der Luft. Das Ende der Landzunge war mit rutschigen Kieselsteinen bedeckt, und es wurde gefährlich, weiterzugehen. Robert schaute sich nach festerem Boden um und sah weiter unten einen schmalen von Schafen ausgetretenen Pfad, der am Rand der Steilküste oberhalb der Felsen entlangführte. Auf dem Pfad wuchs ein großer, kräftiger Flachsbusch. Wenn er den Kies hinunterrutschte, würde der Busch ihn auffangen, und er könnte weiterlaufen zur Spitze. Es war ein schönes Bild — der blühende Busch am Klippenrand, sechs Meter über den Felsen, gegen die die blauen Wellen brandeten. Als er an diesem herrlichen Tag zu dem Busch hinunterrutschte, fühlte er sich glücklich.
Doch da erlebte er eine große Überraschung! Die Flachsblüten waren voller Wespen, die gar nicht davon begeistert waren, daß diese große Person in ihren Busch gebraust kam. Sie fingen an, ihn im Gesicht und an den unbedeckten Stellen seines Körpers zu stechen.
„Was soll ich bloß machen?“ stieß er hervor. Der Wespenschwarm war so groß, daß er nicht den Pfad sehen und wegrennen konnte. Die Schmerzen waren beinahe unerträglich; am liebsten wäre er von dem Busch aus auf die Felsen weiter unten gesprungen. Er tat dann das einzige, was er tun konnte — er betete zu Gott.
Robert wohnte sehr weit entfernt von der nächsten Sonntagsschule oder Zweigkirche der Christlichen Wissenschaft, doch seine Eltern hatten ihm viel über diese Religion beigebracht, und eine kleine Gruppe von Christlichen Wissenschaftern traf sich jeden Sonntag, um die wöchentliche Bibellektion Im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft. zu lesen und Lieder zu singen. Robert fiel der Anfang eines Psalms ein: „Gott ist unsre Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben.“ Und noch ein Vers kam ihm in den Sinn: „Seid stille und erkennet, daß ich Gott bin!“ Ps. 46:2, 11.
Er blieb ganz still und sagte dann zu den Wespen: „Fliegt weg! Ihr seid Gottes harmlose Geschöpfe!“
Dann überlegte er weiter und sagte: „Wir alle sind Gottes harmlose Geschöpfe. Auch ich bin harmlos. Gott hat alles geschaffen, und alles ist gut.“ Er erkannte, daß die Wespen ihn als ihren Feind betrachteten und lediglich versuchten, sich zu wehren. Sie sahen in ihm einen großen Eindringling, der ihren glücklichen Sommertag auf den Blüten störte. Er wiederum hatte gemeint, sie seien seine Feinde und wollten ihm den herrlichen Ausflug an der Küste verderben.
Als ihm dies klar wurde, ließen die Wespen von ihm ab und gingen wieder an die Blüten. Es schien, als hätten sie gemerkt, daß er sie nicht weiter belästigen würde.
Als Robert aufstand, hatte er jedoch noch große Schmerzen, und er hatte Angst. Bald war sein Gesicht so geschwollen, daß er fast nichts mehr sehen konnte. Er wünschte, seine Eltern oder ein Ausüber der Christlichen Wissenschaft könnten ihm bei der Heilung helfen. Bis zum nächstgelegenen Haus mußte er aber auf der Landzunge erst noch etwa drei Kilometer zurücklegen.
Langsam machte er sich auf den Weg; er überlegte, welche Bibelgeschichte wohl auf seine Lage zuträfe.
Robert erinnerte sich an Paulus’ Reise nach Rom, über die in der Apostelgeschichte berichtet wird. Siehe Apg., Kap. 27–28. Paulus und andere Gefangene waren auf dem Weg nach Rom, wo sie vor Gericht gestellt werden sollten. Zuerst zerschellte das Schiff; dann wurde Paulus von einer Otter gebissen. Vielleicht fühlte Paulus sich einsam — vielleicht hatte er sogar Angst —, doch er schlenkerte die Otter einfach fort. Damals hätte er wohl kaum vorausahnen können, wie sehr er am Ende seiner Reise zur Bekehrung des Römischen Reiches beigetragen haben würde. Er gehorchte ganz einfach Gott und vertraute Seiner Fürsorge. Paulus muß überzeugt gewesen sein, daß er im Dienste Gottes stand und sich keines Vergehens schuldig machte, wenn er den Christus, die Wahrheit, predigte.
Robert erkannte, daß die Wespenstiche ihm nichts anhaben konnten, da seine Absichten nicht böse gewesen waren und er nicht vorgehabt hatte, den Wespen ein Leid zuzufügen. Er war ein Teil von Gottes freudevollem, harmlosem Tag gewesen. Er war auch jetzt noch ein Teil dieses Tages und drückte Freude und Gehorsam aus. Wenn er wirklich aus voller Überzeugung zu Gott sagen konnte: „Ich bin Dein Ausdruck, leite Du meine Schritte“, dann würde Gott ihm den Heimweg zeigen.
Als Robert beinahe die drei Kilometer gegangen war, konnte er wieder gut genug sehen, um nach Hause weiterlaufen zu können. Seine Mutter bemerkte sein geschwollenes Gesicht und konnte sehen, daß er geweint hatte. Sie setzten sich, und er erzählte, was ihm widerfahren war. In Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy zeigte seine Mutter ihm eine Stelle, die das bekräftigte, was er über die Wespen gedacht hatte. „Durch das Verständnis der Gewalt, die Liebe über alles hat, fühlte sich Daniel in der Löwengrube sicher und bewies Paulus, daß die Otter unschädlich war. Alle Geschöpfe Gottes, die sich in der Harmonie der Wissenschaft bewegen, sind unschädlich, nützlich und unzerstörbar.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 514. Sie sprachen darüber, daß die Schönheit des Tages in Wirklichkeit niemals unterbrochen worden war. Der ganze Zwischenfall war eine Lüge über Gottes Geschöpfe. Selbst wenn die Wespen und er einen dummen Fehler begangen hatten, hatte dieser sich in Wirklichkeit niemals an Gottes Tag ereignet.
Bald waren die Schmerzen und die Schwellung vollständig verschwunden, und auch Roberts Herz schlug nicht mehr so wild. Robert ging wieder an den Strand, um Muscheln zu sammeln und sich im Wasser von den Wellen tragen zu lassen. Die Wespenstiche juckten nicht einmal mehr.
Robert hat diese Lektion über die Geschöpfe Gottes nie vergessen.
Heilungen, die in Herold-Artikeln erwähnt werden — auch in denen, die von Kindern oder für Kinder geschrieben wurden —, werden sorgfältig geprüft.