Zwei Klassenfeste waren angesetzt: eins mit Julias, eins mit Stefans Klasse; am selben Tag, zu sich überschneidenden Zeiten, an zwei verschiedenen Orten. Wir beschlossen, erst alle vier mit den Rädern in den Park zu Stefans Klasse zu fahren. Dann sollten mein Mann und Julia rechtzeitig zum zweiten Fest in einem Jugendheim aufbrechen und Stefan und ich ca. eine Stunde später nachkommen. Alles verlief nach Plan, bis es für Stefan und mich Zeit wurde, uns auf die Räder zu schwingen.
Gerade noch hatte ich ihn über die Wiese laufen sehen, aber jetzt war er wie vom Erdboden verschluckt. Ich vermutete, dass er sich zum Spaß vor mir versteckte, wartete erst noch ein Weilchen ab und fing dann an zu suchen — ohne Erfolg. Ich fragte die Kinder, mit denen er gespielt hatte, keiner konnte oder wollte mir Auskunft geben. Das war schade, denn Julias Klasse hatte eine Aufführung vorbereitet, die wir doch nicht verpassen sollten. Ich wurde unruhig.
Da kam mir der Gedanke, auf einem Spielplatz in der Nähe zu suchen. Auf halbem Weg dorthin spielten einige Kinder aus der Klasse. Sie hatten ein kleines Flugzeug fliegen lassen und konnten es nun, da es auf einem hohen Busch gelandet war, nicht mehr erreichen. Auch sie fragte ich nach Stefan — wieder ohne Erfolg.
Ich hatte es eilig; ich wusste, dass ich mich darum kümmern musste, Stefan zu finden, und diese Kinder waren mir nicht besonders sympathisch. Trotzdem konnte ich nicht anders: Ich stellte mein Rad ab und versuchte, ihnen ihr Spielzeug vom Busch zu holen. Aber der Busch war hoch, auch ich hatte es nicht leicht; ich musste erst einen günstigen Zugang finden. Also suchte ich mir zwischen den Sträuchern einen Weg, um auf die andere Seite zu gelangen, und wen sah ich da? Mein Sohn Stefan hockte strahlend auf dem Boden und freute sich wie ein Schneekönig über seinen Streich. Auf dem Spielplatz hätte ich ihn noch lange suchen können.
Mir war klar, dass ich nicht meinem Willen hatte folgen können, weil Gott eine bessere Lösung für mich und Sein Wille eine größere Macht hatte. Glücklich holte ich noch den Flieger vom Busch, dann konnten wir fahren und haben so gerade eben Julias Auftritt mitbekommen.
Nach dem Fest halfen wir noch beim Aufräumen. Als unsere Familie schließlich komplett und startbereit war, sah ich, dass ein kleiner Junge allein zurückgeblieben war. Seine Eltern halfen gerade jemandem, ein paar Sachen zum Auto zu tragen. Deshalb bat ich meinen Mann, mit dem Aufbruch noch ein Weilchen zu warten, bis die anderen Eltern zurück wären. Gerade, als wir schließlich losfahren wollten, kam noch jemand aus dem Jugendheim gelaufen und brachte uns ein paar Kleidungsstücke, die Julia vergessen hatte, weil sie nach der Aufführung immer noch ihr Kostüm trug.
Wieder sah ich, dass es Gott war, der mich veranlasst hatte, meine Pläne zurückzustellen. Er hatte einen besseren Plan für mich und meine Mitmenschen und ich dachte voll Freude, wie wahr doch der Satz ist: „Was einen segnet, segnet alle."
Mit diesem Bericht endet das Familien-Tagebuch von Dorothee Haberfeld.
