Für wen wurde die Bibel geschrieben? Der Christliche Wissenschafter würde überzeugt antworten: „Für die ganze Menschheit — für jeden einzelnen.“ Er sieht dieses Buch der Bücher — in seiner Ganzheit — für jedes empfängliche Herz bestimmt. Er erkennt, daß letztlich jedes Herz für die Wahrheit seiner Botschaft empfänglich sein wird.
Und genauso betrachtet er die Schriften Mary Baker Eddys. Ihre Botschaft richtet sich ebenfalls an die ganze Menschheit. Kein einziger Mensch ist von dieser Offenbarung, die sie schriftlich festgehalten hat, ausgenommen.
Wenn wir unsere Gedanken jedoch genau prüfen, stellen wir vielleicht fest, daß wir eine begrenzte Anschauung davon haben, wen die Bibel und Mrs. Eddys Schriften erreichen sollen. Zuweilen mögen wir annehmen, daß sich spezielle Aussagen nicht auf uns beziehen — daß sie für jemand anders bestimmt sind. Können Sie sich noch daran erinnern, wie Sie hier und da meinten, diese Bücher seien in ihrer Ganzheit nicht für Sie?
Wenn wir uns für erfahrene Christliche Wissenschafter halten, gehen wir vielleicht sehr schnell über einige Punkte hinweg, die anscheinend für den Neuling geschrieben sind, oder wir schenken ihnen überhaupt keine Beachtung. Doch wenn wir ehrlich sind, müssen wir eingestehen, daß noch niemand von uns den Kinderschuhen ganz entwachsen ist. Zuweilen kann der einfachste und vertrauteste Lehrsatz eine tiefe und heilende Wirkung haben. Andererseits glaubt mitunter ein Neuling, daß viele Aussagen nicht auf ihn zuträfen, daß er sie noch nicht begreifen könne. Doch auch sein Bewußtsein ist die Tiefe der geistigen Wahrheit empfänglich.
Achten Sie einmal bei Ihrer Arbeit mit der Bibel und Mrs. Eddys Schriften besonders darauf, wie Sie auf das, was Sie lesen, reagieren. Nehmen wir an, Sie studierten in der Bibel das Gleichnis vom Säemann. Siehe Matth. 13:1–23. Christus Jesus sagt, daß Samen an den Weg fiel und daß dann die Vögel kamen. Damit war es um den Samen geschehen! Etliches fiel auf felsigen Boden, so daß es nicht richtig Wurzeln schlagen konnte, und die heiße Sonne half auch nicht. Dann fiel noch Samen unter die Dornen und wurde erstickt. Doch der Samen, der auf gutes Land fiel, schlug Wurzeln und trug Frucht.
Dann erklärt der Meister das Gleichnis. Die Vögel stellen das Böse dar. Es beraubt den, der die Wahrheit nicht erfaßt. Die sengende Sonne veranschaulicht schwere Zeiten. Sie lassen unsere Freude an der Wahrheit dahinwelken. Die Dornen stehen für weltliche Sorgen — Reichtümer und andere Verführungen, die uns erdrücken. Aber es fiel auch Samen auf fruchtbaren Boden und faßte tief Wurzeln.
Welche dieser Charakterisierungen trifft auf Sie zu? Ordnen Sie sich nur in eine Gruppe ein und alle Ihre Mitmenschen in die anderen? Es kann natürlich recht lehrreich sein, wenn wir das Gleichnis in diesem Lichte sehen — wie die Wahrheit zu verschiedenen Menschen kommt und wie sie darauf reagieren. Doch könnten nicht alle Vergleiche auf Sie zutreffen?
Vielleicht kam uns während unseres Morgengebets eine neue Idee, doch wir haben sie nicht weiter verfolgt; während des Tages macht dann ein „Vogel” eine Bemerkung und schnappt uns den aufkeimenden Gedanken wieder weg. Oder wir glaubten vielleicht während der letzten Woche, daß ein Kirchenmitglied oder sonst jemand ungerecht gegen uns gehandelt habe. Wenn unser Denken nicht fruchtbar, nicht nährstoffreich genug war, um die Wahrheit Wurzeln fassen zu lassen, kann jener Tag, jene Woche oder jenes Jahr für uns ruiniert sein. Und die Sorgen dieser Welt, die Reichtümer, die Vergnügungen: Ja, was ist mit jenen Tagen?
Haben nicht alle diese Charakterisierungen des Gleichnisses schon einmal auf uns zugetroffen? Doch wir hatten auch den fruchtbaren Boden. Bisweilen faßt die Wahrheit in uns Wurzeln, und unser Leben wird dann fruchtbar. Wollen wir nun die ganze Bibelbotschaft in uns aufnehmen, so brauchen wir nur daran zu denken, daß jeden Tag Samen in unser Bewußtsein gesät wird. Wir können danach streben, den Boden unseres Bewußtseins so nährstoffhaltig, so ertragreich zu machen, daß der Same uns nicht mehr so oft weggeschnappt wird, verdorrt oder erstickt. Tatsache ist, die göttliche Liebe sät ständig in unserem Denken die Möglichkeiten des unermeßlichen Guten aus. Wir haben unaufhörlich Gelegenheit, diese Saat richtig zu bewässern und zu düngen, zu pflegen und zu versorgen.
Nehmen wir ein anderes Beispiel — eins aus Mrs. Eddys Schriften. In den Beiträgen zu unseren Zeitschriften wird wahrscheinlich seltener aus „Erwiderungen auf einige Einwürfe“ zitiert als aus irgendeinem anderen Kapitel in Wissenschaft und Gesundheit. Warum? Studieren die Einsender es vielleicht weniger, weil sie glauben, Mrs. Eddys Antworten seien hauptsächlich für Leute bestimmt, die der Christlichen Wissenschaft feindlich gegenüberstehen? Doch könnte sie sie nicht für beide geschrieben haben — den hingebungsvollen Christlichen Wissenschafter und den Gegner? Dieses Kapitel enthält z. B. exakte Begriffe, die Heilung bringen, wenn wir unter den falschen Ansichten oder der streitsüchtigen Einstellung anderer leiden.
Wie wir an eine bestimmte Aussage oder Frage herangehen, kann darüber entscheiden, was sie für uns bedeutet. So fragt Mrs. Eddy z. B.: „Wie kann ein Christ, der die stärkere Augenscheinlichkeit der Wahrheit besitzt, die dem Augenschein des Irrtums widerspricht, diesen Irrtum für wirklich oder für wahr halten, sei es nun in Gestalt von Krankheit oder Sünde?“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 353.
Ein Neuling könnte die Frage so lesen, als ob die Autorin den Leser aufforderte, sich eingehend mit diesem Rätsel zu befassen. Ein erfahrener Christlicher Wissenschafter könnte dieses Zitat so lesen, als ob Mrs. Eddy zwar nicht gerade Schelte austeilte, dem hingebungsvollen Arbeiter doch immerhin eine Frage stellte, die ihm einiges Kopfzerbrechen bereiten dürfte. Diese Frage ist an Sie gerichtet; sie hat die Bedeutung, die Sie ihr mit Ihrer Einstellung geben.
Die Werke unserer Führerin sprechen zu uns allen. Und alles, was sie enthalten, hat für uns einen Sinn. Wissenschaft und Gesundheit beantwortet z. B. die Frage der „Augenscheinlichkeit“ folgendermaßen: „Alle müssen zugeben, daß Christus, der Weg und die Wahrheit und das Leben‘ ist und daß die allmächtige Wahrheit den Irrtum gewißlich zerstört.“ Ebd.
Von einer geistigen Warte aus betrachtet, richtet sich alles, was wir in der Bibel und in Mrs. Eddys Schriften lesen, an irgendeinen Aspekt unseres Denkens. In bestimmten Dingen stecken wir alle noch in unseren Kinderschuhen. Auf anderen Gebieten machen wir vielleicht schon unsere Doktorarbeit. In der Bibel und in Mrs. Eddys Schriften gibt es nichts, was nur für den Fortgeschritteneren — oder allein für den Neuling — vorgesehen wäre. Was geschrieben wurde, ist für Sie bestimmt, für Ihren allgemeinen Gedankenzustand. Es richtet sich an Ihre kindliche Neugier, Ihren frischen, erwartungsvollen Wissensdrang, Ihre Suche nach Erkenntnis und Ihr geistiges Forschen.
Es ist für Sie bestimmt.
Gott ist's, der in euch wirkt beides,
das Wollen und das Vollbringen, zu seinem Wohlgefallen.
Philipper 2:13