Die Familie ist wichtig in meinem Leben und auch Freunde. Jeder ist eine bestimmte Zeit auf dieser Erde und so tust du dein Mögliches, um deinem Leben Qualität zu geben. Wenn du etwas leidenschaftlich gern tust, bring es Kindern oder anderen Leuten bei. Auch wenn sie nicht an den gleichen Dingen interessiert sind wie du, kriegen sie doch zumindest eine Vorstellung davon.
Wir beten Sonntagsmorgens gemeinsam im Tempel und ebenso an großen Feiertagen wie Rosch ha-Schanah und Jom Kippur. Aber ansonsten betrachte ich Gebet als eine Art Hoffnung — so etwas wie eine Inspiration. Ich glaube nicht, dass durch Gebet tatsächlich etwas passiert. Es hilft dir nur weiterzumachen. Wenn ich zu Bett gehe, rufe ich mir noch mal das, was ich tagsüber getan habe und was ich mir erhoffe, ins Bewusstsein. Ich sortiere sozusagen meine Gedanken.
Sagen wir mal, ich muss ein Ziel erreichen — wie zum Beispiel gerade jetzt, wo ich in der Prüfung stecke. Dann bete ich am Abend vorher und sage einfach, dass ich hoffe, ich werde gut abschneiden. Das soll heißen, ich werde mich anstrengen. Oder es passiert etwas Schlimmes. Wie vor fünf Jahren, als mein Opa starb. Zuerst habe ich den ganzen Tag geheult, habe den Emotionen freien Lauf gelassen, was natürlich in so einem Fall in Ordnung ist. Dann habe ich mich beruhigt. Und ich habe so gebetet: „Wenn es einen Gott gibt oder wenn Du solche Fähigkeiten hast, Gott, dann hoffe ich, dass Du für ihn sorgst, wo immer er jetzt ist.” Ob mein Großvater ein Leben nach dem Tod hat oder ob er oben im Himmel ist oder ob er noch unter der Erde ist und nichts mit ihm passiert ist, seit er gestorben ist — ich hoffe nur, dass alles in Ordnung ist mit ihm. Manchmal bin ich zu müde und bete abends gar nicht, aber wenn viel los ist und ich bete, dann sage ich einfach: „Gott segne meinen Opa.” Auf diese Weise denke ich an ihn.
Ich bete zu Gott, aber es ist eine symbolische Handlung für mich. Ich habe keine Ahnung, was Gott ist oder was für Fähigkeiten Er hat. Ich bin ja nicht Gott und so werde ich es wohl nie wissen.
In der siebten Klasse habe ich die Hebräische Schule abgeschlossen. Nach meinem Bar-Mizwa brauchte ich nicht mehr hinzugehen. Es gibt ein hebräisches Gymnasium und da gehe ich jetzt hin. Außerdem kann ich am Madrichim teilnehmen, das ist ein Programm für Hilfslehrkräfte, bei dem man den jüngeren Kindern hilft. Mindestens einmal im Jahr bereite ich eine Unterrichtsstunde vor. Ich helfe den Kindern. Ich teile Essen aus. Diese Arbeit wird vom Tempel organisiert.
Ich habe auch, unabhängig vom Tempel, in einem Frauenhaus ausgeholfen. Niemand weiß, wo dieses Frauenhaus ist, außer den Leuten in der Gruppe. Frauen, die von ihren Männern misshandelt wurden, gehen dort mit ihren Kindern hin. Wir haben mit den Kindern gespielt, wenn die Mütter zu Versammlungen mussten. Oder wir haben ihnen einfach die Kinder ein bisschen abgenommen. Du hilfst da Menschen, die in ihrer Familie viel durchgemacht haben. Ich weiß nicht, was für Probleme es waren, aber du siehst es den Kindern an, dass sie Spaß mit dir haben.
Spiritualität ist für mich eine Art Hoffnung. Ich habe viele Freunde, die sagen: „Ach, ich glaube nicht mehr an Gott” oder: „lch habe keine Ahnung, was Gott ist, und ich geb's auf. lch habe keine Religion.” Das beunruhigt mich. Nicht dass du an Gott glauben musst. Es gibt ja viele Religionen, genauso wie es verschiedene Meinungen gibt. Aber für mich ist Gott etwas, was immer um mich ist. Spiritualität ist etwas, was in dir ist — wie ein Gefühl, ein sechster Sinn. Gebet ist das, was dich inspiriert das Beste aus deinem Leben zu machen. Das ist deine Spiritualität. Und für jeden ist das anders.
