Wenn Sie bei Google Maps nachschauen, werden Sie feststellen, dass Claygate in Surrey, England, ungefähr 24 Kilometer westlich von London liegt — „ungefähr bei 7.30 auf einer Uhr", beschrieb es die Praktikerin und Lehrerin der Christlichen Wissenschaft, Fenella Bennetts, als ich sie vor Kurzem anrief. Mrs. Bennetts wuchs in Claygate in einer christlich-wissenschaftlichen Familie auf, und so wie sie es in unserer Unterhaltung beschrieb, hat sie sich diese Religion schon in jungen Jahren zu Eigen gemacht. Als junger Mensch studierte sie Klavier und Komposition und erhielt einen Abschluss an der Universität in Cambridge. Lesen Sie, wie Mrs. Bennetts erklärt, warum diese beiden Themen, Musik und Christliche Wissenschaft — das eine weniger und das andere mehr — einander kontrapunktieren und den großen Lebensrhythmus der Harmonie offenbaren.
Mrs. Bennetts, wie und wann wurden Sie Christliche Wissenschaftlerin?
Nun, ich war mein ganzes Leben lang Christliche Wissenschaftlerin. Die Christliche Wissenschaft kam in unsere Familie, als meine Großmutter vor fast 100 Jahren geheilt wurde. Sie lag damals im Sterben. Ihr Bruder, der die Christliche Wissenschaft in den Niederlanden gefunden hatte (meine Großmutter und ihr Bruder waren Holländer) kam hierher nach England und machte sie mit der Christlichen Wissenschaft bekannt — und sie wurde geheilt. Meine Mutter begann die Sonntagsschule zu besuchen und sie wurde ihr Leben lang eine hingebungsvolle Schülerin der Christlichen Wissenschaft. Ein Elternteil meines Vaters wurde ebenfalls zu einem kritischen Zeitpunkt geheilt. Ich wuchs also in einer Familie auf, in der die Praxis der Christlichen Wissenschaft die natürliche Lebensweise war. Ich bin die dritte Generation unserer Familie von inzwischen fünf, die die Christliche Wissenschaft studieren.
Und Sie sind in Claygate aufgewachsen?
Ja, da wo ich heute wieder wohne. Meine Zweigkirche ist Erste Kirche Christi, Wissenschaftler, Claygate und Esher. (Esher ist unsere größere Nachbargemeinde.)
Sind Sie dort in die Sonntagsschule gegangen?
Ja. Meine Eltern waren Gründungsmitglieder der Kirche und ich besuchte die Sonntagsschule vom ersten Tag ihres Bestehens an. Ich habe also miterlebt, wie unsere Gemeinde von einer Gruppe zu einer Vereinigung und dann zu einer ausgewachsenen Kirche wurde.
Das ist sehr schön. Wissen Sie, ich denke es ist angemessen, zu sagen, dass sich jeder die Christliche Wissenschaft zu Eigen machen muss, auch die, die in einer christlich-wissenschaftlichen Familie aufwachsen oder die Sonntagsschule besuchen. Was hat Ihnen geholfen, sich die Christliche Wissenschaft zu Eigen zu machen?
Ich glaube, das waren mehrere Dinge. Ich habe Gott immer geliebt und meine Mutter hat mir aus der Bibel vorgelesen, seit ich klein war. Sie erzählte mir später, dass meine Lieblingsgeschichte, die ich immer wieder vorgelesen haben wollte, die von Jesus war, der im Tempel in Jerusalem zurückblieb, als er zwölf Jahre alt war und zu seinen Eltern sagte — und ich zitiere meine Mutter: „Weißt du nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?" (Siehe Lukas 2) Meine Mutter ermutigte mich immer, selber für mich zu beten, und dann fühlte sie sich eines Tages nicht wohl. Ich war ungefähr acht oder neun Jahre alt und sie bat mich, für sie zu beten. Ich wusste nicht genau, wie ich das tun sollte, aber ich wollte ihr so gerne helfen. Also ging ich in mein Zimmer und öffnete das Buch Wissenschaft und Gesundheit. Es öffnete sich bei der Definition von Kirche. Ich erblickte plötzlich die Idee von Kirche als „die Struktur von Wahrheit und Liebe ..." (S. 583) — und ich konnte meine Mutter in dieser Struktur geborgen sehen. Und sie wurde an diesem Tag geheilt. Als ich dann ungefähr dreizehn Jahre alt war, bat mich eine Schulfreundin, für sie zu beten. Vor Kurzem fiel mir ein kleines Tagebuch in die Hände, in das ich Bibelverse und Notizen geschrieben hatte, als ich ihr half — und sie wurde geheilt. Da wusste ich, dass ich mein Leben der christlich-wissenschaftlichen Praxis verschreiben wollte. Der Same wurde zu der Zeit gepflanzt und dieser Wunsch war immer der mich führende Schwerpunkt, obwohl es viele Jahre dauerte, bis der Same aufging und erblühte. Andere Karrieremöglichkeiten taten sich auf, aber ich wollte nur das tun, was mich für dieses geistliche Amt vorbereitete. Der andere Einfluss, der mich stark prägte, war meine Erfahrung in der Sonntagsschule. Sie war ein wahrer Fels geistiger Erziehung, bis ich zwanzig Jahre alt wurde. Ich entwickelte mein Bibelwissen und meine Kenntnis von Wissenschaft und Gesundheit sehr und meine Liebe zu diesen Büchern und mein Verständnis davon, wie ich diese Lehren praktisch anwenden konnte. Ich glaube, deshalb hat mich meine Liebe zur Sonntagsschule nie verlassen. Sie finden mich jede Woche immer noch dort, nun als Lehrerin. Ich liebe es, mit Kindern und jungen Erwachsenen zusammen zu sein, und ich möchte ihnen das geben, was ich bekommen habe, als ich aufwuchs.
Sie haben auch schon sehr früh angefangen, Musik zu studieren. Sie sind Pianistin und Komponistin. Welche Verbindungen sehen Sie zwischen Ihrem Studium der Musik und Ihrem Studium der Christlichen Wissenschaft?
Viele! Und eine davon ist die Fähigkeit zu lauschen. Die Musikausbildung entwickelt das „innere Ohr" eines Musikers. Meine Musiklehrerin am Gymnasium war Christliche Wissenschaftlerin und ich war die einzige Schülerin, die Musik auf einer weiterführenden Stufe lernte. Die Christliche Wissenschaft war das, was wir beide am meisten liebten, also verbrachten wir oft die Hälfte der Stunde damit, über die Christliche Wissenschaft zu reden — und dann stellten wir fest, dass wir lieber etwas Musik machen sollten! Sie bestimmte Harmonieübungen für Sopran, Alt, Tenor und Bass, wo ein Teil festgelegt war und ich die anderen ausfüllen musste. Aber wir gingen immer von der Grundlage aus, dass die Musik eine vollkommene Idee im Gemüt ist; also musste ich nur auf den Klang lauschen. Ich übte dies ausdauernd, und als ich meine Abschlussprüfungen machte, war es, als würde es mir diktiert. Ich war so auf dieses Lauschen eingestellt. Und da besteht eine deutliche Parallele zur Praxis der Christlichen Wissenschaft. Wenn es ein Wort gibt, das ein Synonym für Gebet sein könnte, dann wäre dieses Wort lauschen. Wenn ich eine Bitte von Menschen annehme, ihnen zu helfen, muss ich natürlich auf ihr Herz hören, ich muss hören, was sie mir zu erklären versuchen. Aber eigentlich lausche ich auf das göttliche Gemüt, damit es mir offenbart, was den Bedarf dieses Menschen stillt. Ich erinnere mich, wie ich einmal anfing etwas zu sagen und hörte, dass ich etwas ganz anderes sagte, als ich eigentlich sagen wollte — und die Person am anderen Ende der Leitung brach in Gelächter aus! Gelächter oder Tränen sind so starke Mittel, um einen Mesmerismus zu brechen. Dieses wunderbare Lachen brach aus und sie war geheilt. Und ich sagte etwas zu ihr, an das ich niemals vorher gedacht hatte. Die immergegenwärtige väterliche und mütterliche Liebe Gottes, des göttlichen Gemüts, hatte mir diese Botschaft vermittelt, damit ich sie ihr weitergeben konnte, und wir wurden beide gesegnet. So war diese entwickelte Eigenschaft des inneren Lauschens unendlich wertvoll. Eine andere Sache ist der Gedanke, dass Klang und Stille beide wichtige Elemente der Musik sind. Auf vergleichbare Weise müssen wir Bereiche in unserem Leben bewahren — ruhige Zeiten — damit wir auftanken können, uns wieder auffüllen. Wir können nicht auf günstige Gelegenheiten warten, denn sie werden nie kommen! Also müssen wir erkennen, wie wir diese Bereiche einplanen und schützen. Mary Baker Eddy war sehr streng damit, Zeit für Gebet zu bewahren, für Kommunion mit Gott. Manchmal haben Menschen sogar Angst vor Stille — Angst davor, zu sein, anstatt die ganze Zeit etwas zu tun. Aber er ist notwendig für die Qualität unseres Lebens und für unsere Fähigkeit zu heilen, dass wir lernen, mit Gott allein (vereint) zu sein.
Gibt es noch andere Beziehungen zwischen Musik und Christlicher Wissenschaft, die für Sie wichtig waren?
Nun, einmal hat jemand zu mir am Telefon gesagt: „lch wünschte, ich könnte immer nur richtige Gedanken denken." Es war so ein zu Herzen gehender Ausruf, dass ich eine bestimmte Klavierstunde beschrieb, die ich als Teenager hatte. Mein Problem war gewesen, dass ich zu schnell lernte, aber nicht gründlich genug. Also sah mir dieser bemerkenswerte Klavierlehrer direkt in die Augen und fragte: „Warum spielen die Menschen falsche Noten?" Nach einer langen, bedeutungsvollen Pause sagte er: „Weil ihre Finger nicht über richtigen Noten sind!" Dann gab er mir eine eingehende Stunde über langsame Praxis — wie man jede Note fühlt, bevor man sie spielt, ohne auf die Tasten zu schauen. Er versicherte mir, je langsamer ich üben würde, desto eher würde ich schnell und richtig spielen. Und raten Sie mal — er hatte absolut recht! Und mein Anrufer und ich stellten fest, was für eine großartige Parallele es hier zu wissenschaftlichem Gebet gab. Wir lernten, nicht oberflächlich zu denken, nicht nur in Eile dutzende Stellen nachzulesen oder uns in die Bibellektion zu stürzen und auf der anderen Seite wieder heraus! Wir lernten vielmehr, gründlich nachzudenken, die geistige Grundlage der Gedanken zu fühlen, bevor sie zu Worten und Handlungen wurden. So bringen wir unsere Gedanken mit Gott in Einklang. In der Bibel steht: „Der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit." (1. Korinther 2) Dazu fällt mir ein Beispiel ein. Ich habe einmal beschlossen, mir eine ganze Woche Zeit zu nehmen, um im Kirchenhandbuch „Eine Richtschnur für Beweggründe und Handlungen" zu studieren. (S. 40) Als ich gleichzeitig Jesu Bergpredigt (Matthäus 5-7) studierte, bemerkte ich, dass alle Ideen in diesen Kapiteln auf irgendeine Weise in diese Regel eingebettet sind. Bemerkenswert! Das Denken Mary Baker Eddys war so in der Bergpredigt verwurzelt und gegründet, dass sie in der Lage war, das Wesentliche dieser Lehren in diesem einen Absatz zusammenzufassen. Dies gab der „Richtschnur für Beweggründe und Handlungen" eine neue Dimension. Kein Wunder, dass sie dies an die erste Stelle des Kapitels „Disziplin" setzte und wollte, dass es jeden Monat einmal im Gottesdienst gelesen werden sollte.
Wir lernten, nicht oberflächlich zu denken, nicht nur in Eile dutzende Stellen nachzulesen oder uns in die Bibellektion zu stürzen und auf der anderen Seite Wider heraus! Wir lernten vielmehr, gründlich nachzudenken, die geistige Grundlage der Gedanken zu fühlen, bevor sie zu Worten und Handlungen wurden.
In jener Woche stellte ich jede Bitte um Hilfe in das Licht dieser Richtschnur. Ihr Kern ist die absolute, bedingungslose Aussage der Wahrheit: „In der Wissenschaft regiert allein die göttliche Liebe den Menschen ..." Nicht „sollte regieren" oder „muss regieren", sondern „regiert" — wodurch die nicht reduzierbare geistige Tatsache der Beziehung Gottes zu Seiner gesamten Schöpfung geltend gemacht wird. Zusätzlich war da der Befehl zu Beginn der Richtschnur, die Gedanken zu„ entmagnetisieren", wichtig für jede Bitte um Hilfe: „Weder Feindseligkeit noch rein persönliche Zuneigung sollte der Antrieb zu den Beweggründen und Handlungen der Mitglieder Der Mutterkirche sein." Dann bietet die Richtschnur eine Leitlinie an, um die christlichen Eigenschaften des Denkens zu entwickeln, die das christlich-wissenschaftliche Heilen kennzeichnen. Und die Richtschnur hört mit dem Weckruf zur Wachsamkeit gegenüber sechs Fallen des irrenden Denkens auf. Sie ist eine vollständige Behandlung! Und die Heilungen, die in dieser Woche geschahen, waren ein Beweis dessen, was Mary Baker Eddy sagte: „Davon bin ich überzeugt, dass jede Regel und Satzung dieses Kirchenhandbuchs die Geistigkeit dessen, der sie befolgt, erhöhen und seine Fähigkeit, die Kranken zu heilen, die Leidtragenden zu trösten und die Sünder wachzurütteln, stärken wird." (Die Erste Kirche Christi, Wissenschaftler, und Verschiedenes, S. 230)
Wenn wir nur auf unsere Füße schauen, dann ist unser Blickwinkel sehr klein. Aber wenn wir aus dem Fenster sehen, dann erweitert sich unser Blick enorm — und das noch mehr in der Nacht. Wir brauchen einen Gedankenzustand, der nach außen schaut und die Grenzen des Verständnisses erweitert.
Was hat Sie dazu bewegt, nicht nur christlich-wissenschaftlicher Heilerin, sondern auch Lehrerin der Christlichen Wissenschaft zu werden?
Es sah so aus, als ob mein Mann und ich in unserem Zuhause immer eine erweiterte Familie hatten und eine Schülervereinigung der Christlichen Wissenschaft ist eine andere Art einer erweiterten Familie. Ich liebe die anhaltende Bindung, die Lehrer zu ihren Schülern haben — eine lebenslange Beziehung. So wie Eltern sind wir nicht nur kurzfristig da, sondern langfristig! Was mir am besten gefällt ist, das veränderte, erlöste, wiederhergestellte, erneuerte, geheilte Leben der Menschen zu sehen das einfach mit der Liebe und der Bestimmung Gottes überflutet wird. Und genau wie Eltern sein beinhaltet die gemeinsame Reise einer Lehrer-Schüler-Beziehung Geduld, Beharrlichkeit, Mut und völliges Vertrauen auf Gottes Führung — auf beiden Seiten! Aber Jesus gab uns allen den Kurs vor: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und vom ganzen Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst." (Lukas 10) Darum geht es in der Helipraxis der Christlichen Wissenschaft und dazu soll das Lehren erziehen. Lehren soll auch die Wahrnehmung dessen entwickeln, was wir die „großen Rhythmen" des Lebens nennen könnten. Ich erinnere mich daran, gelesen zu haben, dass Mary Baker Eddy da, wo andere Menschen in Jahren dachten, in Jahrzehnten dachte. Vor vielen Jahren schrieb ich ein Zitat aus dem Christian Science Monitor in ein Notizbuch. Es war etwas, was eine französische Ballerina mit dem Namen Violetta Verdy gesagt hatte, die auch Ballettlehrerin war. Zuerst erklärte sie, bevor wir unseren eigenen Still entwickeln, müssen wir die grundlegenden Prinzipien unserer Kunst lernen. Und dann fuhr sie fort: „Und wir müssen die ,großen Rhythmen' haben. Es sind die kleineren Rhythmen des Lebens, die dazu führen, dass wir uns selbst bemitleiden."
Ich sehe diese Metapher gerne als Lebensmuster, das uns daran erinnert, uns an die großen Perspektiven im Leben zu halten. Mary Baker Eddy war so ein großes Beispiel dafür. Wenn sie damit zufrieden gewesen wäre, selber geheilt zu werden, hätten wir heute diese Kirche nicht — die Kirche Christi, Wissenschaftler, mit ihrem weltweiten heilenden christlichen Amt. Wir können erkennen, wie ihr Denken sich von einem persönlichen und örtlich begrenzten Ausdruck des Christentums zu einem globalen und universalen Bau von Kirche entwickelt hat, die sie in ihren späteren Jahren gründete. Und jeder von uns muss sich auch auf diese Weise entwickeln — von dem „was es mir zu bieten hat" zu „was kann ich denn dafür tun, um meinen Brüdern und Schwestern auf der ganzen Welt zu helfen?" Deshalb ist der Monitor so ein großes Geschenk, um bei unseren Gebeten die ganze Welt im Blick zu haben.
Sie haben mir gesagt, dass Ihr Name auf einem Mikrochip steht, der auf der Marsoberfläche liegt. Das ist toll. Erzählen Sie mir etwas darüber. Ich denke, das hat etwas mit diesen großen Perspektiven und den großen Rhythmen des Lebens zu tun.
Sehen Sie, Ich habe mich schon als Kind für Astronomie interessiert. Die Erforschung des Weltraums ist eine der einschneidenden Nischen der menschlichen Bemühungen, und ich bin dem Planetarischen Verein in seinen Anfangsjahren beigetreten, um mit dieser Erforschung in Verbindung zu bleiben. Auf dem Mikrochip stehen die Namen aller damaligen Vereinsmitglieder und er war in dem Mars Rover, der 1983 erfolgreich gelandet ist. Es macht Spaß, an den Chip da draußen zu denken! Aber darüber hinaus habe ich immer gerne nach oben geschaut. Es macht mich traurig, wenn Menschen noch nie in den wunderbaren Nachthimmel geschaut oder etwas über ihn entdeckt haben. Ich mag den Sinn für Weite, den er mit sich bringt, und die Fragen, die man dabei stellt. Ich habe oft gedacht, wenn wir nur auf unsere Füße schauen, dann ist unser Blickwinkel sehr klein. Aber wenn wir aus dem Fenster schauen, dann erweitert sich unser Blick enorm — und das noch mehr in der Nacht. Wir brauchen einen Gedankenzustand, der nach außen schaut und die Grenzen des Verständnisses erweitert. Mary Baker Eddy sprach von der „Unermesslichkeit von Christian Science" (WuG, S. 330), und da müssen wir hin. Eine von Gottes Eigenschaften ist, dass Er unendlich ist. Wie oft halten wir inne und denken darüber nach? Wie oft kommen wir mit der Tatsache der unendlichen Güte Gottes, der unendlichen Weisheit, der unendlichen Liebe in Berührung? Und fragen uns dann: „Was bedeutet es für uns, dass Gott unendlich ist?" Der Gedanke ist riesig. Er führt uns aus einer begrenzten Wahrnehmung unseres Seins und unseres Lebens und führt uns in ein Verständnis von Gottes grenzenloser Fürsorge und zu unserer Bestimmung. Gottes Unendlichkeit zu verstehen führt uns dazu, Denker zu sein, die die geistige Initiative ergreifen. Und Denker, die die geistige Initiative ergreifen, sind heutzutage lebenswichtig, denn wir hören an allen Ecken und Enden, dass wir durch Mangel und Begrenzung eingeengt sind. Weltweite Ressourcen, Energie, Wasser, Nahrung, Gesundheit, Finanzen, Hypotheken — wie sie auch alle heißen — es scheint einfach eine Auffassung nach der andern über Mangel, Begrenzung und Endlichkeit zu geben. Wenn wir es also mit Begrenzungen zu tun haben, was machen wir dann? Die Antwort liegt immer darin, mehr über Gott zu verstehen, zu verstehen, dass Gott unendlich ist — und dass dadurch das Gute unendlich ist! Diese Tatsache bricht mentale Gefängnisse auf. Und ich sage dies nicht als eine theoretische Vorgehensweise, weil wir in unserer Familie dreimal wirklich kritischen finanziellen Situationen gegenüberstanden.
Das erste Mal kam es durch Rezession und den Arbeitsplatzverlust. Mein Mann hatte nur noch für einige Wochen Arbeit. Er war Architekt und alle Bautätigkeit wurde durch die Regierung gestoppt. Große Architekturbüros gingen bankrott. Wir hatten zwei sehr kleine Kinder und eine große Hypothek. Was konnten wir turn? Nun, wir setzten uns mit dem Partnerachitekten meines Mannes und seiner Frau zusammen und beteten über diese Lage. Und obwohl die Aussicht düster war, hatten wir wirklich keine Angst. Wir hatten alle völliges Vertrauen in unsere ununterbrochene Fürsorge durch Gott. Wir gingen alle den Ideen nach, die wir im Gebet fanden, und nahmen Arbeiten an, die wir nie getan hätten, wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre. Mein Mann nahm eine kleine Teilzeitarbeit an, bei der er Architektur unterrichtete, und diese Arbeit wuchs und wuchs mit der Zeit, bis sie für die nächsten 30 Jahre zur Haupteinkommensquelle unserer Familie wurde! Also entstand durch diese Erfahrung nur Gutes. Eine andere dieser kritischen Zeiten entstand zu dem Zeitpunkt, als ich gerade in die Heilpraxis der Christlichen Wissenschaft gehen wollte. Ich wusste, dass ich vorher deutlicher als je zuvor wissen musste, was es bedeutet, dass Gott unendlich ist. Als dieses Verständnis wuchs, veränderte es buchstäblich die gesamte Grundlage meines Denkens, langsam aber sicher. Unsere Lage stabilisierte sich und jedes Mitglied der Familie bewegte sich vorwärts in einen „umfangreicheren Wirkungskreis des Denkens und Handels", wie es in Wissenschaft und Gesundheit heißt (S. 265).
Das ist in Ihrem Leben ganz deutlich geschehen. Sie haben elf Jahre für den Vortragsrat der Christlichen Wissenschaft gearbeitet und in 22 Ländern auf der ganzen Welt Vorträge gehalten. Sehr erstaunlich. Welche neuen Perspektiven haben Sie in dieser Zeit gewonnen?
Wenn ich eine auswählen sollte, dann ist es das Verständnis, dass wir als Gottes Kinder alle eins sind. Wenn wir aufhören, die Menschen als Sterbliche mit einem bestimmten Hintergrund zu sehen, fangen wir an, direkt hindurch zu sehen zu den Söhnen und Töchtern Gottes. Dann können wir an einem neuen Ort, in einer neuen Kultur, aus dem Flugzeug steigen, und Menschen treffen, die wir noch nie vorher getroffen haben, und uns mit den Herzen der Menschen verbinden, ganz egal wo wir sind. Es ist wunderbar, die Stempel fallen zu lassen — kulturelle Stempel, nationale Stempel — und nur Brüder und Schwestern als Gottes universale Familie zu sehen. Und es verbindet uns augenblicklich.
Hatten Sie in all diesen Jahren einen besonderen Augenblick in einem Vortrag?
Ja, viele, hier einer davon: Es war mit einer Gruppe von Frauen in einem großen Gefängnis in den USA. Als ich dort ankam, wusste ich überhaupt nicht, was ich zu ihnen sagen würde — ich war noch nie in einer solchen Situation gewesen. Ich bereitete mich also einfach durch tiefgehendes Gebet vor, um einen kristallklaren Sinn über jeden von uns als Gottes geliebtes Kind zu erlangen. Als wir dorthin kamen, durch all die zufallenden Türen, durch die wir gehen mussten, stellte ich fest, dass ich mit dieser absoluten Liebe zu jeder einzelnen Frau erfüllt war. Ich fühlte mich dort wohl und das war das absolute Gegenteil dessen, was man sich vorstellen würde. Es war leicht, bei ihnen zu sein, mit ihnen zu reden, diese geistige Liebe auszudrücken. Es überraschte mich auch zu sehen, wie die göttliche Liebe arbeitet. Hinterher stellte ich fest, dass es buchstäblich unmöglich war, diese Frauen als Kriminelle zu sehen oder als jemand, der selber unter kriminellem Missbrauch zu leiden hatte. Sie waren für mich genauso Gotteskinder wie viele Hunderte anderer Menschen, die ich überall auf der Welt getroffen hatte. Und am Schluss war es sehr bewegend. Viele von den Frauen kamen auf mich zu, um mich zu umarmen, bevor sie den Raum verließen. Das hatte ich überhaupt nicht erwartet.
Das Kleinod, das ich aus dieser Erfahrung mitgebracht habe ist, wie wichtig es ist, diesen unverschleierten Blick auf jeden Menschen in jeder Lage festzuhalten. Stellen Sie sich vor, was geschehen würde, wenn wir dies in unseren Kirchen, Familien, Geschäftsbeziehungen, in der Politik und zwischen den Völkern tun würden. Wir haben in der Tat das Recht und die gottgegebene Fähigkeit dies zu tun – die Gesichter der Söhne und Töchter zu sehen und still, gedanklich, geistig, jede Maske zu entfernen, die diese Wirklichkeit verdecken will. Diese Sicht aufrechtzuerhalten würde buchstäblich unsere Familien, unsere Kirchen, unsere Regierungen und unsere Welt umwandeln. Und diese wertvolle Erfahrung erneuerte meine Hingabe, dies zu tun.
Für mich klingt es, als sprächen Sie von bedingungsloser Liebe.
Ja, und das Wort bedingungslos ist wirklich bemerkenswert. Wir können damit aufwarten und es klingt einfach. Aber, meine Güte, es ist tiefgreifend. Mary Baker Eddy sagte: „Das große Wunder, für die menschliche Auffassung, ist die göttliche Liebe, und die bedeutende Notwendigkeit des Daseins ist es, die wahre Idee von dem zu gewinnen, was das Himmelreich im Menschen ausmacht." (WuG, S. 560) Das Wunder der göttlichen Liebe ist, dass sie bedingungslos ist. Jesus sagte: „Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte." (Matthäus 5) Diese Liebe muss nicht verdient werden — sie ist bereits gegeben. Und jeder von uns hat die Fähigkeit, sie zu empfangen, sich mit ihr zu identifizieren, sie in sein Herz und sein Leben hinein zu lassen und zu erkennen, dass wir alle die Geliebten der Liebe sind. Und dann, wenn wir es ausweiten, sind dies alle Menschen, auf denen unsere Gedanken ruhen. Dies hat Mary Baker Eddy in ihrer Heilarbeit inspiriert. Und es wird berichtet, dass sie gesagt hat: „ich sah, wie die Liebe Gottes das Universum und den Menschen einschließt, allen Raum erfüllt und dass die göttliche Liebe mein eigenes Bewusstsein so durchdrang, dass ich alles mit christusgleichem Mitgefühl sah." (siehe We knew Mary Baker Eddy, S. 68)
Ich denke, es ist natürlich sich zu fragen, wie Gottes bedingungslose Liebe sich für uns auf praktische Weise auswirkt — sich zu fragen, wie göttliche bedingungslose Liebe zu greifbaren Änderungen und Verbesserungen der menschlichen Erfahrung führt.
Das ist eine ganz logische Frage. Ich bin der Meinung, dass einer der wichtigsten Schlüssel dazu, sich selbst und andere lieben zu können, darin liegt, einen Weg zu finden, um zu vergeben. Die Verletzungen, die sich in den Herzen der Menschen eingenistet haben, scheinen so oft dieses ganz besondere Licht zu verhindern. Aber wir müssen uns fragen, ob Vergebung wirklich nur bedeutet, dass ein Mensch einem anderen vergibt? Und genau an der Stelle machen die Menschen oft Halt — denn es scheint ihnen schlicht unmöglich! Aber wenn wir zum Kern kommen, ist es gar nicht das, worum es bei Vergebung hauptsächlich geht. Ich habe einmal eine Erfahrung durchlebt, die eineinhalb Jahre dauerte, aber durch die mir das bewusst wurde. Schließlich verschwand sie einfach und hinterließ das Gold nach dem Feuerofen. Ganz am Ende dieser Erfahrung stellte ich unter Tränen fest, dass ich für meine eigene Vergebung beten musste! Ich betete: Vater, vergib mir, dass ich mich und jedes andere deiner Kinder jemals als weniger denn gottgleich gesehen habe. Es war so ein tief greifendes Gebet und in mein offenes Herz floss die leuchtende Botschaft: Es gibt nichts zu vergeben. Und als ich meine Augen öffnete und die Tränen abwischte, wusste ich, dass überhaupt nichts Negatives mehr in meinen Gedanken war. Es war weggewischt worden und ich war frei! Diese Reinigung meines eigenen Denkens führte zu einer völligen Heilung eines sehr schwierigen und schmerzhaften Zustands, der mich geplagt hatte.
Ich höre von Ihnen heraus, dass Sie während dieser anderthalb Jahre unablässig studieren und beten mussten, mit der langsamen Übungsweise einer Pianistin, um dieses Problem zu lösen. Und Ihre Beharrlichkeit verband Sie mit einem anderen großen Rhythmus — dem großen Rhythmus der bedingungslosen Liebe Gottes, die Sie von dem Leid erlöste, das damit verbunden war, nicht zu vergeben.
Das haben Sie gut ausgedrückt — genau so war es. Denn während dieser harten Geduldsprobe war der Schmerz von Verletzung und Enttäuschung, dieses ganze Szenario, ohne jede Vorwarnung immer wieder wie ein Sturm in meinen Gedanken aufgetaucht. Ich musste diesen Gedanken der bedingungslosen Liebe Gottes immer wieder durcharbeiten, damit ich jedes persönliche Gefühl von Verletzung oder Angst entfernen konnte. Und schließlich dachte ich: Gut, es muss eine wunderbare Lektion für mein Leben darin stecken, die ich aus all dem lerne, weil es so lang gedauert hat. Und natürlich war es eine Lektion fürs Leben in Vergebung — nämlich meine eigene Vergebung zu erlangen! Es ist die Lektion, die wir in Wissenschaft und Gesundheit auf den ersten Seiten des Kapitels „Die Praxis von Christian Science" finden: „Wenn der Wissenschaftler genügend christliche Nächstenliebe hat, um seine eigene Vergebung zu erlangen ... dann ist er christlich genug, um wissenschaftlich zu praktizieren und liebevoll mit seinen Patienten umzugehen; und das Ergebnis wird seinem geistigen Bestreben entsprechen." (S. 365)
Möchten Sie uns noch einen letzten Gedanken mitteilen?
Ja, vielleicht diesen einen — dass es unendlich viele Wege gibt, durch die die Menschen die Liebe des Christus entdecken, ihren Weg zur Christlichen Wissenschaft finden, Heilung erleben. Die Lebensreisen der Menschen können große Unterschiede aufweisen, aber jeder Mensch hat den gleichen Wert und die gleiche Schönheit aus Sicht unseres himmlischen Vater-Mutter Gottes. Ich denke oft an den Menschen in der Apostelgeschichte in der Bibel, im dritten Kapitel, der an der Tür des Tempels sitzt, die die Schöne genannt wurde. Er dachte, er sei hilflos und könnte nur außen hineinschauen und sei ständig vom Guten ausgeschlossen. Aber Petrus und Johannes wussten, wer er aus Gottes Sicht war — dieser Mensch war ebenfalls der Sohn Gottes — und nachdem er geheilt war, sprang er auf und ging mit ihnen geradewegs in den Tempel hinein und jubelte! Und diese Geschichte lebt heute noch als der Beweis in unseren Herzen, dass wir alle unseren Platz in dem wunderschönen Tempel des Lebens haben. Nicht aufgrund der menschlichen Historie, sondern weil jeder von uns der Geliebte der Liebe ist und ein gleichberechtigter Erbe im Himmelreich.
