„Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leibe getauft, wir seien Juden oder Griechen, Knechte oder Freie, und sind alle zu einem Geist getränket.”
Die Thatsache, daß der Geburtsort des Kopernikus auch der meinige war, gewährte mir stets große Befriedigung. Oft stand ich an dem Fuße seines Denkmals und bewunderte den Mut des großen Astronomen, welcher wagte, die falschen Ideen umzustürzen, die die Welt von den Planeten hegte. Wie gering war aber seine Mission im Vergleiche mit der unserer teuren Leiterin, welche uns in „Science and Health“ die Schlüssel des Reiches gibt, und uns den Weg in das unerforschte Land des Geistes zeigt.
Von jüdischen Eltern geboren und in deren Glauben erzogen, hatte ich nie Gelegenheit, mit dem Leben und den Lehren des Heilandes bekannt zu werden. Für viele Generationen wurde den jüdischen Kindern große Angst vor ihm eingeflößt. In dem Hause meiner Eltern wurde es uns verboten, seinen Namen über unsere Lippen schlüpfen zu lassen. Oft grübelte ich im stillen darüber nach, was Jesus nur verbrochen haben könnte, um so viel Bitterkeit zu erregen. Zuweilen wanderte ich heimlich nach der Religionsschule meiner christlichen Freundinnen, in der Hoffnung, in dieser Sache aufgeklärt zu werden. Ich wurde bald davon überzeugt, daß er nur die Erlösung der Menschheit im Sinne hatte. Die jüdische Religionsschule gab mir nur Hülsen, und ich verließ die Schule stets unbefriedigt.
Nachdem ich in dem Seminar das Lehrerinnenexamen abgelegt hatte, verließ ich mit meinen Eltern Deutschland; wir wanderten nach Amerika aus. Hier trat ich bald in den Ehestand, und damit fingen meine Leiden an. Von einem heiteren, sorgenfreien Mädchen wurde ich bald in eine düstere, sorgenvolle Frau verwandelt, und für mehrere Jahre sah ich nur die dunkelsten Seiten des Lebens. Der Tod entriß mir zwei Kinder, und darauf folgte der gänzliche Verlust meiner Gesundheit. Mein Mann stellte die besten Ärzte an. Sie behandelten mich lange vergebens. Als letztes Mittel schickten sie mich nach Kalifornien. Das Klima, von dem sie so viel hofften, hatte nicht den geringsten Einfluß auf meine Gesundheit. In meiner Verzweiflung ging ich zu einer sogenannten Christian-Science-Heilerin und ließ mich von ihr behandeln. Zuerst besserte ich mich, und kehrte dann in voller Hoffnung nach Denver zurück. Doch in kurzer Zeit erschienen wieder all die alten Symptome des Magenleidens und der Nervenschwäche. Mein Zustand verschlimmerte sich täglich.
Endlich fiel der erste Lichtstrahl in mein Leben. Gott leitete mich zu einer anderen Praktikerin der Christian Science (d. h. christliche Wissenschaft), die mich im April 1895 in einer Klasse lehrte. Mein ganzes Leben war von dieser Zeit wie verwandelt. Ein unsäglicher Hunger nach der Gerechtigkeit erfaßte mich. Mein Gemüt, das vorher mit Selbstsucht, Ärger und Bitterkeit erfüllt war, wurde allmählich geläutert, und so fand ich wieder Gesundheit und Frieden. Ich wurde ein Mitglied der Mutterkirche und der Christian-Science-Kirche in Denver. Mein tägliches Gebet ist, mehr von dem göttlichen Geiste zu besitzen, damit mein Heim stets eine Stätte der Eintracht und des Friedens sein möge, und hier nichts wie dieser göttliche Haussegen widerhallen möge:
Wo Glaube, da Liebe,
Wo Liebe, da Friede,
Wo Friede, da Segen,
Wo Segen, da Gott,
Wo Gott, keine Not.
Denver, Col., U. S. A.