Der traditionelle christliche Standard der Pflege beruht auf Jesu Gleichnis vom barmherzigen Samariter. (Lukas 10) Die Botschaft dieses Gleichnisses liefert eine theologische Grundlage für die körperliche Pflege von Kranken. Der Schriftgelehrte, dessen Frage Jesu Beispiel ausgelöst hatte, hatte den Weg, auf dem ewiges Leben zu erlangen sei, zusammengefasst, indem er das Mosaische Gesetz zitierte: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst." Jesus hatte dieser Aussage zugestimmt.
Dann, als Antwort auf die anschließende Frage des Schriftgelehrten: „Wer ist denn mein Nächster?", hatte Jesus das Gleichnis vom barmherzigen Samariter vorgelegt. Allerdings sollte durch seine Zustimmung zur Zusammenfassung des Schriftgelehrten auch klar sein, dass Gehorsam gegen dieses zweite Gebot–den Nächsten zu lieben–logischerweise aus dem Gehorsam gegenüber dem ersten resultiert–nämlich Gott zu lieben. Der christliche Dienst des Pflegens beruht auf der göttlichen Hilfe. Dadurch, dass wir Gott dienen, empfangen wir geistige Unterstützung und erlangen die Stärke, einander zu helfen.
In Gottes vollkommener Schöpfung ist Harmonie unaufhörlich. Gottes Fürsorge und Pflege liegt in Seiner eigenen vollkommenen Liebe zu allem, was Er geschaffen hat, und durch die Er alles mit unendlichem Guten versorgt. Das geistige Verständnis der göttlichen Liebe ruft menschliche Hilfe hervor, die wiederum von der Kraft Gottes erfüllt ist.
Alle Bedürfnisse nach menschlicher Unterstützung sind zeitlich. Die fundamentale Wahrheit von des Menschen individueller, geistiger Vollständigkeit umfasst auch die Tatsache, dass in Wirklichkeit jeder von uns von Gott abhängig ist, und nicht von einem anderen Menschen. Und wir können uns alle an Gott wenden, um Hilfe zu erbitten und zu erhalten. Mary Baker Eddy sagt uns: „Niemand kann sich erlösen ohne Gottes Hilfe und Gott wird jedem Menschen helfen, der sein eigen Teil erfüllt. Auf diese und keine andere Weise wird jeder Mensch betreut und gesegnet." (Rückblick und Einblick, S. 86)
Christus Jesus liebte seinen Nächsten. Nachdem Mrs. Eddy die einfache Fassung seiner Lektionen, die als Bergpredigt bekannt sind, beschrieben hat, sagt sie: „In dieser Einfachheit und mit solcher Treue sehen wir Jesus den geistigen Bedürfnissen all derer dienen, die sich seiner Obhut anvertrauten, und unter der Gewalt seines eigenen vollkommenen Verständnisses führte er sie stets zur göttlichen Ordnung hin." (Rückblick und Einblick, S. 91) Was Jesus für seine Nachfolger tat, war greifbar, aber dennoch unverkennbar und gänzlich geistig. Seine Bemühungen stillten die jenigen, die seine Hilfe suchten, wurden geheilt, und diejenigen, die seine Lehren empfingen, wurden gerettet. Jesus bewies, dass unsere Bedürfnisse in Wirklichkeit geistig sind, nicht materiell, und dass Gott, Geist, uns mit der geistigen Unterstützung versorgt, die unsere Bedürfnisse vollständig stillt. Jesus lebte sein eigenes Gleichnis vom barmherzigen Samariter.
Jesu Geistigkeit beherrschte schlüssig sein menschliches Leben; sie befähigte ihn, das Wesen von Gottes Liebe deutlich zu machen. Er lehrte und lebte den Christus. Selbst in der Gegenwart von Unstimmigkeiten wusste er, was wahr ist, und durch sein geistiges Verständnis demonstrierte er die Allmacht Gottes, die den sterblichen Sinn zunichte macht. So wie dieses Verständnis schon Jesus in seinem geistlichen Amt versorgte, sichert es auch heute noch die geistige Pflege und Fürsorge. Das ist der Beweis von Gottes Fürsorge für uns. In dieser göttlichen Versorgung keine Unzulänglichkeit, kein Fehler, kein Versagen. Keine Konstruktion des sterblichen Glaubens hat die Fähigkeit, dem Christus zu widerstehen.
Des Meisters geistliches Amt der Pflege schloss das Heilen ein, allerdings wurde diese Fürsorge auch in seinen Lehren und Predigten deutlich. Heutzutage bieten die Aktivitäten der Kirche Christi, Wissenschaftler dasselbe vollständige geistliche Amt an. Jede Funktion der Kirche, die Eddy im Handbuch Der Mutterkirche festgelegt hat, ist eine fürsorgliche und pflegende Tätigkeit; das schließt die Bibellektionen (im Vierteljahresheft der Christlichen Wissenschaft), die Gottesdienste, die Leseräume, den Elementarunterricht, die öffentlichen Vorträge und die Arbeit der Christian Science Verlagsgesellschaft, mit ein. Und wir erhalten Pflege in ihrer höchst individuellen Form durch die Hilfe von christlichwissenschaftlichen Praktikern und Pflegern.
Pflege als Ausdruck der göttlichen Liebe befreit uns jedoch nicht von der sorgsamen Pflege für uns selbst, und die beginnt damit, dass wir auf unser eigenes Denken achten – keine geringfügige Aufgabe. Jeder neue Tag verlangt, dass wir die Tätigkeit unseres Denkens gestalten. Welche Gedanken wollen wir denken? Welchem Konzept des Lebens wollen wir die Ehre geben? Wenn wir den Tag mit Gebet beginnen, einschließlich des Studiums von Bibel und Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, von Mary Baker Eddy, dann erreichen und bewahren wir ein inspiriertes Verständnis unseres Einsseins mit Gott. Dann werden wir die Anforderungen, die an uns gestellt werden, mit geistiger Erleuchtung ausführen und wir werden weniger geneigt sein, uns durch Materialismus beeinflussen zu lassen.
Geistiges Verständnis befähigt uns, Gottes immergegenwärtige Fürsorge zu erkennen, aber auch dieses Verständnis bedarf der Pflege. Wenn unser Denken gründliche geistige Vorbereitung erfährt, dann wird alles, was wir selbst benötigen, um gut für uns selbst zu sorgen, in einen natürlich geordneten Zustand kommen.
Ein anderer Aspekt der Pflege ist der Auftrag, unseren Nächsten wie uns selbst zu lieben. Paulus verglich die Mitglieder der Gemeinde mit den Gliedern eines Körpers in Christus. Er sagte: „Aber Gott hat den Leib zusammengefügt und dem geringeren Glied höhere Ehre gegeben, damit im Leib keine Spaltung sei, sondern die Glieder in gleicher Weise füreinander sorgen." (1. Korinther 12)
Derjenige, der die Dienste einer Pflegerin der Christlichen Wissenschaft erbittet, nähert sich seinem menschlichen Bedürfnis von einem geistigen Standpunkt aus. Physische Pflege, die in Einklang mit den Glaubensinhalten des Patienten geschieht, unterstützt dessen geistiges Wachstum und unterstützt gleichzeitig die Behandlung durch den Praktiker. Christlich-wissenschaftliche Pflege erfordert Fähigkeit und Geschick, die sowohl durch eine solide geistige Entwicklung wie durch Training erreicht werden als auch durch hingebungsvolle Praxis. Die christlich-wissenschaftliche Pflege schließt die Lücke zwischen dem, was für den Patienten getan werden muss, und dem, was er tatsächlich selbst für sich tun kann–so lange, bis er wieder in der Lage ist, es selbst für sich zu tun.
Der sterbliche Sinn des Daseins hat ein anderes Konzept von Pflege. Menschliche Gefühle und Empfindungen bestehen darauf, dass die Veränderung oder Verbesserung der körperlichen Zustände notwendigerweise an erster Stelle steht und dass, angesichts eines körperlichen Problems, geistige Mittel erst an zweiter Stelle stehen oder sogar untauglich seien, um die Versorgung zu gewährleisten. Wenn jemand sich diesen Behauptungen unterwirft, dann stellt er sich selbst unter die Herrschaft der Materie. Dann werden die Anstrengungen, hilfreiche Pflege zu gewähren, durch diese Sterblichkeit gehemmt und die Angst des Kranken zehrt an seinen Ressourcen. Um wirklichen Beistand und echte Heilung zu erfahren, muss der Einzelne sein geistiges Bestreben wieder aufleben lassen, indem er zu Gott betet.
Derjenige, der die Dienste einer Pflegerin der Christlichen Wissenschaft erbittet, nähert sich seinem menschlichen Bedürfnis von einem geistigen Standpunkt aus.
Durch die Pflege des menschlichen Sinnes verändert die christlich-wissenschaftliche Demonstration sterbliche Konzepte. Und die Christliche Wissenschaft hat sowohl die Autorität als auch die Kraft, diese Veränderung in jeden Fall zu bringen. In Grundzüge der Göttlichen Wissenschaft schreibt Eddy: „Die Christliche Wissenschaft löscht aus den Gemütern der Kranken die irrige Vorstellung aus, dass sie in der Materie oder kraft derselben leben oder dass ein so genannter materieller Organismus die Gesundheit und das Dasein der Menschen beherrsche; und sie führt uns dazu, Ruhe zu finden in Gott, der göttlichen Liebe, die den Menschen mit allen Dingen versorgt, die für sein Wohlergehen erforderlich sind." (S. 12) Was diese heilende Tätigkeit wirklich erleichtert, ist korrekte und erfolgreiche Ausübung der Pflege.
Geistige Heilung und Wiederherstellung ist eine göttliche Maßnahme, die nicht durch menschliche Zustände oder sterbliche Ansprüche vereitelt werden kann. Physische Symptome werden durch den Gott-inspirierten Ausdruck unserer wahren, geistigen Natur unterworfen und besiegt.
Wenn eine Situation länger andauernde Pflege erforderlich macht, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass diese Pflege zu einem Stillstand in der Erfahrung führt. Nur die sterbliche, die falsche Auffassung vom Leben beansprucht, dass gewisse Umstände nichts anderes mehr seien als ein Dauerpflegefall oder aber dass pflegende Hilfe nicht geistig genug sei, um Fortschritt und Heilung zu unterstützen. Solange die menschliche Familie sich nicht über die Vorstellung von Dauerpflegefällen erhebt, werden wir diese meistern müssen. Jede Stufe der menschlichen Situation muss unter die göttliche Autorität gebracht werden.
Wenn jemand, den wir kennen, eine Herausforderung zu überwinden hat, dann sollte die Atmosphäre seiner Umgebung wissenschaftlich sein: nur reinen, vitalen und geistigen Aussagen sollte zugestimmt werden.
Wenn jemand, den wir Kennen, eine Herausforderung zu überwinden hat, dann sollte die Atmosphäre seiner Umgebung wissenschaftlich sein: nur reinen, vitalen und geistigen Aussagen sollte zugestimmt werden. Das ist weitaus hilfreicher als Überlegungen, wie jemand wohl zurechtkommen mag, hilfreicher, als Mutmaßungen über die mögliche Art des Leidens oder darüber, wie alt jemand womöglich ist. Die reine Atmosphäre exakten, wissenschaftlichen Denkens hält unsere theologischen Überzeugungen aufrecht–und das ist die Pflege und Fürsorge, die wir einander schulden.
Unsere Gedanken in der Gegenwart von Kranken zeigen unsere eigene geistige Stärke oder Schwäche. Sie tragen unausweichlich zu unserem Fortschritt bei oder aber sie führen zu einem Mangel an Fortschritt; und sie zeigen, bis zu welchem Grad wir den Sinn von Gottes Idee, dem Menschen, pflegen oder ob wir Fürsprecher eines sterblichen Konzeptes sind. Das Ziel von hingebungsvoller Pflege ist die zunehmende Überlegenheit über die Sterblichkeit, und zwar für die gesamte Menschheit.
Es ist nicht ungewöhnlich für diejenigen, die sich in der christlich-wissenschaftlichen Pflege engagieren, dass sie mit größeren Herausforderungen der menschlichen Erfahrung zu tun bekommen. Das sind meistens die besten Gelegenheiten, in denen sie am wirkungsvollsten helfen können, nämlich indem sie den Bedürfnissen sehr wirkungsvoll durch demonstrierte geistige Stärke begegnen. Allerdings möchte der menschliche Instinkt in solchen Fällen empfehlen, den Kontakt mit diesen größeren Herausforderungen möglichst zu vermeiden. Diese Argumentation würde auch gerne einflüstern, dass christlich-wissenschaftliche Pflege und die Arbeit eines Praktikers eher unattraktive Betätigungsfelder seien.
Sich den großen Anforderungen zu entziehen oder sich mit den gewöhnlichen Beschäftigungen des Materialismus zufrieden zu geben, könnte dazu führen, dass unsere metaphysische Entwicklung stagniert, und den Eindruck erwecken, als ob eine mysteriöse Kraft auf menschliche Schwierigkeiten übertragen wird. Die Bereitschaft, sich den großen Anforderungen zu stellen, lässt unser Verständnis durch die Erfahrung reifen und entwickelt unsere geistigen Fähigkeiten. Wir werden inspiriert, anderen Menschen durch schwierige menschliche Situationen hindurch zu helfen, weil wir sowohl die Gewissheit von der Unwirklichkeit des Bösen haben als auch die absolute Überzeugung, dass die Heilung unausweichlich ist.
Die größte Kenntnis der wahren Kraft, die in menschlichem Leben möglich ist, kommt durch geistige Demonstration und Heilung. Solche Erfahrungen lehren uns, dass Krankheit und Tod leere Drohungen sind. Sie sind keine furchtbaren Eventualitäten, die in der Lage wären, unsere Theologie (unsere Glaubensinhalte) zu verletzen. Der Lohn, den wir dafür erhalten, dass wir anderen helfen oder dass wir uns selbst diesen Herausforderungen stellen und dadurch unsere Glaubensinhalte auf jedem Schritt dieses Weges demonstrieren, ist großes geistiges Wachstum.
Durch solches Wachstum wird die Zahl derer zunehmen, die bereit sind, den Beruf eines Pflegers oder eines Praktikers der Christlichen Wissenschaft anzustreben. Und diese Art der Hingabe zu weiteren geistigen Fertigkeiten muss Gestalt annehmen, um die Bewegung der Christlichen Wissenschaft voranzubringen.
Die bloße Existenz von christlich-wissenschaftlichen Pflegediensten und -einrichtungen garantiert nicht automatisch die Erfüllung ihres Zweckes. Diese Garantie wird allein durch das Leben von einzelnen Christlichen Wissenschaftlern gegeben, die sich in der hingebungsvollen Praxis ihrer Theologie engagieren. Die Erfahrung und das geistige Verständnis von Pflegern und Praktikern der Christlichen Wissenschaft, von Patienten und vom gesamten Personal, bilden die gegenwärtige Struktur unserer Pflegeeinrichtungen. Das ist der „Stahl", der im Sturm unerschütterlich ist. Er unterstützt jeden Einzelnen und alle zusammen in der fortschreitenden Demonstration der Unsterblichkeit des Menschen.
Es gibt viel zu tun auf der Strecke der geistigen Entwicklung, wenn wir in größerem Maße christliche Heilung für die Menschheit erlangen wollen. Es kann getan werden und es wird getan werden. Es muss getan werden, damit die göttlichen Forderungen erfüllt werden. Jeder Student, der eine sich weiter entwickelnde, tägliche Praxis der Christlichen Wissenschaft aufrecht hält, trägt dazu bei, ein Klima des Denkens zu schaffen, das zunehmend Heilung bringt. Es ist erforderlich, dass das menschliche Bewusstsein mehr erwartet und inspiriert ist, nach mehr zu streben.
Menschliche Wohlfahrt ist beides, eine individuelle und eine kollektive Demonstration. Sie beinhaltet unsere Beziehungen zueinander, ruht aber tatsächlich auf der individuellen Beziehung zu Gott. Liebe zu Gott ist es, die uns antreibt, unsere geistigen Fähigkeiten im Christus-Heilen zu entwickeln. Durch diese Entwicklung wird die Liebe, die wir für unseren Nächsten empfinden und die das tiefe Streben zu helfen in sich trägt, die Geißel von Krankheit und Tod von der menschlichen Familie nehmen, und sie wird in immer zunehmenden Beweisen der göttlichen Wissenschaft manifestiert.
Erstmals veröffentlicht in der Juli Ausgabe 1982 des Christian Science Journal
