Im März 2016 erhielt ich durch zwei Aussagen in Mary Baker Eddys Buch Rückblick und Einblick ein besseres Verständnis von der Reichweite und dem Umfang der Christlichen Wissenschaft. Es geht darum, dass 1. die Erkenntnis Gottes die eine große und immer-gegenwärtige Erlösung von menschlichem Weh ist und dass 2. sich das Motiv hinter Mrs. Eddys Arbeit nie änderte, nämlich „die Leiden der Menschheit durch ein Heilverfahren zu lindern, das eine jede Reform sittlicher und religiöser Art einschließen sollte“ (S. 31 bzw. 30).
Als ich diese beiden Aussagen betrachtete, erkannte ich, dass ich in meinen Bemühungen, für die Menschheit zu beten, zu halbherzig vorgegangen war. Bis dahin hatte ich nicht verstanden, welchen Bezug solch ein selbstloses Gebet auf meinen eigenen Lebenssinn und -zweck hatte. Ich begriff nun, dass meine Gebete sich über meinen eigenen Horizont erweitern und durch christusgleiches Verständnis bei anderen Erlösung von menschlichem Weh bewirken konnten.
In der Zeit wurde meine Aufmerksamkeit von Freunden, die Lehrer sind, auf einige der enormen Bedürfnisse von Kindern in den Schulen gerichtet – Kinder, die unter starker Einsamkeit und Traurigkeit leiden, sich unterlegen und unzulänglich fühlen oder gemobbt werden. Als ich mir dieser Bedürfnisse stärker bewusst wurde, beschloss ich, für die Kinder der Welt zu beten.
Ich betete morgens und abends und gründete meine Gebete zunächst auf Mrs. Eddys Aussage in Kanzel und Presse: „… ein jeder der Geringsten Christi spiegelt den unendlichen Einen wider ...“ (S. 4) sowie auf die geistige Definition von Kindern im Glossar von Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mrs. Eddy: „Die geistigen Gedanken und Repräsentanten von Leben, Wahrheit und Liebe“ (S. 582). Ich bekräftigte, dass jedes Kind, wo immer es auch sein mag, ewiglich von unserem gemeinsamen Vater-Mutter-Gott geliebt und behütet wird. Diese Zeiten am Morgen und Abend wurden mir mit jedem Tag wichtiger. Es kam mir vor, als erfüllte ich einen ganz besonderen Auftrag und fände einen Zweck für mich, der meinem Leben mehr Zufriedenheit und Freude bescherte.
Ich erkannte, dass ich in meinen Bemühungen, für die Menschheit zu beten, zu halbherzig vorgegangen war.
Manchmal machte sich ein alter menschlicher Zweifel breit: „Wie kannst du sinnvoll für Kinder in zehntausenden Schulen beten, die du weder kennst noch je gesehen hast?“ Doch jetzt verstehe ich, dass Gebet für eine große Anzahl an Menschen absolut wirksam sein kann. Das göttliche Gemüt ist unendlich und sieht keine namenlosen Millionen, sondern kennt jede einzelne seiner unschuldigen, stets vollkommenen Ideen, die niemals von diesem Gemüt getrennt sein könnten. Und das Gemüt, die Wahrheit, löst die Grenzen von Raum und Zeit auf und kommuniziert mit jedem von uns, egal wo auf der Welt wir uns befinden. Die Bibel versichert uns, dass Gott stets bereitsteht, um zu retten: „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und das Firmament verkündet das Werk seiner Hände. Ein Tag sagt es dem andern, und eine Nacht tut es der andern kund – ohne Sprache und ohne Worte; unüberhörbar ist ihre Stimme. Ihr Schall geht aus in alle Länder und ihre Rede bis ans Ende der Welt“ (Psalm 19:2–5).
Eine große Hilfe bei diesen Gebeten war das Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, das ich oft wahllos aufschlug, um inspirierende und erhebende Ideen zu finden, die mir versicherten, dass Gott fähig ist zu trösten und zu heilen. Wenn ich mit diesen Liedern betete, änderte ich häufig Kleinigkeiten, um diejenigen, für die ich betete, deutlicher zu kennzeichnen. In Lied Nr. 76 änderte ich beispielsweise den Singular in Plural:
Kann ein Weib [die Kinder] vergessen?
Und erbarmt nicht [ihrer] sich?
So ist Gottes große Liebe,
Sie beschützt und führet [sie].
(Johannes Heermann, adaptiert und übersetzt © CSBD)
Eins meiner liebsten kurzen „Gebete“ im Liederbuch ist aus Lied Nr. 81: „Gott ist bei mir [ihnen], Seine Gnade sanft wie Flügel decket mich [sie]; / klar ist mir [ihnen] Sein Weg bezeichnet, Seine Hand führt väterlich“ (Theodore C. Williams). Wenn ich mit diesen und anderen Wahrheitsgedanken aus dem Liederbuch betete, schloss ich die Augen und wiederholte die Worte langsam in dem Verlangen, die Gegenwart und heilende Macht des Christus zu fühlen.
Diese Zeiten des konkreten Gebets führten mich außerdem dazu, die Not der Millionen an Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan, dem Irak, dem Jemen und anderen Kriegsgebieten zu erkennen, über die wir so viel lesen und hören und die alles verloren haben. Ich war monatelang betrübt über die Situation dieser Flüchtlinge gewesen und erkannte wiederum nur langsam, dass ich darüber beten konnte. Also fügte ich die Flüchtlinge der Welt zu meinen Gebeten am Morgen und Abend hinzu, und das hat sich als sehr erfüllend erwiesen.
Dank dieses neuen, tieferen Verständnisses von selbstlosem Gebet kann ich die Fähigkeit wertschätzen, die Bedürfnisse anderer intuitiv zu erkennen und mit christlicher Anteilnahme darauf zu reagieren. Christliche Wissenschaftler, die die Disharmonie und Schmerzen der Menschen durch eine Kenntnis von Gott lindern möchten, wenden sich Ihm zu, um im Stillen Seine allumfassende Fürsorge als die Wirklichkeit zu erkennen. Sie weisen außerdem den hartnäckigen Glauben an Schmerzen, Sorgen und Mangel – wie auch immer sich die Disharmonie äußern mag – mit dem Wissen zurück, dass Probleme und Sorgen kein wahrer Teil von Gottes Kindern sind, denn sie können nicht das Ergebnis eines Schöpfers sein, der all-liebend und ausschließlich gut ist. Diese Art von Gebet hat die heilende Macht Gottes hinter sich.
Ich bin dankbar, dass die Christliche Wissenschaft mir zeigt, wie ich hingebungsvoller und regelmäßiger für die Welt beten kann. Sie versichert uns, dass Christus, Wahrheit, eine ewige, pulsierende Gegenwart ist, die die Menschheit und die Erde ständig umgibt und jeden menschlichen Bedarf jederzeit mit seiner zärtlichen Liebe erfüllt.
