In 5500 Meter Höhe war die Luft im Himalaja dünn. Und doch war mein Sherpa-Führer leichtfüßig den Berg hinaufgeklettert. Er befand sich auf einer Reise, die er schon oft gemacht hatte. Ich hatte mich ihm auf der Wanderung angeschlossen und genoß die majestätische Aussicht. Vom Gipfel des Gokyo hatten wir einen Blick auf die Welt, der uns das Gefühl gab, als ob wir von ihrem Dach hinabschauten. Und doch ragte die Spitze des Mt. Everest noch weitere 3300 Meter vor uns in die Höhe. Während jener zwei Wochen, die wir zusammen gereist waren und uns unterhalten hatten, hatte mir mein Führer seine Welt der erhabenen Berge und rauhen Schönheit, seine Kultur, seine Hoffnungen nähergebracht.
Meine Frau und ich haben noch andere Reisen unternommen. Wir haben die weiten Savannen in Afrika bestaunt, die Anmut und Kraft der Wildtiere, die sich als Silhouette gegen einen atemberaubenden Sonnenuntergang abhoben. Wir haben bei einer schwer arbeitenden Familie im australischen Busch gelebt (und sie bewundert), wo man die Rinderfarmen nicht nach Hektaren mißt, sondern nach Hunderten von Quadratkilometern. Diese Reisen sind Gelegenheiten gewesen zu lernen — unsere Wertschätzung für unsere Mitmenschen und die Welt um uns her zu vertiefen. Und sie haben uns eine andere und einzigartige Reise erahnen lassen, eine, die von so erhabener Art ist, daß sie das Umherreisen in der Welt völlig in den Schatten stellt: die geistige Pilgerfahrt, die Christus Jesus unternahm und die alle unternehmen, die danach streben, seinem Beispiel zu folgen.
Mich haben die Menschen inspiriert, die bereit waren, sich Jesus anzuschließen auf dieser geistigen Suche, die sie Gott näher brachte und sie dazu führte, die Aufforderung des Meisters ernst zu nehmen: „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist." Mt 5:48. Um in seinen Fußtapfen zu folgen und die tatsächliche Gegenwart der göttlichen Wirklichkeit zu erkennen, die er erkannte, brauchten die Jünger und Apostel Mut. Sie brauchten Ausdauer, geistige Wißbegierde, Demut. Und sicherlich vor allem eine reine Liebe.
Diese kleine Schar geistiger Pioniere stellte eine winzige Gemeinschaft dar in einer Welt, die man für ausgesprochen materialistisch hätte halten können. Doch ihre Gemeinschaft war wie ein Licht inmitten der Dunkelheit. In gewissem Sinn konnte man diese Familie von Freunden als eine Kirche betrachten, als eine in sich geschlossene Gruppe, die zusammenarbeitete, ja sich gemeinsam abmühte, und zugleich füreinander sorgte auf einem Weg, der zu der umfassenderen Erkenntnis führte, daß Gottes Mensch geistig ist, nicht materiell, makellos, nicht befleckt.
Für mich ist die Mitarbeit in der Kirche eine ganz besondere Art von Reise — eine einzigartige, tief befriedigende. Sie bietet die Möglichkeit, Einsichten mit anderen zu teilen, zu lieben und geliebt zu werden. Die Beteiligung an der Kirchenarbeit gibt uns Gelegenheit, geistig genährt, gestärkt und von einem materiellen Begriff vom Leben auferweckt zu werden.
Manchmal denken wir an Reisen mit dem Auto, mit der Bahn oder sogar mit einem Raumschiff! Aber haben Sie schon einmal die Kirche als ein Transportmittel betrachtet, das Sie geistwärts trägt? Bei dem Miteinander auf solch engem mentalen Raum gibt es Lektionen zu lernen, und eine der allerwichtigsten ist die Lektion der Liebe. Den Zweck der Kirche erfahren wir in seiner tiefsten Bedeutung erst, wenn wir die Macht der Liebe entdecken. Liebe verhält sich zur Kirche wie ein Motor zu einem Auto. Ihre Kraft trägt voran.
In den letzten Jahren habe ich mich durch die besondere Aufforderung einer zutiefst geistig gesinnten Frau noch mehr veranlaßt gefühlt voranzuschreiten — hin zu dem Gott, den Christus Jesus offenbarte. In einem Artikel mit der Überschrift „Teich und Taufe" schreibt Mary Baker Eddy: „Wenn Ihr auf der Wanderung Euch zeitweilig nach der Ruhe am, frischen Wasser' sehnt, denkt über diese Lektion der Liebe nach. Erkennt ihren Zweck; und in Hoffnung und Glauben, wo Herzen einander begegnen und sich gegenseitig segnen, trinkt mit mir die lebendigen Wasser des Geistes meines Lebenszweckes: — der Menschheit die echte Erkenntnis der praktisch anwendbaren, wirksamen Christlichen Wissenschaft einzuprägen." Verm., S. 206–207.
Für mich ist die Mitarbeit in der Kirche eine ganz besondere Art von Reise — eine einzigartige, tief befriedigende.
Ich habe festgestellt, daß es sehr erfrischend ist, eine Beziehung zu Mrs. Eddys Kirche zu entwickeln. Man trinkt auf diese Weise „die lebendigen Wasser des Geistes [ihres] Lebenszweckes" mit ihr. Und je mehr ich über den Lebenszweck nachgedacht habe, an dem wir teilhaben sollen — „der Menschheit die echte Erkenntnis der praktisch anwendbaren, wirksamen Christlichen Wissenschaft einzuprägen" —, um so mehr habe ich erkannt, wie ihre Kirche in uns die Fähigkeit fördert, das Christentum wirklich praktisch zu machen.
Es ist ganz natürlich, daß man für die anderen Kirchenmitglieder sorgt und sie wertschätzt. Allerdings gibt es auch eine verständliche menschliche Neigung, sich manchmal Gedanken über andere zu machen, darüber, wie oft sie zur Kirche kommen, wie sie sich verhalten oder sich kleiden, wie ihre Meinungen zu verschiedenen Fragen im Vergleich zu unseren aussehen. Wie wertvoll kann es jedoch sein, sich auf das zu konzentrieren, was man selber tun muß, um das Christentum praktisch zu machen. Vielleicht könnte man das als Selbstevangelisierung bezeichnen.
Ich fand es hilfreich, über die drei Schritte zu beten, die Mrs. Eddy in dem kurzen Artikel „Teich und Taufe" schildert, der mit ihrer eben erwähnten Aufforderung endet. Es sind Schritte, die im Rahmen der Kirche diesen Weg zu einem praktischeren Christentum — ja zu einer praktischeren christusgleichen Liebe — bestimmen können. Ein göttlicher Ansporn macht sich in unserem Leben bemerkbar, wenn wir regelmäßig über diese wenigen Seiten nachdenken. Mit dem herrlichen Bild vom Wasser ermutigt uns der Artikel, die Umwandlung einzuleiten, die die drei Schritte umreißen. Sie zwingen uns gewissermaßen, unser eigenes Denken, Handeln und Leben zu betrachten, anstatt auf die Mitglieder unserer Kirche zu schauen, um zu sehen, ob der oder die andere den hohen Idealen gerecht wird.
Die Kirche, die diese religiöse Pionierin gründete und durch ihre Schriften noch immer leitet, erhält durch einen göttlichen Zweck Kraft.
Der erste Schritt verlangt, daß wir uns selbst genauer und aufrichtiger unter die Lupe nehmen, daß wir uns ernsthaft mit Gefühlen, Gedanken, Worten auseinandersetzen, die nicht der göttlichen Liebe entsprechen. Der nächste Schritt fordert eine echte Erneuerung. Auf dem Weg dahin lassen wir alles zurück, was gegen Mitgefühl, Freundlichkeit, Aufmerksamkeit und Liebe gerichtet ist. Der dritte Schritt schließlich beinhaltet die sehr reale Forderung, die Wirklichkeit der göttlichen Liebe, das Bewußtsein der Allheit Gottes, in zunehmendem Maße zu akzeptieren.
Wenn wir uns die Mission von Mary Baker Eddys Kirche wirklich zu eigen machen und einen realistischen Weg finden wollen, unser Christentum wahrhaft praktisch zu machen, dann können uns ihre sanften Hinweise in „Teich und Taufe" einen kräftigen Anstoß und gute Orientierung geben. Schon wenn wir nur anfangen, in unserem Leben der Aufforderung dieser christlichen Führerin zu folgen, wird unsere Reise bereichert durch eine geistigere Absicht, ein geistigeres Ziel, einen geistigeren Plan.
Für diejenigen, die in Mrs. Eddys Vision von Kirche etwas Anregendes entdecken, wird die göttliche Liebe zu einer unwiderstehlichen Kraft. Mrs. Eddy rief nicht nur hingebungsvolle Christliche Wissenschafter, sondern alle Sucher nach Wahrheit in eine Gemeinschaft geistiger Aspirationen, als sie schrieb: „Unsere Losungsworte sind Wahrheit und Liebe, und wenn wir in diesen beharren, werden sie uns ganz erfüllen, und wir werden eins sein im Herzen, eins im Beweggrund, im Vorsatz und im Streben. Wenn Ihr in der Liebe bleibt, kann keiner unter Euch von mir getrennt werden; und das holde Gefühl, zusammen weiterzuwandern, anderen zu tun, wie Ihr wollt, daß sie Euch tun sollen, besiegt jeden Widerstand, überwindet alle Hindernisse und sichert den Erfolg." Ebd., S. 135.
Die Kirche, die diese religiöse Pionierin gründete und durch ihre Schriften noch immer leitet, erhält durch einen göttlichen Zweck Kraft. Alle, die ihren Gottesbegriff vertiefen wollen, ruft Mrs. Eddy auf, sich ihr anzuschließen (und wie wäre das besser möglich als durch ihre Kirche) und diesen Zweck zu erfüllen, nämlich das Christentum in unserem Leben lebendiger werden zu lassen.
Bei jeder Reise muß es einen ersten Schritt geben. Ganz gleich, wie kompliziert oder bescheiden Ihre Route ist, Sie können die von Christus inspirierte Bereitschaft spüren, diesen ersten Schritt zu tun. Vielleicht besteht der Schritt einfach darin, daß Sie sich zu einer tieferen geistigen Liebe verpflichten. Liebe zu Gott. Liebe zu Ihren Mitmenschen. Liebe zu sich selbst. Reine, geistige Liebe zu spüren und auszudrücken — das ist ein ganz besonderes Abenteuer auf unserer gemeinsamen Reise zu einem praktischen Christentum.
