Die Berichte über sexuelle Belästigung von Kindern sind für alle von uns erschütternd — die Opfer, die Eltern und diejenigen, die das Vertrauen der Kinder missbrauchten. Kindern sollte die Kindheit erhalten bleiben — das ist den meisten klar. Selbstwertgefühl, Angstfreiheit und die Bereitwilligkeit zum Engagement für andere werden durch die Freiheit und Unschuld der frühen Entwicklungsjahre grundlegend beeinflusst.
Es scheint, als sei die Unschuld eines der ersten Dinge, die wir in unserem Leben verlieren. Dennoch sind wir in unserem ursprünglichen Zustand als Kinder Gottes voll Unschuld.
Um die Wunden aus meiner Erfahrung als sexuell und physisch missbrauchtes Kind zu überwinden, kämpfte ich lange und heftig darum, mehr auf das Gute in meinem Leben zu vertrauen. Ich empfand dauernd ein Verlangen nach Anerkennung und fühlte eine beständige Unzufriedenheit. Der Durchbruch kam eines Tages im Gebet, als ich mich an ein zauberhaftes Kindheitserlebnis erinnerte. Mein kleiner Bruder und ich beobachteten an einem Sommertag auf einem offenen Feld die Wolken und entdeckten Tieren, Blumen und alles mögliche, was unsere Phantasie beflügelte. Die Erinnerung war so erfrischend, dass ich geradezu die Wärme der Sommerluft spüren konnte.
Dann wurde mir klar, dass ich genau in demselben Sommer den schlimmsten sexuellen Missbrauch erlebt hatte. Dass ich diesen Beweis von Gutem mitten in einer Zeit voller Furcht und Verwirrung entdeckte, füllte mich mit tiefer Ehrfurcht.
Ich begann zu verstehen, warum mir die Unschuld niemals genommen war: Gott würde mir immer Seine Liebe zeigen und keine menschliche Tat konnte Seine liebevolle Fürsorge verhindern.
Neulich, als ich mit einer Freundin sprach, passierte etwas Erstaunliches. Ich erzählte ihr, dass die Wendung in der Heilung von Missbrauch dann eintritt, wenn man versteht, dass man eine Identität besitzt, die getrennt ist von den schrecklichen Dingen, die man erlebt hat. Es ist wichtig, klar zu sehen, dass ein Kind keine Schuld an der Ignoranz und Manipulation des Belästigers hat.
Es war mir, als würde ich über jemand anders reden, weil mir klar geworden war, dass ich eine Identität besaß, die außerhalb der furchtbaren Folgen der Respektlosigkeit gegenüber meinem Körper bestand. Mein Selbstbewusstsein wurde nicht länger durch die kriminelle Tat eines anderen geformt.
Als Antwort auf die vielen Nachrichten über Missbrauch habe ich angefangen, auch für diejenigen, die mich missbraucht hatten, zu beten. Mehr und mehr verstehe ich, dass die Verteidigung der Unschuld sowohl für Opfer wie auch für Täter die Lösung darstellt. Wenn Sünde aufgedeckt wird, kann es so aussehen, als stünden jemandes Ruf und Zukunft vor dem Ruin. Aber was in Wirklichkeit zerstört wird, sind die Lügen, die die wahre Grundlage unseres Selbstwerts, unseres Erbes als Kind Gottes, des Guten, verborgen hielten. Das ist ein radikaler Wechsel der Sichtweise. Das Opfer von Missbrauch muss erkennen, dass ihre oder seine Beziehung zu Gott unberührt geblieben ist. Derjenige, der das Verbrechen begangen hat, muss begreifen, dass der Respekt vor eben dieser Beziehung zu Gott die einzige Grundlage für seinen zukünftigen Wert in der Gesellschaft darstellt.
Eine Aussage der Gründerin dieser Zeitung, Mary Baker Eddy, verpflichtet uns zu einem Leben, geschützt vor einer durch die Gesellschaft geförderten oder geduldeten Sinnlichkeit:
„Geliebte Kinder, die Welt braucht euch — und mehr als Kinder denn als Männer und Frauen: sie braucht eure Unschuld, Selbstlosigkeit, treue Liebe, eure unbefleckte Lebensführung. ... Welch höheres Streben könnte es geben, als das in euch zu erhalten, was Jesus liebte, und zu wissen, dass euer Beispiel mehr als eure Worte die Sittlichkeit der Menschheit bestimmt!” (Vermischte Schriften, 1883-1896, S. 110).
Gekürzter Nachdruck aus dem Christian Science Monitor
