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Geduld: passives Verlangen oder aktives Vertrauen?

Aus der September 1987-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Man hat sie eine christliche Tugend genannt. Wie praktisch und notwendig sie ist, bringen Eltern ihren Kindern schon von frühester Jugend an bei. (Wenn aber der Dreijährige seine Milch beim Abendessen zum vierten Mal verschüttet hat, merken die Eltern, daß sie selber vielleicht mit noch besserem Beispiel vorangehen sollten!) Sicherlich könnten wir, wie jeder von uns schon selbst erkannt haben wird, alle mehr von dieser Tugend gebrauchen. Wir lernen aus Erfahrung, daß Geduld eine Eigenschaft ist, die uns im täglichen Leben bedeutend weniger Frustration und Enttäuschungen und angesichts von Anfechtungen eine größere Ruhe und einen größeren Frieden beschert.

Doch hat Geduld auch noch eine tiefere Dimension. Diese tiefere Dimension bezieht sich auf die wichtige Rolle, die die Geduld bei unserer individuellen geistigen Entwicklung spielt, besonders im Hinblick auf das Erkennen und Befolgen von Gottes Willen, auf das christliche Heilen und die Ausarbeitung unseres eigenen Heils.

Oft wird unter Geduld bestenfalls eine Art Gelassenheit verstanden, mit der man erwartet, etwas werde sich schon irgendwann einmal zum Besseren wenden. In diesem Sinn bedeutet Geduld kaum mehr, als daß man es sich im alten Schaukelstuhl auf der Veranda bequem macht, die Hände faltet und das Ende des nachmittäglichen Unwetters abwartet.

Geduld sollte aber aktiv sein und nicht nur ein passives Abwarten. Die Bibel liefert uns, besonders in den Episteln, zum Thema Geduld einige aufrüttelnde Vergleiche, die jeden Christen aus seinem mentalen Schaukelstuhl verscheuchen sollten. In seinem Brief an die Römer spricht Paulus von Gott, „der einem jeden geben wird nach seinen Werken: ewiges Leben denen, die in aller Geduld mit guten Werken trachten nach Herrlichkeit, Ehre und unvergänglichem Leben“ 1.

Und im Brief an die Hebräer lesen wir: „Gott ist nicht ungerecht, daß er vergäße euer Werk und die Liebe ... Wir wünschen aber, daß jeder von euch denselben Eifer beweise, die Hoffnung festzuhalten bis ans Ende, damit ihr nicht träge werdet, sondern Nachfolger derer, die durch Glauben und Geduld die Verheißungen ererben.“ 2

Was die Heilige Schrift über Geduld als einen Bestandteil gewissenhafter christlicher Anstrengungen sagt, wird durch die Lehren der Christlichen Wissenschaft weiter erhellt. Denn wie die Wissenschaft des Christus lehrt, muß der einzelne, um die tatsächliche Erfüllung von Gottes Willen zu erfahren, auch bereit sein, Gottes Willen zu tun. In den Schriften Mrs. Eddys erscheint der Begriff Geduld häufig in Verbindung mit Wörtern, die Tätigkeit ausdrücken. So wird Geduld beispielsweise mit dem Streben nach göttlicher Wahrheit, mit guten Werken, unermüdlicher Ausdauer, Gehorsam, Arbeit, Gebet und gütiger Liebe in Zusammenhang gebracht.3

Selbstverständlich wird in diesen Schriften Geduld auch oft mit Warten verbunden. Doch lernen wir nicht, daß selbst unser Warten eher aktiver als passiver Natur sein sollte? Wenn der wartende Gedanke von der göttlichen Liebe umgewandelt wird, ist er in Bewegung, er verändert seine Grundlage vom Glauben an die Materie zum Vertrauen auf Gott, den unendlichen Geist. Das Warten auf die Verwirklichung der Macht Gottes im menschlichen Leben schließt Gebet ein, das aktiv bekräftigt, daß die göttliche Wirklichkeit die gegenwärtige Wahrheit ist und nicht eine entfernte Theorie oder eine ersehnte Möglichkeit.

Solch ein geduldiges Warten gründet sich auf das absolute Vertrauen, daß Gott jetzt das unendliche Gute ist und daß der zum vollkommenen Ebenbild Gottes erschaffene Mensch das göttliche Gute jetzt widerspiegelt. Im Gebet erkennen wir, daß das materielle Bild — nämlich die Ereignisse, Umstände und Bedingungen, die unharmonisch, begrenzend oder verletzend sein mögen — nicht von Gott erschaffen ist. Nur das, was Gott erschaffen hat, existiert tatsächlich, und das, was Gott erschaffen hat, ist geistig und niemals zeitlich, sondern ewig; es ist niemals unharmonisch, sondern immer harmonisch; niemals begrenzt, sondern grenzenlose Güte; niemals verletzend, sondern immer friedevoll und vollständig. Der von Gott erschaffene Mensch — unser eigenes wahres Sein — bringt nur diejenigen Eigenschaften zum Ausdruck, die Gott Seiner Schöpfung verleiht.

Geduld spielt dadurch, daß sie aktives Vertrauen darstellt, eine wichtige Rolle in der Tätigkeit des Christus-Heilens. Sie erfüllt uns mit der Zuversicht, daß Gott Seine Absicht ausführt. Wir wissen dann ganz sicher, daß die Lüge von Krankheit nicht in Gottes Reich besteht, weil sie keine Autorität, keinen Platz und keine Ursache hat. Krankheit ist Irrtum. Und Geduld in Form von aktivem Vertrauen in die göttliche Wahrheit ist niemals Geduld mit dem Irrtum. Viele schnelle und dauerhafte Heilungen, die durch Gebet bewirkt wurden, haben das bestätigt.

Es hat sich gezeigt, daß es erst recht dann wichtig ist, den Standpunkt aktiven Vertrauens auf die Wahrheit beizubehalten, wenn die Lüge von Krankheit uns über einen längeren Zeitraum hinweg zu schaffen macht. In dem Buch Ein Jahrhundert christlich-wissenschaftlichen Heilens steht ein Heilungszeugnis von einem Mann, der an einer Form von Lähmung litt. Er schrieb: „...ich [war] fast zehn Jahre lang unfähig, aufzustehen oder zu gehen. Ich konnte mich nur kurze Zeit am Tag aufsetzen und manchmal nicht einmal das... Mehrmals schien es, als läge ich im Sterben.“ Er schrieb aber auch: „Während ich studierte und Behandlung [Behandlung durch Gebet in der Christlichen Wissenschaft] bekam, erfüllte mich eine große geistige Freude — die Freude darüber, daß Gott regierte und daß nichts sich der von Ihm für alle vorgesehenen gegenwärtigen Vollkommenheit und Befriedigung entgegenstellen konnte.“ 4 Dieses tiefe, aktive Vertrauen auf die göttliche Wahrheit hielt an. Der Mann wurde vollständig geheilt.

Viele Anhänger der Christlichen Wissenschaft lernten diesen Mann durch seine wundervollen Gedichte kennen, die er im Verlaufe von über fünfundvierzig Jahren für die christlich-wissenschaftlichen Zeitschriften schrieb, sowie später durch seine Beiträge als Mitschriftleiter. Eines seiner im Christian Science Sentinel erschienenen Gedichte, das zusammen mit seinem Zeugnis nachgedruckt wurde, hatte er ursprünglich während eines besonders schwierigen Stadiums seiner Krankheit geschrieben. Dieses Gedicht endet mit folgenden Zeilen:

O grenzenlose Liebe, ewig sich erneuernd;
wie fern und klein erscheint des Schmerzes Trug.
Wir waren in Dir, eh die Welt begann,
und werden in Dir sein, wenn sie im Nichts versunken.
Dein Werk, es ist vollkommen, ist vollendet.5

Geduld sollte sehr viel mehr sein als ein stoisches Resignieren gegenüber den scheinbaren Umständen, mehr als nur die passive Hoffnung, daß schon alles einmal besser werden wird. Wir können an die Verheißung geistiger Erleuchtung und Gnade und wahren Heilens denken, die das aktive Vertrauen auf die gegenwärtige göttliche Wirklichkeit mit sich bringt. Der Verfasser des Briefes an die Hebräer zeigt den Weg für die Christen auf: „Laßt uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und laßt uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist.“ 6

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