Als meine Mutter vor zwei Jahren verstarb, wusste ich nicht, wie ich darüber hinwegkommen sollte. Obwohl mich die Wahrheit tröstete, dass meine Mutter als Gottes Bild und Gleichnis unsterblich ist, war ich traurig, weil ich sie nicht sehen konnte. Und es gelang mir nicht, diese Traurigkeit von mir abzuschütteln. In den ersten Tagen nach ihrem Tod war ich oft besorgt, dass sie Furcht haben oder sich einsam fühlen könnte. Ich sehnte mich danach zu wissen, wo sie war, und fühlte mich hilflos, da ich nicht mit ihr sprechen und ihre Hand halten konnte.
Als ich zur Beerdigung nach Hause flog, war ich von Trauer überwältigt. Voller Kummer starrte ich aus dem Fenster auf den vom Sonnenuntergang orangerot gefärbten Himmel. Bald war unser Flugzeug völlig in Dunkelheit getaucht. Genauso wie ich mich fühle, dachte ich. Ganz gleich, wie sehr ich mich bemühte zu verstehen, dass Muttis wahre, geistige Identität nicht gestorben sein konnte — mir fehlte ihr liebes Gesicht, ihre Stimme und ihr helles Lachen.
Als ich den Flughafen verließ, bemerkte ich, wie der Mond am schwarzen Himmel aufging. Es war ein hell leuchtender Vollmond. Ich musste daran denken, dass das Licht des Mondes gar nicht vom Mond kommt, sondern von der Sonne. Die Sonne schien genauso hell wie eh und je. Das helle Licht, das der Mond widerspiegelte, war ein Beweis für die Existenz der Sonne. Zwar konnte ich die Sonne nicht sehen, aber das hieß nicht, dass sie nicht schien.
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