In einem Interview mit Nachrichtenredakteur erzählt ein pensionierter Offizier der US-Luftwaffe von dem dramatischsten Weihnachtsfest in seinem Leben.
Heiligabend 1944. Im Stalag Luft 111, einem deutschen Kriegsgefangenenlager in der Nähe von Zagan in Polen, herrscht eine Temperatur von fast –30 Grad Celsius. Die Wächter haben als freundliche Geste das Licht länger als sonst angelassen, doch 15 000 Gefangene aus vielen Ländern frieren und fühlen sich schwach und hungrig.
Viele von ihnen sind am Abend durch den Schnee von Baracke zu Baracke gestapft, haben Weihnachtsgrüße in verschiedenen Sprachen ausgetauscht und erlebt, wie Menschen verschiedenster Kulturen tapfer versuchten, etwas von dem Sinn des Weihnachtsfests in ihr Leben zu bringen.
Der einundzwanzigjährige war damals Navigator in der amerikanischen Luftwaffe (305. Bombenfliegergruppe) auf dem englischen Luftstützpunkt Chelveston in der Nähe von Northampton. Im Folgenden erzählt er seine Geschichte.
„Einige Gefangene hatten Bäumchen gebastelt. Andere hatten auf dem Fensterbrett kleine krippen aufgestellt. Und alle hatten versucht etwas Besonderes aus ihrem Dosenfleisch zu machen. Ein besonderer Genuss war ein Zuckerbrot, das ein bisschen wie amerikanisches Gebäck schmeckte.
Wir sangen unsere traditionellen Weihnachtslieder und wünschten uns gegenseitig ein frohes Fest, obgleich jeder von uns im Grunde seines Herzens tief traurig war und sich nach lieben Angehörigen in der Heimat sehnte. In den elf Monaten, die ich in dem Lager zubrachte, erhielt ich nicht einen einzigen Brief von zu Hause. Ich kann Ihnen sagen, wir heulten alle in dieser Nacht. Unsere Kopfkissen waren durchweicht.
Nachdem das Licht so zwanzig Minuten aus war, kamen über den Schnee vom Rand des Lagers her die gedämpften Stimmen von Männern, die deutsch sangen. Es waren unsere Wächter, die harte Strafen riskierten, um ihren Gefangenen etwas festliche Stimmung zu vermitteln. Ein unglaubliches Erlebnis!
Diese Deutschen waren alle gute Sänger und hörten sich wie Engel an. Sie sangen Weihnachtslieder, die wir kannten, und dann kamen sie zu unserer Baracke. Sie kamen ganz still herein und legten etwas auf unsere Tische; sie riskierten ihr Leben mit dieser außergewöhnlichen Geste christlicher Freundschaft.
Am nächsten Morgen stellte sich heraus, dass jedar im Lager eine extra Ration Brot, vier Eier, eine Zwiebel, einen Kleinen Bleistift und einige Blätter Papier erhalten hatte. Ich wusste, dass Christus in dieser Nacht in jedem Herzen eingekehrt war!
In unserer Baracke tauschten wir Geschenke aus, die oft persönliche Opfer darstellten und mit viel Liebe und Goodwill gegeben wurden. Mein Geschenk kam mir sehr gut zustatten. Als unsere Flying Fortress, eine B17G, in der Nähe von München abgeschossen wurde, schlugen mich die Deutschen so hart, dass ich nicht richtig gehen konnte. Einer meiner Kameraden schenkte mir einen wunderbar geschnitzten Spazierstock.
Ein junger Mann, dem wegen der Unterernährung das Haar ausgefallen war, verschenkte seinen wertvollsten Besitz, einen Taschenkamm. Ich hatte mein mit der Militärration erhaltenes Schwarzbrot aufgespart und schenkte sechs Freunden von mir je eine große Scheibe zum Frühstück."
Die wahre Feststimmung
Mehr als fünfzig Jahre lang haben Mr. Davis und seine Frau Mary, die er zwei Wochen nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor heiratete, diese Erinnerungen an das weihnachtsfest wachgehalten — ein Weihnachtsfest, das er als sein schlimmstes und schönstes bezeichnet. Und wie er uns sagte, ist er dankbar dafür, dass er nie irgendwelche Bitterkeit empfunden hat.
„In der Nacht, als ich gefangen genommen und bis zum Verhör in einen mit Ratten verseuchten Kerker gebracht wurde, fasste ich den Entschluss, dass ich die Leute, die mir dies antaten, nicht hassen würde. Ich hätte diese Gefangenschaft nie überlebt, wenn ich Hass in meinem Herzen getragen hätte. Ich wusste, dass Gott in meinem Leben ist und dass es Dinge gibt, für die man dankbar sein muss.
Seit dem Krieg bin ich mehrere Male in Deutschland gewesen und habe die Leute besucht, die gut zu mir waren. Manche Freunde hier in Florida Können nicht verstehen, dass ich zurückgegangen bin und dass ich keine feindseligen Gefühle hege. Ich sage aber immer:, Das Leben ist zu schade, um sich damit aufzuhalten, auf wen man wütend sein will.'
Als Kind von etwa zehn Jahren hatte ich einen Mentor, der mich dazu anhielt, Bibelverse auswendig zu lernen. Er sagte immer:, Bis du sie auswendig kannst, gibt es keinen Kuchen und kein Eis.' Also, in dem Gefangenenlager fiel es mir nicht schwer, mich an den ersten und zweiten Vers in Johannes 14 zu erinnern und das hat viel geholfen:, Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn's nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten?'
Wie tröstlich sind diese Worte — ganz gleich, wo wir sind, ganz gleich, in welch extremen Umständen wir uns befinden mögen. In jener Nacht im Stalag 111 war ich Zeuge, wie die Liebe des Christus in den Herzen meiner Wächter neu geboren wurde, und ich bin so dankbar, dass ich den wahren Geist der Weihnacht Kenne."
