Solange ich denken kann, kamen meine Mutter und ich nicht miteinander aus. Wir waren nie einer Meinung und machten negative Bemerkungen über einander. Selbst wenn wir gemeinsam etwas unternehmen wollten, konnten wir uns nicht einigen. Unsere Beziehung funktionierte einfach nicht.
Ich wandte mich immer weiter von ihr ab, was noch mehr Spannungen und Ressentiments hervorrief. Die meiste Zeit kam es mir vor, als ob ich überhaupt keine Mutter hatte, und das Gefühl wurde mit den Jahren immer stärker.
Ich betete über andere Sachen im Leben, und aus diesen Erfahrungen in der Christlichen Wissenschaft wusste ich, dass Gebet wirksam ist. Daher gab es Zeiten, in denen ich wirklich versuchte, über die Situation mit meiner Mutter zu beten. Ich hatte die Gewohnheit, mir ein paar Ideen aus der Bibel und Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy aufzuschreiben, die mir halfen, geistiger und konstruktiver über die Situation zu denken. Manchmal wurde alles ein paar Tage lang besser, aber der Fortschritt schien nie von Dauer zu sein. Als ich dann die Sommerferien vor der 10. Klasse zu Hause verbrachte (ich ging auf ein Internat), beschloss ich, die Situation ganz und gar durch Gebet zu handhaben.
Ich setzte mit einer Stelle aus 1. Korinther an, wo Paulus schreibt: Die Liebe „erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles“ (13:7). Diese Stelle half mir, wenn meine Mutter und ich uns stritten. Sie machte mir bewusst, dass Liebe – echte Liebe, die von Gott, der göttlichen Liebe, kommt, nicht schwächlich, wackelig oder unzuverlässig ist. Sie ist verlässlich, denn ihre Quelle ist unendliche, allgegenwärtige göttliche Liebe. Das machte mir Hoffnung, dass meine Mutter und ich eine liebevolle Beziehung haben könnten.
Und ich betete, um das Gefühl zu überwinden, gar keine Mutter zu haben. Eine Stelle, die mir dabei half, war von Mary Baker Eddy, der Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft. Sie lautet: „Gott ist unser Vater und unsere Mutter, unser Seelsorger und der große Arzt. Er ist der einzig wirkliche Verwandte des Menschen im Himmel und auf Erden“ (Vermischte Schriften 1883–1896, S. 151). Dieser klare Gedanke half mir zu erkennen, dass es unmöglich wäre zu fühlen, ich hätte keine Mutter, weil Gott meine Mutter ist. Gott ist allgegenwärtig – eine mütterliche Gegenwart, die immer bei mir ist. Und mein Vater-Mutter-Gott kann mich ebenso wenig verlassen, wie ich Ihn-Sie verlassen kann. Ich wurde durch die geistige Erkenntnis sehr getröstet, dass mir in Wahrheit nie etwas gefehlt hatte – dass ich immer alles hatte, was ich brauchte.
Als ich den Sommer über standhaft mit diesen Ideen betete, besserte sich meine Beziehung zu meiner Mutter. Ich fing an, ihr gegenüber etwas offener zu sein ... und mich ein bisschen weniger über sie zu beklagen.
Ich erzählte meinen Freunden, die auch Christliche Wissenschaftler sind, von den Fortschritten bei dieser Heilung, und sie trugen weitere Ideen bei. Jemand empfahl mir z. B. diese Stelle: „Kann denn Hohes oder Tiefes, oder irgendeine andere Kreatur dich scheiden von der Liebe, die das allgegenwärtige Gute ist – die unendlich segnet, einen und alle?“ (Vermischte Schriften, S. 8). Je mehr ich begriff, wie wahr diese Idee ist, desto stärker war die Liebe, die ich fühlte. Ich konnte auf mein Leben und Zeiten zurückblicken, wo ich eine typische Mutterfigur brauchte, und erkennen, dass ich das die ganze Zeit gehabt hatte. Gottes Mütterlichkeit war immer bei mir gewesen. Obwohl sie nicht jedes Mal die Form meiner eigenen Mutter angenommen hatte, gab es immer Menschen in meinem Leben, die mich in die Arme genommen und geleitet hatten. Diese Erkenntnis brachte viel Erleichterung und Frieden mit sich.
Die 10. Klasse war aus vielen Gründen ein sehr gutes Jahr für mich, aber eine wichtige Ursache war die zunehmend gesunde, liebevolle Beziehung zu meiner Mutter. In der 11. Klasse besuchte sie mich sogar im Internat, und einmal beschlossen wir dabei, allein spazieren zu gehen. Unterwegs bewegte sich unser Gespräch vom Thema Schule zu unserer Beziehung. Es war nicht das erste Mal, dass wir so eine Unterhaltung hatten, doch sonst hatte ich das Thema immer aufgebracht – indem ich sie anschrie und ihr die Schuld an allem gab, das mir passiert war. Diesmal brachte sie das Thema auf und entschuldigte sich gleich am Anfang. Das erstaunte mich! Ich hätte das nie von ihr erwartet. Für mich war es ein Beweis dafür, dass meine Gebete wirklich uns beide berührt hatten.
Ich bin sehr dankbar für alles, was ich bei dieser Heilung gelernt habe, und ich freue mich darauf zu entdecken, wie sich meine Beziehung zu meiner Mutter noch erweitert.