„Von den zehn Aussätzigen, die Jesus heilte, kehrte nur einer zurück, um Gott die Ehre zu geben, d. h., um das göttliche Prinzip anzuerkennen, das ihn geheilt hatte“ (Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy, S. 94). Viele war ich wie einer jener neun, aber beständig einströmendes geistiges Licht und geistige Macht zwingen mich, wenn auch verspätet, zurückzukehren und wie der dankbare Aussätzige, Gott die Ehre zu geben.
Während meiner Studienzeit in Fernost — wo es unzählige Religionen und Philosophien gibt — suchte ich sehr eingehend nach der Wahrheit und durchforschte die Schriften verschiedener Philosophen und Weisen. Ich war irgendwie der Ansicht, daß man sich über die Wahrheit intellektuell seine eigene Meinung bilden müsse. Dementsprechend verfolgte ich mit Eifer meinen religiösen Standpunkt. Niemals war mir in den Sinn gekommen, daß Wahrheit gleichbedeutend ist mit Gott — eine Tatsache, die ich später durch die Christliche Wissenschaft erfahren sollte. Mein intellektuelles Ringen regte die mentalen Auseinandersetzungen in mir nur noch mehr an, ließ aber die grundlegende Frage „Was Wahrheit?“ unbeantwortet. Später las ich in Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes von Mary Baker Eddy (S. 349): „Kant, Locke, Berkeley, Tyndall und Spencer verhelfen wenig zum Verständnis der göttlichen Metaphysik oder ihrer Heilkunde.“ Es heißt dann weiter: „Die göttlichen Mittel und Wege oder Kundwerdungen sind natürlich — über die sogenannten Naturwissenschaften und die menschliche Philosophie hinaus —, weil sie geistig sind und mit dem Gott der Natur in der absoluten Wissenschaft zugleich bestehen.“
Diese „absolute Wissenschaft“ lernte ich vor über vierundzwanzig Jahren durch Freunde kennen; einer von ihnen wurde später mein Mann. Er gab mir einige Exemplare des Christian Science Sentinels zu lesen und fragte mich, ob ich irgendwelche Beschwerden hätte. Zu jener Zeit bekam ich jeden Nachmittag heftige Kopfschmerzen. Als ich das zum erstenmal meinem zukünftigen Mann gegenüber erwähnte, bot er mir Hilfe durch Gebet an; seitdem habe ich keine Kopfschmerzen mehr gehabt.
Meine Freunde, die mir die Sentinel-Hefte gegeben hatten, wohnten weit von mir entfernt. Ich hatte kein Telefon; ich hatte niemanden, mit dem ich über mein neues Interesse sprechen konnte. Ich las die Sentinels von Anfang bis Ende und fragte mich: „Wer war Mary Baker Eddy? Wo kann ich ihr Buch Wissenschaft und Gesundheit bekommen?“ Das war an einem Freitagabend. Ich wollte warten, bitten, mir das Buch zu geben. Am Wochenende besuchte ich eine Nachbarin, um mir etwas zum Lesen auszuleihen. In ihrer kleinen Bibliothek, die aus zwei Regalen mit Romanen und literarischen Werken bestand, fand ich zum erstenmal ein verstaubtes, in braunem Papier eingebundenes Buch. Meines Erachtens war es kein Zufall, daß dieses Buch Wissenschaft und Gesundheit war. Seit einem Jahr hatte ich von meiner Nachbarin Bücher ausgeliehen, aber nie dieses Buch in die Hand genommen!
Als ich die erste Seite las, dämmerte mir die Wahrheit des Seins. Ich wurde von schwerer Stirnhöhlenentzündung allein dadurch geheilt, daß ich Wissenschaft und Gesundheit las. Die nächste augenblickliche Heilung — und zwar von Verdauungsstörungen — vollzog sich einfach, als ich erkannte, daß die immergegenwärtige Tätigkeit des göttlichen Gemüts nicht unterbrochen, verstopft oder blockiert werden kann. Außerdem wuchs wieder volles, gesundes Haar an den Stellen nach, wo es zuvor dünn und ausgefallen war. Diese Heilung stellte sich ein, nachdem ich um ein besseres Verständnis davon gebetet hatte, daß wahres Wachstum durch das unsterbliche Gemüt bewirkt wird.
Mit jeder Heilung vertiefte sich mein geistiges Verständnis der allmächtigen, immergegenwärtigen Wahrheit. Aber nicht alle meine Heilungen erfolgten augenblicklich. Vor einigen Jahren fühlte ich mich wie ein Schnellkochtopf, der schon nicht mehr pfeift und um den sich niemand kümmert, weil der gedankenlose Koch einkaufen gegangen ist! Dann stellte sich eine schwere physische Krankheit ein; sie war begleitet von Fieber, entzündeten Augen, plötzlichem Gewichtsverlust und allgemeiner Schwäche. Freunde und Kollegen prophezeiten mir, daß meine — wie sie meinten — Vernachlässigung noch schlimme Folgen haben werde.
Während jener Zeit arbeitete ich eng mit einer Ausüberin der Christlichen Wissenschaft zusammen. Anfänglich fühlte ich mich vor lauter Sorgen so belastet, daß ich die Ausüberin bei ihren Bemühungen, mich von dem sterblichen Traum zu wecken, kaum unterstützte. Zuerst reagierte ich auf ihre hilfreichen Erklärungen nur mit einem mürrischen, schroffen „Ja!“ Allmählich wurde mir aufgrund der kraftvollen Anwendung der geistigen wissenschaftlichen Wahrheiten jedoch klar, daß Pflicht nicht etwa ein Martyrium ist, sondern eine freudige Tätigkeit, die Fortschritt bringt.
Jede Annahme, daß ich unter Druck stünde, wies ich mit spezifischen, geistigen Wahrheiten zurück und zerstörte sie. Wenn ich Atembeschwerden hatte, betete ich (Ps. 150:6): „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!“ Wenn Furcht und Fieber mich befielen, betete ich die „wissenschaftliche Erklärung des Seins“ auf Seite 468 in Wissenschaft und Gesundheit und fand Trost. Hinsichtlich der Augen half mir folgende Stelle auf Seite 205: „Solange wir uns im Nebel des Irrtums befinden (des Irrtums der Annahme nämlich, daß die Materie Intelligenz zum Guten oder zum Bösen besitzen kann), vermögen wir einen klaren Lichtstrahl von Gott nur dann zu erhaschen, wenn die Nebel sich teilen oder wenn sie sich in solche Durchsichtigkeit auflösen, daß wir das göttliche Bild in irgendeinem Wort oder in irgendeiner Tat wahrnehmen, die auf die wahre Idee hindeuten — auf die Allerhabenheit und Wirklichkeit des Guten, auf die Nichtsheit und Unwirklichkeit des Bösen.“
Die aggressive Suggestion, daß ich mich ärztlich behandeln lassen müsse, um geheilt zu werden, überwand ich, als ich mit den Worten des Propheten Jeremia betete (17:14): „Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen; denn du bist mein Ruhm.“
Durch dieses geistig erhebende Gebet und das Studium der Christlichen Wissenschaft lernte ich erkennen, daß ich für Gott, für die Wahrheit, nach der ich schon immer gesucht hatte, viel dankbarer sein mußte. Allmählich wandelten sich meine traurigen Antworten gegenüber der Ausüberin in spontane Freude. Schließlich erkannte ich, daß wahre Pflicht Lob gegenüber Gott, Dankbarkeit für das Gute und Anerkennung der eigenen Schuld gegen Gott einschließt.
Während dieser Erfahrung fuhr ich in eine andere Stadt, um dort mit Hilfe der Konkordanzen in der Bibel und in den Schriften Mrs. Eddys zu forschen. Fernab von Büro und Haushalt, konnte ich ungestört mein Bewußtsein von den Spinnweben gewohnheitsmäßigen Denkens reinigen. Als ich wieder zu Hause war, hatten sowohl die Ausüberin wie auch ich das Gefühl, daß die Heilung eingetreten war. Obwohl ich mich noch matt fühlte und meine Augen gegen grelles Licht empfindlich waren, ging ich wieder zur Arbeit, erledigte meine Hausarbeiten und spielte in unserer Zweigkirche Christi, Wissenschafter, bei Abwesenheit des regulären Organisten die Orgel. Ich erledigte dasselbe Arbeitspensum, jedoch ohne das Gefühl, unter Druck zu stehen. Mir war jetzt ganz klar, daß ich mehr als alles andere eine Änderung des Denkens nötig hatte.
Zwei Monate später stand ich erneut vor einer großen Aufgabe, als sich die Augen anscheinend wieder verschlechterten. Diesmal war ich jedoch wachsam und geistig gerüstet. Ich ging während dieser Zeit in unseren Leseraum der Christlichen Wissenschaft und las dort in den gebundenen christlich-wissenschaftlichen Zeitschriften. Beim Lesen erkannte ich mit atemberaubender Ehrfurcht, daß ich wahrhaftig der Ausdruck des göttlichen Seins bin. Das Licht dieser Erkenntnis beseitigte vollständig jede Vorstellung von Krankheit; ich war völlig geheilt, und die Beschwerden sind nie wieder aufgetreten.
Diese Heilungen hatten zwei wertvolle Auswirkungen für mich: Ich lernte die Bedeutung unseres Leseraums neu schätzen, und mir wurde bewußt, wie notwendig ein systematisches, tiefes Studium der Christlichen Wissenschaft ist, insbesondere der wöchentlichen Bibellektionen, die im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft aufgezeichnet sind. Ich lernte außerdem, daß man das Gefühl, man stehe unter Druck, niemals ignorieren oder unterdrühcken, sondern unverzüglich handhaben soll, indem man sich rückhaltlos an Gott wendet.
Bombay, Indien