Es gibt Leute — und Nationen — , die versuchen, andere einzuschüchtern. Sie versuchen, sie zu tyrannisieren und zu bedrohen und sie in Angst und Schrecken zu halten. Man kann sagen, sie versuchen, ihren Gegenspielern Furcht einzuflößen — und das ist nach meinem Wörterbuch genau die Definition für „einschüchtern.“
Aber warum sollten wir uns von jemandem Furcht einflößen lassen? Wie könnten wir überhaupt Furcht vor einer Person haben, wenn wir wirklich in der „Furcht“ des Herrn leben — wenn wir Gott verehren, und nur Gott allein? Solche „Furcht“ oder Ehrfurcht beruht auf Liebe, nicht auf Angst. Sie gründet sich auf die Beweise, die wir von Gottes Fürsorge haben.
Unser Meister Christus Jesus ließ sich nie einschüchtern. Er wußte immer, wo sein Platz und was seine Aufgabe war, auch wenn sein Leben selbst in Gefahr war. Einmal wollte eine aufgebrachte Menge ihn einen Berghang hinabstürzen. Wenn das nicht Einschüchterung ist! „Aber“, so berichtet die Heilige Schrift schlicht, „er ging mitten durch sie hinweg.“ 1 Jesus verehrte Gott als die einzige Macht und Quelle des Seins. Er ließ sich von der feindseligen Menge nicht einschüchtern. Und das Ergebnis? Er ging unversehrt und sicherlich auch unbeeindruckt durch sie hindurch.
Wenn uns also jemand einschüchtern will, lassen Sie uns Jesu Beispiel folgen. Dann können auch wir furchtlos und mutig durch alles hindurchgehen, was an uns herankommt, unberührt von irgendeiner ausgestoßenen Drohung, einer finsteren Miene oder einem Wortschwall.
Nehmen wir z. B. einmal an, wir fühlen uns eingeschüchtert von einem lauten Nachbarn, einem hartnäckigen Verwandten oder einem Kollegen, der seine Position ausnutzt, um andere zu manipulieren? Was können wir da tun?
Genauso wie Jesus, als er in Versuchung geführt wurde, etwas außer Gott anzubeten, können auch wir sagen: „Weg mit dir, Satan! denn es steht geschrieben: ‚Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.‘ “ 2
Jesus richtete diese Worte nicht an eine andere Person. Er mußte klar erkannt haben, daß der Anstifter, der hinter jeder Versuchung steht, keine andere Person, sondern teuflisches Denken ist, all das, was die Gottheit und ihre unumschränkte Macht in unserem Leben entthronen möchte. Dieses Denken möchte uns verwirren, überwältigen, beherrschen und an der Nase herumführen, indem es ständig gegen die uns eigene, von Gott verliehene Herrschaft argumentiert. Aber wir brauchen dem nicht nachzugeben oder uns damit abzufinden, ganz gleich, wie raffiniert oder verlockend das Argument auch sei.
Gott hat volle Herrschaft über Seine Schöpfung, einschließlich des Menschen, und wird sie immer haben. Diese einfache, aber tiefe geistige Erkenntnis versetzt uns in die Lage, teuflisches Denken jeder Art und jeden Ausmaßes mit einem aufrüttelnden (gewöhnlich im stillen gesprochenen) „Verschwindet!“ mutig zu begegnen. Wir sagen dem Satan und allen seinen Lügen: „Weg mit dir ... ! denn es steht geschrieben: ‚Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.‘ “
Gott anzubeten bedeutet viel mehr, als nur immer die richtigen Worte zu sagen, zur Kirche zu gehen und die Bibel zu lesen. Es bedeutet, Gott als das ewige Gute zu betrachten, nur Ihm zu dienen, nur Seine Allmacht und Allgegenwart anzuerkennen. Es bedeutet, sich völlig und ausschließlich darauf zu verlassen, daß Er uns führe und leite. Wenn wir Gott wirklich anbeten, weigern wir uns, uns dem Bösen zu unterwerfen. Wir verstehen Gott, Geist, als Alles-in-allem, als das einzige Fundament und Wesen des Seins. Und wir bestreiten die angebliche Macht der Materie, Gesetze aufzustellen.
Die Grundlage dieser Anbetung ist das richtige Verständnis vom Menschen als Schöpfung Gottes — als Sein Ebenbild, das Ebenbild des unendlichen Geistes, des göttlichen Gemüts. Der Mensch befindet sich immer unter der unfehlbaren Herrschaft des göttlichen Gemüts. Der Mensch ist völlig geistig und gut. Er ist kein materieller Sterblicher mit begrenzten menschlichen Komplexen. Daher hat er nie mit Charakterzügen wie Kritiksucht, Selbstgefälligkeit und Streitsucht zu ringen.
Gottes Mensch, der Mensch des Gemüts, der Mensch des Geistes, ist weise und intelligent, schuldlos und ohne Fehler. Er ist keinesfalls das strauchelnde, ichbezogene, ehrgeizige Individuum aus Fleisch und Knochen, das man allgemein für einen Menschen hält. Wenn wir einen Schimmer von der Tatsache erhaschen, daß die geistige Auffassung vom Menschen die einzig wahre Auffassung ist — daß jeder Mensch in Wirklichkeit geistig ist, ob er sich dessen bewußt ist oder nicht — , können wir die einschüchternde Maske der Streitlust und Herrschsucht besser durchschauen.
Wenn jemand aufgrund seines Ansehens, seiner Stellung oder Erfahrung rechthaberisch wird und sich immer einzumischen sucht, brauchen wir nicht verzweifelt die Hände zu ringen oder die entgegengesetzte Richtung einzuschlagen. Wir sollten innehalten und, bevor wir irgend etwas unternehmen, auf Gebet zurückgreifen, um den Menschen als den vollkommenen, geistigen Ausdruck des Guten — und nur des Guten — zu sehen. Auf diese Weise bringen wir uns in Einklang mit dem göttlichen Gemüt, dem einzigen Gemüt, das der Mensch besitzt.
Das göttliche Gemüt macht niemals einen Fehler, schwankt nie und läßt sich keine Angst einjagen. Es vermittelt uns immer das Urteilsvermögen und die Voraussicht, die erforderlich sind, um in jeder gegebenen Situation die richtige Entscheidung zu treffen. Wir erkennen dann, wie wir das Netz von Verwirrung und Zweifel zerreißen können.
Es ist immer möglich, an der Wahrheit über das Sein des Menschen festzuhalten — des Menschen als Ausdruck des einen göttlichen Gemüts. Teuflisches Denken hat in unserem Bewußtsein keinen wirklichen Halt. Wenn es sich mit der Wahrheit konfrontiert sieht, löst es sich auf. Wir erkennen, daß das Böse, in welcher Form auch immer es gegenwärtig erscheint, unseren individuellen geistigen Fortschritt und unser völliges Vertrauen auf Gott nicht verhindern kann. Es ist keinen einzigen Augenblick wahr — ist es nie gewesen und wird es niemals sein. Wenn wir an dieser Wahrheit festhalten, tritt unvermeidlich Heilung ein.
Ein mir bekannter Christlicher Wissenschafter befand sich in einer schwierigen familiären Situation. Sein Vater, der das Pensionsalter schon überschritten hatte und nicht angemessen für sich sorgen konnte, benötigte jemanden, der ihn in seiner Wohnung betreute. Daher fuhr der Christliche Wissenschafter zu ihm, um zu sehen, was er tun könnte.
Der Vater konnte jeden zur Verzweiflung bringen. Er hatte lange in dem Ruf gestanden, sehr herrisch und eigensinnig zu sein, und nun wurde er diesem Ruf völlig gerecht. Er bestand hartnäckig darauf, daß er niemand zu seiner Betreuung in der Wohnung haben wolle, und er wollte nicht einmal darüber sprechen. Er verwies den Sohn sogar des Hauses.
Aber der Sohn weigerte sich zu gehen, weil er wußte, daß er die Situation nicht einfach ignorieren und auf sich beruhen lassen konnte, so gern er dies in jenem Augenblick auch getan hätte. Er betete im stillen, um die gottgegebene Vollkommenheit seines Vaters anzuerkennen, und versuchte dann in aller Ruhe, mit ihm vernünftig darüber zu reden. Doch es änderte sich nichts!
Nachdem der Vater an jenem Abend zu Bett gegangen war, blieb der Sohn noch auf, um weiter über diese ganze Situation zu beten. Im wesentlichen erkannte er, daß die ganze Angelegenheit auf rechte, Heilung bringende Weise geregelt werden könnte, und zwar in dem Verhältnis, wie seine Ehrfurcht vor dem, was Gott ist, zunahm und er Ihn allein anbetete und nur Ihm diente. Er betete, um zu erkennen, daß es in Wahrheit nur ein Gemüt gibt und daß dieses Gemüt Gott ist. Er betete um die Erkenntnis, daß der Mensch nur dieses eine göttliche Gemüt widerspiegelt und daher keinen anderen Willen als den Willen Gottes hat.
Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft*, sagt in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Wenn der Mensch keine anderen Götter hat, sich an kein anderes als das eine vollkommene Gemüt als Führer wendet, dann ist er das Gleichnis Gottes, rein und ewig, dann hat er das Gemüt, das auch in Christus war.“ 3
Der Christliche Wissenschafter betete auf diese Weise, und er prüfte seine Beweggründe für den Besuch bei seinem Vater. Es war ihm klar, daß er gekommen war, um zu helfen, und nicht, um einem anderen seinen Willen aufzuzwingen. Er erkannte, daß er bereit sein mußte, das göttliche Gemüt auf seine Art wirken zu lassen. Er betete so lange, bis er über die Angelegenheit mit seinem Vater innerlich völlig ruhig geworden war. Dann ging auch er zu Bett.
Als der Vater am nächsten Morgen aufstand, war er wie umgewandelt. Er fragte seinen Sohn, ob er in der Nacht aufgeblieben sei und gebetet habe. Als dieser es bejahte, erwiderte der Vater: „Ich dachte es mir. Ich sehe alles in einem anderen Licht.“
Die ganze Häßlichkeit und Halsstarrigkeit waren verschwunden. Glücklich und freudig suchten sie gemeinsam nach einer geeigneten Haushälterin — und sie fanden sie. Sie konnte sogar schon am nächsten Tag ihre Stellung antreten und erwies sich darüber hinaus als eine ausgezeichnete Köchin. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden befand sich der Sohn auf dem Weg nach Hause, und der Vater zeigte sich sehr dankbar für alles, was für ihn getan worden war.
Der Sohn hatte sich einfach nicht einschüchtern lassen. Und wir werden uns genausowenig einschüchtern lassen, wenn wir mehr Ehrfurcht vor Gott und Seinem Wort haben als vor allem anderen. Einschüchterung ist im Grunde niemals ein Problem, das durch das Verhalten eines anderen verursacht wird. Das Problem liegt vielmehr in unserer Annahme über diese Person. Aus dem einen oder anderen Grunde mag es so aussehen, als ob jemand das weltliche Denken, daß es viele Gemüter gebe, hinnähme. Aber es gibt nur ein Gemüt, und dieses Gemüt ist das göttliche Gemüt, das seine Schöpfung immer unversehrt erhält.
Wir lesen in Wissenschaft und Gesundheit: „Alles wirklich Bestehende ist das göttliche Gemüt und seine Idee, und in diesem Gemüt wird das ganze Sein als harmonisch und ewig erfunden. Diese Tatsache sehen und anerkennen, dieser Macht sich ergeben und den Führungen der Wahrheit folgen, das ist der gerade und schmale Weg.“ 4
Wenn wir dies tun, werden wir entdecken, daß wir uns von nichts und niemandem einschüchtern zu lassen brauchen. Statt dessen können wir Einschüchterungsversuchen mit moralischem Mut und geistiger Einsicht begegnen, die völlig ausreichend sind, um in jeder Situation in der für alle Beteiligten besten Art und Weise Frieden einkehren zu lassen.
