Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer
Original im Internet

Können wir unsere Feinde wirklich lieben?

Aus der Oktober 2023-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 15. Juni 2023 im Internet.


Die Welt scheint von guten und schlechten Menschen bevölkert zu sein. Die guten Menschen sind logischerweise diejenigen, die unsere Ansichten teilen, die schlechten hingegen teilen sie nicht. Eine Wir-gegen-Euch-Mentalität rechnet die Menschen auf unserer Seite dem Kreis der Freunde und Verbündeten zu, während die auf der anderen Seite als gegnerisch oder gar feindlich betrachtet werden.

Und dann gibt es noch diejenigen, die uns und anderen Schaden zufügen – die, wie Jesus es ausdrückte, „euch fluchen, ... hassen, ... beleidigen und verfolgen“ (Matthäus 5:44).

Wie gehen wir also mit Menschen um, die sich uns gegenüber gegnerisch verhalten? Mary Baker Eddy, die Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft, befasst sich in einem Essay mit dem Titel „Liebet eure Feinde“ mit diesem Thema. Sie beginnt mit der Frage: „Wer ist dein Feind, dass du ihn lieben solltest? Ist er ein Geschöpf oder ein Etwas, das du dir nicht selbst geschaffen hast?“ (Vermischte Schriften 1883–1896, S. 8). Der Essay sagt weiter, dass wir unsere eigenen Feinde durch unsere Denkweise schaffen. Wir glauben, dass die Feindin oder der Feind irgendwo ist – dass eine oder gleich mehrere Personen eine objektive Existenz haben, die uns Schaden zufügen kann. Aus dem Text geht hervor, dass diese Art von Feindschaft in Wirklichkeit nur in unserer Wahrnehmung existiert.

Auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene gibt es alle möglichen Hinweise auf die verschiedensten „schlechten Menschen“. Probleme werden durch die Taten eines Menschen oder einer Gruppe hervorgerufen, den bzw. die wir dafür verantwortlich machen können.

Doch diese Denkweise ist fehlerhaft. Christus Jesus wies uns in seiner Bergpredigt an, unsere Feinde zu lieben. Er gibt uns weder eine Wahl, noch sagt er, dass wir auf die richtigen Umstände warten sollen. Er sagt unmissverständlich: „Liebt eure Feinde, segnet, die euch fluchen, tut denen Gutes, die euch hassen, betet für die, die euch beleidigen und verfolgen.“

Jesus macht deutlich, dass dies nicht die gegenseitige Liebe zwischen Angehörigen und Freunden ist, die er uns hier aufträgt, sondern die universale Liebe, die Gott zum Ausdruck bringt. Er sagt, dass unser himmlischer Vater „seine Sonne aufgehen [lässt] über die Bösen und über die Guten und lässt es regnen über die Gerechten und die Ungerechten“ (Matthäus 5:45).

Wie können wir so unvoreingenommen lieben? Wie Mrs. Eddy erklärt, ist es nicht nötig, dass wir einen sündigen Menschen lieben. Das hieße, Streitlust oder Betrügerei zu billigen. Um dieses Problem zu lösen, müssen wir den Unterschied zwischen den Informationen erkennen, die wir mit den materiellen Sinnen aufnehmen, und der Wahrheit, die uns durch den geistigen Sinn erreicht.

Die materiellen Sinne vermitteln Bilder materieller oder falscher Umstände – wie Betrug, Tod und Zerstörung – zusammen mit der Angabe, wer genau der „schlechte Mensch“ ist. Doch das sind keine Bilder der Welt, wie Gott, Geist, sie erschaffen hat. Es sind falsche Eindrücke und wurden durch eine vorgebliche Mentalität produziert, die außerhalb Gottes, des einen göttlichen Gemüts, liegt. Um das wahre Bild der Wirklichkeit zu erlangen, müssen wir das aufnehmen, was der geistige Sinn uns sagt – die Fähigkeit eines jeden, sich Gottes, des Guten, und Seiner vollkommenen, geistigen Schöpfung bewusst zu sein.

Das unendliche, göttliche Gemüt drückt seine Güte durch das im Menschen aus, was man als Gott-ähnliche Qualitäten bezeichnen könnte – Integrität, Großzügigkeit, Anteilnahme, Ehrlichkeit usw. Diese göttlichen Attribute machen die wahre Identität eines jeden von uns als Gottes Schöpfung aus.

Die Christliche Wissenschaft zeigt uns, dass wir selbst entscheiden können, welche Arten von Informationen wir über uns und andere annehmen: die materielle Einschätzung der Menschheit als selbstsüchtig, unehrlich, ungerecht und des Bösen fähig, oder die geistige Einschätzung des Menschen als Gottes Schöpfung: intelligent, liebevoll, gerecht, rein und nur des Guten fähig.

Ich musste vor vielen Jahren solch eine Wahl treffen, als ich mit jungen schwarzen und weißen Studentinnen und Studenten an einem Projekt arbeitete, das der Überwindung von Rassismus dienen sollte. Die anderen Beteiligten und ich mussten für mehrere Teile des Projekts die Genehmigung der Stadt einholen, doch ein Mitglied der Stadtverwaltung, das es sich zur Mission gemacht zu haben schien, das Projekt zu verhindern, erhob immer wieder Einspruch. Er machte sogar eindeutig rassistische Äußerungen. Meine erste spontane Reaktion war, diesen Mann als unseren Hauptgegner zu betrachten.

Ich betete um Gottes Führung und wurde dazu inspiriert, mich mit dem Essay „Liebet eure Feinde“ auseinanderzusetzen. Doch ich konnte mich nicht mit der Vorstellung anfreunden, dass ich meine eigenen Feinde schuf. Dieser Mann klang und verhielt sich wie unser sehr echter Feind. An dieser Stelle empfahl mir ein guter Freund, dem aufgefallen war, wie wenig ich in meinen Bemühungen vorankam, diesen Feind zu lieben, etwas, das sich auf die Praxis des Heilens bezog, das im Kern der Christlichen Wissenschaft steht: Er sagte, ich sollte mir vorstellen, dieses Mitglied der Stadtverwaltung hätte mich gebeten, hinsichtlich eines ernsten Problems mit ihm zu beten.

Das änderte alles. Natürlich! Wenn dieser Mann mich gebeten hätte, für ihn zu beten, hätte ich das Bild von ihm als einem Sterblichen, der an einem materiellen Problem leidet, sofort zurückgewiesen. Ich hätte stattdessen dankbar die geistigen Eigenschaften anerkannt, von denen ich wusste, dass sie ihm als Kind Gottes zu eigen sind – und als solches konnte ich ihn nur lieben.

Jetzt machte es Sinn, die selbstgeschaffene Feindschaft mit dem Mann aufzugeben und dessen wahre, Gott-ähnliche Identität zu achten. Mir kam der Gedanke, ihn zu einer Aktivität des Projekts einzuladen. Erst zögerte er, doch dann nahm er an. Man sah, dass er sich anfangs unwohl fühlte, aber er gab nach und nach seine Vorbehalte auf und machte mit.

Das war der Anfang einer wirklich hilfreichen Beziehung. Als Nächstes hatten wir Schwierigkeiten, die nötige Baugenehmigung zu erhalten, doch unser neuer Alliierter in der Stadtverwaltung half uns, diese Hürde zu überwinden. Das war ein Konflikt mit einem guten Ende: Das Ergebnis war eine bleibende Freundschaft.

Unsere Feinde zu lieben kann als große Herausforderung erscheinen, und es ist mir nicht immer gelungen, falsche Charaktereigenschaften zu durchschauen, um die göttliche Identität zu erkennen. Doch „Liebet eure Feinde“ erklärt, dass wir, wenn wir straucheln – wenn wir die Vorstellung, einen echten Feind zu haben, nicht als Lüge erkennen –, wieder aufstehen, „stärker als vor dem Straucheln. Die Guten können ihren Gott, ihre Hilfe in Zeiten der Not, nicht verlieren“ (S. 10).

Unser Ziel liegt nicht darin, Menschen als fehlerhafte Personen zu lieben, sondern das Denken zu der Erkenntnis vom Menschen als Gottes geistigem Bild und Gleichnis zu erheben. Wenn wir von dieser neuen, zutreffenden Perspektive ausgehen, ist es einfach und natürlich, auch unsere Feinde unvoreingenommen und universal zu lieben. Diese Art von Liebe zu lernen hat mir nicht nur geholfen, viele Probleme erfolgreich zu lösen, sondern war eine der Lektionen in meinem Leben, die mich am meisten inspiriert und verändert haben.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / Oktober 2023

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.