Wir sind, von allen erdenklichen Orten, im Mittelpunkt der Erde. Wir sind in der Mary Baker Eddy Bibliothek, 200 Massachusetts Ave., nicht weit von Symphony Hall und wir stehen auf einer gläsernen Brücke, die einen 10 Meter großen Globus durchquert.
Von innen haben wir einen bemerkenswerten Anblick: Die Länder der Welt sind geographisch dargestellt auf 608 gebogenen Glasscheiben aus leuchtendem Buntglas, die 16 Millionen Farbkombinationen zeigen.
Das Mapparium war eine beliebte Attraktion in den vergangenen 70 Jahren, war aber in den letzten vier Jahren geschlossen. Es wurde einer $1 Million teuren Renovierung unterzogen, bei der ein aufwendiges Beleuchtungs-und Audiosystem installiert wurde, das Ihre surround-sound Stereoanlage zu Hause wie ein altes Grammophon klingen lässt.
Die Bibliothek feiert heute eine Party, jedermann ist eingeladen, kostenlos. Ab 10 Uhr finden Rundführungen im Mapparium statt und in anderen interaktiven Ausstellungen, die Teil der neuen $50 Million teuren Mary Baker Eddy Bibliothek sind. Mehr als ein Dutzend Künstler wie Kate Taylor, das Claremont String Quartet und die Duffin-Murphy Irish Stepdancers präsentieren Kunstgewerbe und ein Freiluftkonzert um 11 Uhr.
Das Mapparium, das im Christian Science Verlagshaus gebaut wurde, war als Symbol für den Glauben der Christian Science Kirche an die Menschheit und für das Bedürfnis nach Freundschaft in der Welt gedacht.
Nach 36 Monaten Bauarbeiten und weiteren acht um die Glasscheiben zu installieren, wurde das Mapparium, das von dem Architekten Chester Lindsay Churchill aus Boston entworfen ist, 1935 für die Allgemeinheit geöffnet. Umfassende Experimente bei der Suche nach einer Farbformel haben Chemiker dazu geführt, eine Mischung zu benutzen, die der im 14. Jahrhundert benutzten ähnelt. Die Gesamtsumme für Material und Arbeit betrug $8 900 — das entspricht heute $114 000.
Wir waren begeistert von der Einladung das Mapparium zu besichtigen, aber die fortschrittlichen Materialen wirkten einschüchternd. Sie beinhalten verwickelte Details über komplizierte, interaktive Ausstellungen und komplexe computererzeugte Beleuchtungs-systeme.
Benebelt von so viel High-Tech, haben wir mit dem Wunsch einen exakten Bericht zu liefern, einen Begleiter rekrutiert, der auf dem Gebiet der Elektronik kenntnisreicher ist als wir.
Er heißt John Patrick Thomas. Er ist 8 Jahre alt.
Unser Fremdenführer ist Chet Manchester. Mit seiner Erfahrung als künstlerischer Direktor für Institute in verschiedenen Ländern und seinen Beiträgen zum Entwurf der Mary Baker Eddy Bibliothek, entdeckt Manchester sofort, dass einer von uns nichts von Elektronik versteht. Und er richtet daher die technischeren Informationen an John Patrick.
Die beiden laufen Richtung Kontrollraum und wir folgen nach. John Patrick bekommt einige Anweisungen, drückt mehrere Knöpfe und die Show beginnt.
Die Lichter gehen an und in einem Moment ist die Welt von einer atemberaubenden Farbenvielfalt überflutet. Die Perspektive, die sich auf Länder und Ozeane auftut ist bezaubernd und hypnotisch.
Eine Stimme begrüßt uns in zehn Sprachen und sagt dann:
„Dies ist unsere Erde. Nichts kommt ihr gleich.”
Das kann man laut sagen.
Das Auge gleitet über die Kontinente, bleibt bei wichtigen Orten des letzten Jahrhunderts stehen, den großen Kriegen in Europa, den Schwierigkeiten in Irland, der blutigen Vertreibung von französischen und britischen Imperialisten aus Afrika, den Desastern von Korea, Vietnam, dem Nahen Osten und wie hat es Magellans Schiff eigentlich 1520 um die Welt geschafft?
Von irgendwo kommt eine überirdische Stimme:
„Unsere weltweite Familie ist auf sechs Kontinenten und vielen Inseln verteilt. Wir sind Bürger von 192 Ländern und sprechen 6800 Sprachen. Wenn Sie sich umsehen, werden Sie einige Veränderungen bemerken. Sie schauen auf eine Welt, in der die Zeit stillsteht, eine Welt die nicht länger existiert.”
Die Stimme fährt fort: „Schauen Sie mal Afrika an. 1935 wurde dieser immense Kontinent von Kolonial-herren regiert. Heute gibt es in Afrika 54 unabhängige Staaten. Und schauen Sie hier! Die Sowjetunion war der größte kommunistische Staat der Welt, wo einst Millionen von Menschen von einem totalitären System regiert wurden. Heute befinden sich an seiner Stelle 15 unabhängige Republiken.”
Die Show endet nach sechs Minuten, zu früh, und John Patricks Aufmerksamkeit wandert zur Antarktis.
„Vor einer Weile,” sagt Manchester, „stand jemand hier und ließ seinen Hut von der Brücke fallen. Er landete dort unten am Südpol, wo keiner hinreichen konnte.
Und vor ein paar Tagen hatten wir hohen Besuch: Pervez Musharraf, der Präsident von Pakistan. Er stand da wo Sie jetzt stehen und er war wie ein kleines Kind. Er suchte nach seinem Land, aber er konnte es nicht finden. Als die Karte 1935 entstand, gab es Pakistan noch nicht.”
Die Kugel ist auch ein akustisches Wunder. Der Klang wird von den Wänden reflektiert, so dass ein Wispern auf der einen Seite der Welt laut und deutlich auf der anderen Seite gehört werden kann. Um das zu beweisen, spricht Manchester zusammen mit John Patrick das Gedicht „Puff the Magic Dragon.”
Das akustische Problem, den Klang gleichmäßig im Globus zu verteilen, wurde von Kevin Brown von Brown Innovations aus Boston gelöst.
„Er hat ein Diplom vom MIT,” sagt Manchester, „und er hat sich mit der Akustik beschäftigt und herausgefunden, wie man Speziallautsprecher installieren muss, um alles gut zu verstehen. Das war keine einfache Aufgabe. Er hat alle Arten von mathematischen Berechnungen angestellt und hat schließlich die Akustik des Mappariums benutzt um ein neues Konzept für Schallsysteme zu entwickeln.
Wenn man Schall nach oben richtet, wird er nach unten reflektiert. Er hat jetzt ein Lautsprechersystem entwickelt, das den Klang vom Hörer weg so nach oben richtet, dass er den Hörer von oben überflutet. Seine Arbeit öffnete eine neue Denkweise über Schall.”
Im angebauten Projektionsraum erklärt Manchester John Patrick, dass der Globus ursprünglich von 300 60-Watt Glühbirnen erleuchtet wurde, die alle kleine Blechreflektoren hatten.
„Aber alles ist neu verdrahtet. Und alle 60-Watt Birnen sind von diesen 206 LCD Leuchtschirmen ersetzt worden, die nicht nur dem neuesten Stand entsprechen, sondern auch umweltfreundlich sind. Wir könnten diese LCDs 24 Stunden am Tag brennen lassen und sie würden 15 Jahre lang halten.
Jede Einheit enthält Hunderte von stecknadelkopfgroßen Niederspannungs-Lampen. Es ist so als wenn Sie am Computer wählen können, wievielw Millionen von Farben Sie wollen. Wir haben hier bis zu 16 Millionen Kombinationen.”
„Wie ist die Renovierung vor sich gegangen?” fragt John Patrick.
„Zuerst ist der gesamte Globus mit Sperrholz abgedeckt worden, damit an der Infrastuktur gearbeitet und das Klimasystem installiert werden konnte.
Und dann hat diese fabelhaft kreative Firma Drent/Paffett Associates aus Boston hervorragende Ideen gehabt, wie man in diesem Raum mit Beleuchtungseffekten eine Lichtund Soundshow präsentieren kann.
Zuerst wollten wir Bilder auf die Rückseite vom Glas projizieren, woraufhin wir 16 Rückprojektoren installierten. Aber in diesem schönen Raum wirkte es aufdringlich, so als ob man alles mit einer Lage HighTech überdeckte. Darum kehrten wir dazu zurück mit Licht und Klang zu arbeiten und alles andere Ihrer Phantasie zu überlassen.”
Wie wird das Glas gereinigt?
„Man benutzte eine spezielle Konstruktion,” sagte Manchester. „So etwas wie einen langen Arm, der für das Zurückschneiden von Bäumen benutzt wird. Er wurde in der Mitte der Brücke aufgestellt, damit Arbeiter auf ihm zu den Scheiben gehen konnten und sie mit einer sanften Reinigungslösung säubern konnten.”
Auf dem Weg nach draußen hatte Manchester einen letzten Kommentar.
„Ich denke oft daran, dass wir alle diesen Planeten teilen und dass wir alle in gewisser Weise eine große Familie sind. Die Erde, durch die Sie gerade gegangen sind — aus was besteht sie?”
„Aus Glas,” sagt John Patrick.
„Genau,” sagt Manchester.
„Und das erinnert uns daran, dass sie sehr zerbrechlich ist.”
