Wir lesen und hören zur Zeit von so viel Hass, Unversöhnlichkeit, Rachegedanken und Chaos auf der Welt. Bei vielen Menschen kommt die Frage auf: Können wir überhaupt noch etwas dagegen tun?
Eine sehr klare Antwort erhalten wir durch das Leben und Verhalten Christi Jesu. Er sagt: „Ihr habt gehört, dass gesagt ist:, Du sollst deinen Nächsten lieben' und deinen feind hassen. Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen. Segnet, die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, und bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen. Denn wenn ihr liebt, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch die Zöllner? Und wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr Besonderes? Tun nicht dasselbe auch die Heiden?" Mt 5:43, 44, 46, 47.
Ich überlegte mir, was es heißen kann, Feinde zu lieben. Was ist das für eine Forderung? Können wir das überhaupt? Nun, eine Antwort bekam ich vor einigen wochen. Freunde von mir stammen aus Brünn. Sie lebten dort als Auslandsdeutsche in einer Minderheit. Nach 1945 wurden alle Deutschen von den Tschechen ausgewiesen. Bei dieser Vertreibung kamen mehrere tausend Menschen um. Wenn dieses Thema zur Sprache kommt, geht es meinen Freunden immer wieder um Gutmachung, Entschuldigung, Gerechtigkeit — und es wird darüber geklagt, „was uns die Tschechen angetan haben".
So verlief unser Gespräch auch vor einigen Wochen. Meine Reaktion war ziemlich spontan und ich platzte heraus: „Wenn ich mir überlege, was die Deutschen den Deutschen angetan haben, dann packt mich die kalte Wut!", und ich brachte dazu Beispiele an. Damit war zwar das Gespräch abrupt beendet, aber für mich noch Keine Lösung gefunden.
Mich ließ das Thema nicht ruhen. Ich erkannte sehr schnell, dass hier ein gedanklicher Vorgang zu berichtigen war. Mir wurde bewusst, dass ich immer wieder daran Anstoß nehme, mit welcher Gedankenlosigkeit die Worte „Hass" und „hassen" benutzt werden. Auch in ganz harmlosen Zusammenhängen wie: „Ich hasse es, morgens früh aufstehen zu müssen." Mir wurde bewusst, dass ich selber diese Worte seit sehr langer Zeit nicht gebrauche, habe aber über den wahren Grund dafür nicht speziell nachgedacht. Die gegenwärtige politische Situation in vielen Gegenden auf der Erde (wie wir sie beispielsweise gerade auch in Jugoslawien erleben) zwang mich aber dazu.
Mein erster Gedanke war: „Hier hat unversöhnlicher Hass einen Höhepunkt gefunden." Gleich folgerte ich aber, dass ja jeder Höhepunkt, jedes Ende zunächst auch einen Anfang hat. Es haben Stufen dahin geführt. Welches sind nun solche Stufen, Stufen, die sich im Verhalten Einzelner zeigen können? Eitelkeit — Selbstgefälligkeit — Besserwisserei — Intoleranz — Unversöhnlichkeit — Fanatismus — Hass. Eines ergibt sich aus dem anderen. Ich musste einsehen: Auch meine kalte Wut ist eine Vorstufe zum Hass. Mir wurde augenblicklich klar, dass ich zuerst meine eigenen feindseligen Gedanken korrigieren musste. Ich fragte mich: Was nützt meine Wut? — Nichts. Wem bringt sie etwas? — Niemandem.
Ich besann mich still und demütig darauf, was Gott ist. Er ist Leben, Wahrheit, Gerechtigkeit, Güte, Liebe, Friede. Er ist unser Vater-Mutter Gott, der uns erschaffen hat, der für uns sorgt. Ihm können wir alles anvertrauen. „Er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte." Mt 5:45. Da fiel meine kalte Wut in sich zusammen.
Ich sah klar und deutlich: Ich liebe meinen feind, wenn ich ihn mit aufrichtigem, von Liebe erfülltem Herzen dem Vater übergebe und ihn so sehe, wie Gott ihn geschaffen hat. Eine größere Liebe kann ich ihm nicht entgegenbringen. Wir lesen in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy: „Die Zerstörung der Sünde ist die göttliche Methode der Vergebung. Göttliches Leben zerstört Tod, Wahrheit zerstört Irrtum und Liebe zerstört Hass." Wissenschaft und Gesundheit, S. 339.
Wir können über unsere Gedanken wachen. Wir können uns selbst der göttlichen Liebe öffnen. Dann werden unsere friedfertigen, versöhnlichen Gedanken Hass gleich in seinen Anfängen — in uns und in anderen — zerstören, den Menschen helfen und zum Frieden unter den Menschen beitragen.
