Der Himmel, der sich mit den aufkommenden Wintersturm zuzog, passte gut zu meiner zunehmend düsteren Laune. Ich war im vierten Semester und fühlte mich von allen Seiten angegriffen. Eine Freundin und ich teilten uns ein Zimmer, doch uns war noch eine dritte Studentin zugewiesen worden, die alles dominierte und den Wunsch in mir weckte, woanders zu sein. Neben den beliebten Leuten auf dem Campus fühlte ich mich minderwertig und ignoriert. Und ich hatte Heimweh.
Zu alledem hatte ich Unmengen an Hausaufgaben und kämpfte nun auch noch mit einer aufkommenden Halsentzündung. Ich kannte die Symptome nur zu gut und fürchtete, jetzt wochenlang aussetzen zu müssen. Doch ich dachte, wenn ich bis Sonntagabend wieder gesund wäre, dann ginge es.
Ich hatte das Glück, ein College für Christliche Wissenschaftler zu besuchen, und an dem Freitagnachmittag meldete ich mich in dem Cottage an, wo während des Semesters rund um die Uhr Pflegerinnen und Pfleger in der Christlichen Wissenschaft bereitstehen. Diese Personen stellen die körperliche Pflege bereit, die ich brauchte, und unterstützen gleichzeitig meine geistige Herangehensweise ans Heilen, nämlich Gebet. Als ich mich dort meldete, wurde ich sehr liebevoll von einer Pflegerin begrüßt. Ich erzählte ihr von meinem Plan, hoffentlich bis Sonntagabend wieder obenauf zu sein, und sie sagte mir, dass man in dem Cottage übernachten kann, solange man eine Praktikerin oder einen Praktiker der Christlichen Wissenschaft um Hilfe durch Gebet bittet.
Ich hatte noch nicht sehr oft mit Praktikern gearbeitet, doch mir fiel eine Frau ein, mit der mein Vater öfter gearbeitet hatte. Ich rief an und beschrieb die Situation: Ich war im College, fühlte mich krank und wollte keine Seminare verpassen. Ich dachte, dass sie in dem Moment etwas sagen würde, vielleicht eine geistige Idee oder so, damit ich wusste, wie ich beten sollte. Doch das tat sie nicht, also redete ich weiter. Ich erklärte, dass ich in Hausaufgaben erstickte, und welche Probleme ich mit meiner Zimmergenossin hatte. Die Praktikerin sagte immer noch nichts.
Schließlich redete ich über schrecklich persönliche Dinge: Ich fühlte mich außerdem unsicher, denn andere, die schicke Klamotten oder reiche Eltern hatten, sahen mich immer abschätzig an. Ich fühlte mich isoliert, ungeliebt und hatte Heimweh.
Es kam mir sehr lange vor, bis von der Praktikerin etwas kam. Dann sagte sie in der liebevollsten Stimme, die ich je gehört hatte: „Weißt du, das ist doch alles nichts als Müll.“
Müll?! Ich konnte es nicht glauben. Und was war mit meinen schrecklichen, fürchterlichen Problemen? All meinen Ängsten und Sorgen?
Und dann wurde ich wütend! Wie konnte sie sowas zu mir sagen! Es sei denn, dachte ich auf einmal, sie redete aus geistiger Perspektive. Es sei denn, sie wusste, dass Gott, göttliche Liebe, und die Zuneigung der Liebe zu mir all diese Probleme ... unmöglich machten?
Da musste ich laut lachen! Während ich darauf gewartet hatte, dass die Praktikerin etwas sagte, hatte sie eifrig gebetet und auf Gott gelauscht. Statt von meinem inneren Orkan beeindruckt zu sein, hatte sie an dem festgehalten, was geistig zutraf: Die absolute Herrschaft der Liebe bedeutete, dass ich geliebt, sicher und wertgeachtet war, genau wie alle anderen.
Das Fieber verschwand sofort. Die Praktikerin und ich beendeten das Gespräch und innerhalb einer Stunde waren die Halsschmerzen und anderen Symptome verschwunden. Ich konnte es nicht fassen. Ich rief die Praktikerin zurück, um mich zu bedanken, und verbrachte den restlichen Abend damit, in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy sowie der Bibel zu studieren, mir Kirchenlieder anzuhören, mich auszuruhen und einfach dankbar zu sein.
Am Morgen verließ ich das Cottage. Der Sturm hatte sich verzogen und es war ein schöner, kalter, sonniger Tag. Gegenüber lag der Tennisplatz unter einer frischen Schneedecke.
Mir kam ein Gedanke: Ich könnte dort meinen Namen in großen Lettern in den Schnee schreiben. Sofort war kurz die alte Unsicherheit da, das Gefühl, „weniger als“ die anderen wert zu sein. Es flüsterte: Jemand könnte fragen: „Was fällt dir ein?“ Und dann kam mir ein schöner Gedanke von Gott zu Hilfe: Ist doch egal, was andere denken oder sagen. Das wird Spaß machen. Ich fühlte mich so geliebt und frei und schrieb mit den Füßen meinen ganzen Namen quer über den Tennisplatz. Das machte wirklich Spaß und sah überdies klasse aus.
Von dort ging ich auf mein Zimmer. Ich begegnete einer Studentin, die ich kaum kannte, die mich aber immer abfällig angesehen hatte. Ich lächelte sie fröhlich an. Sie blieb stehen und fragte: „Was ist denn mit dir passiert?“ Also erzählte ich ihr von der Heilung. Sie war beeindruckt und bedankte sich bei mir mit den Worten, dass es ihr auch geholfen hatte. „Du strahlst richtig“, sagte sie. Ich hatte die plötzliche Erkenntnis, dass das hier – die Heilung – den Leuten wichtig war, nicht welche Klamotten man anhatte oder wie beliebt man war. Ich verstand außerdem, dass die Art, wie Leute mich ansahen, vermutlich viel damit zu tun hatte, wie ich sie ansah, also beschloss ich, meine Kommilitonen in einem liebevolleren Licht zu sehen.
Als ich in mein Wohnhaus kam, sah ich die anderen Studenten herumlaufen: gesenkter Blick, Winterstiefel und schwere Taschen. Ich dachte voller Liebe, dass sie mich nicht ignorierten; jeder tat einfach sein Bestes. Ich begriff, dass ich helfen konnte, das Haus mit Liebe zu füllen, indem ich Gott bat, mir zu helfen, verständnisvoller zu werden, statt alles so persönlich zu nehmen.
Meine jüngere Zimmergenossin hatte wieder ihre Sachen herumliegen lassen. Zum ersten Mal war ich nicht genervt, sondern verstand, wieso sie mit uns das Zimmer teilte. Die Hausmutter hatte sie meiner Zimmergenossin und mir zugeteilt, damit wir ihr halfen. Sie war im ersten Semester, und das war ihr erster Winter weg von zuhause. Ich konnte liebevoller sein und notfalls auch woanders lernen. Die alten egoistischen, ich-bezogenen Gefühle verschwanden, als ich verstand, dass es wichtiger war, mehr von der göttlichen Liebe auszudrücken, die mich geheilt und erhoben hatte.
Der Winter war weiterhin kalt, ich war weiterhin weit weg von zuhause und der Hausaufgabenberg war unverändert groß. Aber trotzdem war alles anders. Mein innerer Sturm war vorüber und es kam mir vor, als sähe ich alle, mich eingeschlossen, mit neuen Augen. Und zum ersten Mal wusste ich wirklich, dass ich um meiner selbst willen geliebt und geachtet wurde – und dass wir alle das sind.