Wir sehnen uns alle danach, geliebt und umsorgt zu werden — nach einem sicheren Hafen, wo wir Frieden und Ruhe finden können. Besonders in Zeiten der Anfechtung, Versuchung und Abgespanntheit suchen wir diesen sicheren Ort. Und wie dankbar sind wir dann, wenn wir das beruhigende Verständnis erreichen, daß Gott überall gegenwärtig ist; daß Gott, Liebe, immer bei uns ist.
Zweifellos erkannte Christus Jesus die menschlichen Nöte, und er bewies, daß Gott diese Bedürfnisse stets befriedigt. Die Bibel berichtet, daß die Jünger einmal in einen Sturm gerieten, als sie sich mit dem Boot auf dem See Genezareth befanden. Offensichtlich sah Jesus, wie sie versuchten, gegen den Wind anzurudern. Im Markusevangelium heißt es: „Und um die vierte Nachtwache kam er zu ihnen und wandelte auf dem Meer und wollte an ihnen vorübergehen.“
Des Meisters Herrschaft über die materiellen Elemente war so fest begründet, daß er nicht in das Boot zu steigen brauchte, um sicher zu sein. Markus berichtet uns: „Sie sahen ihn alle und erschraken. Aber alsbald redete er mit ihnen und sprach zu ihnen: Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht!“
Die Christus-Liebe Jesu war sofort bereit, die Jünger auf die in diesem Augenblick beste Art zu besänftigen. Wir lesen: „Und [er] trat zu ihnen ins Schiff, und der Wind legte sich.“ Mark. 6:47–51.
„[Er] trat zu ihnen ins Schiff.“ Er liebte sie zu sehr, um an ihnen vorüberzugehen. Jesu tiefe Anteilnahme an dem Wohlergehen seiner Mitmenschen ist nach wie vor das höchste Beispiel dafür, wie die Christus-Liebe, die in Gott Liebe, ihren Ursprung hat, den Menschen in schweren Zeiten Mut und Kraft gibt. Mrs. Eddy schreibt in ihrer Botschaft an Die Mutterkirche für 1902: „Christus wandelt auf den Wogen; die Stimme dessen, der den Sturm stillte, spricht auf dem Ozean der Ereignisse, die zur Woge ansteigen oder in die Tiefe hinabsinken:, Ich bin's; fürchtet euch nicht!‘ So bringt er uns in den ersehnten Hafen, in das Reich des Geistes ...“ Botschaft für 1902, S. 20.
Die Menschheit bedarf heute in hohem Maße der Gewißgeit, daß der sichere Hafen, den sie sucht, bereits existiert. Allmählich werden alle Menschen lernen, daß sie als Schöpfung des Geistes tatsächlich schon jetzt unter der vollkommenen Herrschaft der göttlichen Liebe leben. Diejenigen, die mehr von ihrer Beziehung zur göttlichen Liebe verstehen, sehnen sich danach, diese gute Botschaft vom Reich des Geistes mit anderen zu teilen. Je besser sie diese Beziehung verstehen, um so mehr kommt die Christus-Liebe in ihrem Leben zum Ausdruck. Wenn wir gründlich über Jesu Menschenliebe nachdenken, können wir erkennen, daß seine Liebe nur der göttlichen Liebe entspringen konnte — daß er der Sohn Gottes, der Liebe, war.
Jesus hätte nicht anders als mit Erbarmen und Intelligenz handeln können, weil ja die göttliche Libeb jeden seiner Gedanken und jede seiner Handlungen beherrschte. Die Menschen erlebten ganz natürlich die heilende Macht und Gegenwart Gottes durch die Liebe, die Jesus ausstrahlte. Was der menschliche Jesus war, veranschaulicht, was die göttliche Liebe ist. Seine Geistigkeit offenbarte, daß Gott, Geist, alle Disharmonie heilt und Harmonie wiederherstellt.
Wenn wir Jesu Beispiel folgen wollen, müssen wir durch Gebet zu der Erkenntnis gelangen, daß unsere wahre und einzige Identität der Ausdruck der göttlichen Liebe, der geistige Mensch ist. Wir lieben, weil das göttliche Prinzip durch den immergegenwärtigen Christus in uns wirkt, um seine heilende Macht und Güte zum Ausdruck zu bringen. Nur wenn wir wissen, wer wir und andere schon jetzt sind — die Manifestation Gottes —, werden wir dazu geführt, so zu handeln, daß die Menschheit die so ersehnte Liebe und Sicherheit wirklich spürt.
Eine solche von Gott ausgehende Liebe beseitigt eine falsche, persönliche Auffassung von Liebe, ein falsches Verantwortungsgefühl und die eigenwilligen Versuche, immer recht zu behalten. Die Christus-Liebe lehrt uns, mit unserer besänftigenden Überzeugung von Gottes steter Gegenwart immer bereit zu sein; gütig zu sein, statt zu schelten, wenn uns jemand um Hilfe bittet, der ängstlich und abgespannt ist; uns seiner geistigen Fähigkeit bewußt zu sein, tiefgehende metaphysische Punkte zu erfassen, und vor allem ein Freund zu sein, dem man vertrauen kann. Wenn wir diese einfachen Möglichkeiten, Zeugen der göttlichen Liebe zu sein, wahrnehmen, sehen die Menschen, daß der sichere Hafen der göttlichen Liebe tatsächlich hier und jetzt da ist, denn Gottes unendliche Güte ist immer gegenwärtig.
Mir wurde das einmal auf einfache, aber bewegende Weise veranschaulicht. Mein Mann und ich waren mit einer Bekannten, einer Ausüberin der Christlichen Wissenschaft, in ein Restaurant gegangen. Das Restaurant war voll, und wir gingen von vorn nach hinten durch und suchten einen freien Tisch. Als wir einen gefunden hatten, stellten wir fest, daß sich unsere Bekannte zu einer Frau gesetzt hatte, die allein an einem Tisch saß. Wir nahmen an, daß sie die Dame kannte und sich mit ihr unterhielt, und wir warteten auf sie.
Als sie kam, war sie offensichtlich tief bewegt. Sie sagte uns, sie kenne die Frau nicht, zu der sie sich gesetzt habe, sie habe sich aber veranlaßt gefühlt, sie anzusprechen. Sie sagte lediglich zu der Frau, daß ihr das hübsche Kleid gefalle, das sie trug. Die Frau schaute auf und bat unsere Bekannte, sich für einige Minuten zu ihr zu setzen. Sie sagte, sie sei so dankbar, mit jemandem sprechen zu können, da sie sehr einsam sei. Ihr Mann war einige Jahre zuvor gestorben. Der Tag wäre ihr Hochzeitstag gewesen, und sie fragte sich, ob es sich lohne, weiterzuleben.
Unsere Bekannte fragte sie, ob sie an Gott glaube. Die Frau bejahte das entschieden. Und bald sprachen die beiden über Gottes beständige und unwandelbare Liebe zu jedem Seiner Kinder. Schließlich fragte die Frau unsere Bekannte, warum sie sich der Liebe Gottes so sicher sei — und dann, ob sie sich wieder treffen könnten, um mehr über Gott zu sprechen.
Diese Begebenheit ist für mich unvergeßlich; sie veranschaulichte mir, wie ein Bewußtsein, das von der geistigen Liebe erfüllt ist, die der Christus verleiht, intuitiv die unausgesprochenen Bedürfnisse der Menschen erkennen und auf sie eingehen kann. Und diese geistige Liebe besitzt tatsächlich jeder von uns, weil wir die göttliche Liebe widerspiegeln.
In dem Maße, wie die Nachfolger Jesu das Sehnen der Menschheit nach liebevollem, besänftigendem Zuspruch erkennen, werden sie darum beten, sich ein liebevolles, christliches Erbarmen für andere, wie es sich in der Menschenliebe Jesu zeigte, und das Verständnis von der wahren Identität des Menschen, wie sie in der Göttlichkeit des Christus zum Ausdruck kommt, zu erhalten. Diese unwiderstehliche Kombination spricht die Menschen auf eine Weise an, die Furcht und widerstand gegen die göttliche Liebe zerstört. Dann sind wir Zeugen dafür, daß sich die Liebe Gottes anderen mitteilt, so wie es in dem Gebet Jesu an den Vater zum Ausdruck kommt: „Gleichwie du mich gesandt hast in die Welt, so sende ich sie auch in die Welt.“ Joh. 17:18.
Dazu beizutragen, das Bedürfnis der Menschen nach Liebe zu befriedigen, ist eine wichtige und großartige Aufgabe. Mögen wir uns alle der göttlichen Liebe und ihrer Fähigkeit, das Leben der Menschen zu erlösen und umzuwandeln, so bewußt sein, daß der sichere Hafen der Liebe in jedem unserer Gedanken und Worte und in jeder unserer Taten aufleuchtet.