Können Sie sich vorstellen, dass unsere Realität nur eine Illusion ist? lm Film „Die Matrix” ist nichts, was die Menschen wahrnehmen, wirklich. Alles ist eine Computerillusion, in der sie gefangen sind. In Christian Science sind Krankheit, Sünde und Tod nicht existent. Auch Forscher beginnen sich intensiver mit solchen Themen zu beschäftigen. Das Buch „The User Illusion” (Die Illusion des Benutzers) des dänischen Wissenschaftlers Tor Norretranders eröffnet einen interessante Blickwinkel auf Bewusstsein und Realität
Das Buch beginnt mit dem Zitat des Wissenschaftlers Maxwell, der am Ende seines Lebens sagte, dass seine Arbeit von etwas Größerem in sich als er selbst vollbracht wurde. Er entdeckte die zwei Gesetze der Thermodynamik: Die Menge an Energie auf der Erde ist konstant, sie wird kontinuierlich in andere Formen umgewandelt. Immer wenn Energie konsumiert wird, wird sie in eine niedrigere Form von Energie umgewandelt. Tor Norretranders stellt die These auf, dass die einzige Größe, die benutzt werden kann, ohne dass sie verbraucht wird, Information ist.
Für mich stellt sich die Frage, ob wir, wenn wir Information sind (Gottes Gedanken kann man auch als Information auffassen), verbraucht werden können.
Was jedoch, so entwickelt der Autor seine Überlegungen weiter, kostet der Platz, den Information braucht. Es existiert eine riesige Menge an Information und damit eine gewisse Unordnung in der Informationsgesellschaft. Unordnung ist Chaos. Das Gegenteil, absolute Ordnung, ist langweilig. Dazwischen liegt Komplexität. Alles Wichtige ist Komplexität: Menschen, Veränderungen, wunderbare Landschaften, Unterhaltungen und vieles mehr. In der Kommunikation entsteht Komplexität nicht durch die Länge der Nachricht, sondern durch die Arbeit vorher, d.h. durch die Information, die aufgenommen, verarbeitet und dann reduziert oder verworfen wurde. Komplexität liegt darin, Information zu reduzieren und den Inhalt auf wenige Seiten oder Sätze zusammenzufassen. Diese verworfene Information nennt man Exformation. Eine Nachricht mit Tiefe hat viel Exformation, d.h. viele Gedanken wurden in sie hinein gesteckt. Manchmal ein ganzes Menschenleben, so wie in Mary Baker Eddys Werken oder Reden.
In der Kommunikation sind Worte Referenz auf etwas, das nicht präsent ist. Wir sind in der Lage im Kopf des Empfängers einen ähnlichen Zustand herzustellen wie im kopf des Senders. Winzige Mengen an Informationen können ganze Galerien von Bildern auslösen, z.B. das Wort Weihnachten. Kinder lieben Märchen, nicht nur wegen des Inhalts, sondern auch weil sie dabei über menschliche Themen wie „der Held” oder „gut und böse” lernen. Das geschieht durch Intonation und emotionale Zustände des Vorlesers, die unbewusst gesendet und aufgenommen werden. Hans Christian Andersen oder Karen Blixen sind Meister darin, sehr wenig Information zu benutzen und trotzdem ganze Register im Kopf des Lesers zu öffnen. Wir sind uns dessen meistens nicht bewusst, da wir nur einen winzigen Bruchteil der Information, die durch uns durchfließt, wahrnehmen. Unser Bewusstsein (wenn Norretranders von Bewusstsein spricht, meint er das ratio-orientierte Bewusstsein oder den Verstand) kann ungefähr 40 Bit pro Sekunde verarbeiten. Ein Bit ist die kleinste Informationseinheit, die es gibt. Unsere Augen allein jedoch nehmen 10 Millionen Bit pro Sekunde auf. Eines kann das Bewusstsein gut: sehr schnell von einem Thema zum anderen springen. Es ist wie ein Scheinwerfer, der eine Sache beleuchtet und den Rest im Dunkeln lässt. Wir glauben, dass wir die meiste Zeit bewusst sind, in Wirklichkeit sind wir einen Großteil der Zeit „nicht da”. Einfache Versuche der Selbstbeobachtung machen das deutlich. Können Sie sich zum Beispiel daran erinnern, wie Sie sich heute Morgen die Schuhe angezogen haben?
Wir nehmen unbewusst Dinge auf, die sehr subtil und schwach sind. Deshalb wissen wir mehr als uns bewusst ist. So werden zum Beispiel erste Urteile und Eindrücke innerhalb von Sekunden gefällt. Der Verstand merkt davon meist sehr wenig, er versucht eher intuitive Gefühle oder Urteile zu unterdrücken.
In extremen Situationen wie Unfällen können wir beobachten, wie der Verstand, auch „Ich” oder „Ego” genannt, zum Beobachter wird. Etwas anderes trifft die Entscheidungen. Der Autor nennt es „Mich”. Wir sind mehr als wir glauben und haben mehr Ressourcen als wir uns vorstellen können. Menschen wie Mary Baker Eddy, Mutter Teresa oder der Dalai Lama bewiesen und beweisen das.
Norretranders beschreibt, dass das „Ich” relativ jung ist. Vor ungefähr 3000 Jahren handelten die Menschen nach Befehlen der Götter, es gab keinen freien Willen. Als das Leben der Menschen komplexer wurde, funktionierte das nicht mehr. Von 2000 bis 100 vor Christus gab es große Umbrüche. Kulturelle Verschiebungen führten zum Ursprung des Bewusstseins. Dieses Erwachen geschah in vielen Kulturen gleichzeitig, z.B. China, Griechenland, Indien, Ägypten. Die Bibel enthält eine gute Beschreibung dessen. Dem Menschen wurde der freie Wille gegeben. Dies führte zu ethischen Problemen, die durch die Zehn Gebote gelöst wurden. Nun musste man über sein Verhalten und dessen Folgen nachdenken, statt den Befehlen der Götter zu folgen. In der Übergangsphase sprach Gott zu einigen ausgewählten Menschen. Im Neuen Testament dann wird beschrieben, dass das Verhalten von innen geändert werden muss anstatt durch äußerliche Gesetze. Die Beziehung zwischen Gott und Mensch ist in jedem. Der Mensch muss sich seiner selbst und seiner Motive bewusst werden. Das Christentum verlangt ein inneres Gutsein, das allein durch Willenskraft und Verstand nicht zu erreichen ist.
Und dennoch gaukelt uns — Nor — retranders zufolge — der Verstand vor, dass er alles unter Kontrolle hat und alles steuert, er rationalisiert und versucht Erklärungen zu finden.
Mehr dazu im zweiten Teil.