„Die Geduld aber soll fest bleiben bis ans Ende, auf daß ihr seid vollkommen und ganz, und keinen Mangel habet.” (Jak. 1:4.)
Ungeduld übersieht nur flüchtig das Arbeitsfeld, macht das Werk halb fertig, und das Resultat ihrer Arbeit ist, daß sie noch einmal gemacht werden muß. Geduld hingegen vollendet ihre Aufgabe mit Heiterkeit und Beharrlichkeit und erzielt ein vollkommenes Werk. Ungeduld möchte sich mit den Ellbogen Platz machen und sich unentgeltlich Eingang verschaffen, sich so in die Verlegenheit bringen, hinausgewiesen zu werden. Geduld dagegen verdient sich ihren Lohn, bezahlt was sie schuldig ist, und findet bleibenden Einlaß.
Ungeduld unternimmt den Aufstieg in einem Ballon, gebraucht nicht einmal die Vorsicht, einen Fallschirm mitzunehmen, und sobald ihr Gasvorrat erschöpft ist, ist sie gezwungen, herabzukommen und darf eines harten Aufstoßens gewärtig sein. Die von Hoffnung beseelte Geduld erklimmt den Hügel des Fortschritts mit Stetigkeit und hat niemals nötig, einen Schritt zurückzugehen. Die Ungeduld will eine Lektion versuchsweise erlernen oder ein Problem im voraus lösen, und vergeudet so die Zeit, — während die Geduld getreulich und gleichmütig die Lektion des heutigen Tages lernt und abwartet, was der morgende bringen wird. Der Meister der Geduld sagte: „Es ist genug, daß ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe.” Wir können am heutigen Tage nicht mehr Arbeit leisten als unser Pensum ist. „Darum sorget nicht für den andern Morgen; denn der morgende Tag wird für das Seine sorgen.”
Die beiden Marien verletzten dies Gesetz, als sie auf dem Wege zum Grabe zweifelnd fragten: „Wer wälzet uns den Stein von des Grabes Thüre?” Doch als sie das Grab erreichten, fanden sie den Stein bereits hinweggerollt.
Wie lächerlich die Arbeit des Ungeduldigen ist, erläutert das folgende Beispiel: Wir sehen einen Menschen auf ebenem und geradem Wege mit Schritten einherwandeln, als ob er etwas oberhalb des Bodens ersteigen möchte. Auf die Anfrage, weshalb er dies thue, antwortet er: „Ich ersuche den Hügel zu erklettern, den du in der Entfernung siehst.”
Geduld kann als Zufriedenheit und Langmut inmitten von Arbeit oder Widerwärtigkeit definiert werden. Jesus sagte: „Fasset eure Seelen, (euren Sinn der Wahrheit) mit Geduld.”
Wir demonstrieren die Christian Science (d. h. die christliche Wissenschaft), wenn unsere Gedanken so von Liebe erfüllt sind, daß sie alles andere verbannen. Die Ungeduldigen erbitten stets größere Wohlthaten, obgleich sie mit der Anerkennung für die bereits empfangenen zurückhalten. Dieser zweifelnde und undankbare Gedankenzustand schließt das Licht der Wahrheit aus, daher finden sie für ihre Leiden keine Heilung. „Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.”
Den Ungeduldigen ist die geistige Lektion, welche die Wahrheit ihnen erteilt, ein Ärgernis, und sie rufen: „Das ist eine harte Rede; wer kann sie hören?”
Wer die Lektion der Geduld lernt, erklärt: „Du bist Christus!” und wartet auf ein klareres Verständnis der scheinbar schweren Aufgabe.
Ungeduld ist ein Pessimist und sieht stets die schwarze Seite der Dinge; folglich kennt er nicht den Sinn des Lichts, der Wahrheit. Geduld ist ein Optimist; dessen Stütze die Hoffnung ist, dessen Anker ewigen Halt im Lichte der Wahrheit findet.
Gleichwie die Pflanze am schnellsten im Sonnenlichte wächst, so schreiten wir am schnellsten in dem Lichte des Verständnisses vorwärts, wie es die Christian Science lehrt. Jesu Erklärung: „Fasset eure Seelen mit Geduld,” ist der Erklärung gleich: „Seid geduldig und gefaßt.”
Wenn wir nicht geduldig und gelassen sind, übereilen sich unsere Gedanken, folglich unsere Worte und Thaten und entbehren des richtigen Taktes und Urteils, und wir laufen leicht Gefahr, unsern Nächsten sowohl als uns selbst Gewalt anzuthun.
Johannes sagte zu den Soldaten: „Thut niemand Gewalt, noch Unrecht und lasset euch genügen an eurem Solde.” Diese Lektion findet auf uns alle Anwendung. Wenn mir mit unserem Solde nicht zufrieden sind, sondern ungeduldig und mißvergnügt werden, behandeln wir unsere Umgebung sicherlich gewaltthätig. Verharren oder „bleiben” wir geduldig in der Liebe, so empfinden alle, die in unsere Nähe kommen, das Aroma unseres Denkens als heilenden Einfluß.
Der chronische Nörgler, der stets Beschwerde führt, vermag sich selbst nicht zu heilen und ist für andere keine heilbringende Gesellschaft. Dieser Gedankenzustand macht sich in Erklärungen wie den folgenden Luft: „Ich weiß nicht, weshalb ich nicht geheilt werde.” — „Nach meiner Ansicht ist es hohe Zeit für mich, diese Leiden los zu werden.” — „Weshalb muß ich denn mehr als andere leiden?”, „Ich kann die Christian Science nicht verstehen!” — „Wenn ich so wenig wie Sie zu bekämpfen hätte, würde ich gut vorwärts kommen.”
Ein derartiger Mensch lebt in der Düsterkeit, verbreitet sie um sich, ihr Schatten verfinstert alle, die in seine Nähe kommen.
Jesus charakterisierte diesen Gedankenzustand und dessen Lohn in den Worten: „So aber derselbige Knecht in seinem Herzen sagen wird: Mein Herr verzieht zu kommen, und fänget an zu schlagen Knechte und Mägde, auch zu essen und zu trinken und sich voll zu saufen; so wird desselben Knechtes Herr kommen an dem Tage, da er sich's nicht versiehet, und zu der Stunde, die er nicht weiß, und wird ihn zerscheitern und wird ihm seinen Lohn geben mit den Ungläubigen;” „da wird sein Heulen und Zähneklappen.”
Wenn das Licht langsam zu kommen scheint, („Mein Herr verziehet zu kommen,”) sollten wir geduldig harren.
Die Gewohnheit, über unser schwerfälliges Denken und Auffassen, über die Langsamkeit unserer Befreiung Klage zu führen und unsere Leidern andern zu erzählen, ist nicht Nüchternheit, sondern eine Abart der Trunkenheit des sterblichen Fürwahrhaltens, worin wir „Knechte und Mägde schlagen.” Das Resultat ist, daß wir „scheitern” und unsere Aussichten auf Fortschritt in nichts zusammenschrumpfen. Solche Handlungsweise ist vom Übel. Wir knirschen vergeblich mit den Zähnen; denn wir haben keine Nahrung zu zermalmen. Wir müssen unsere Arbeit richtig thun, wenn sie gut ausfallen soll. Sind wir mit unserm Lohn zufrieden, so werden wir auch gute Arbeiter sein und verdienen und gewinnen dadurch eine bessere Stellung und besseren Lohn. Wer seine Arbeit nur halb thut, weil er geringen Lohn bekommt, darf sich auf schnelle Beförderung keine Hoffnung machen. Es bezahlt sich nicht, in kleinen Dingen nachlässig zu sein und auf große Fische zu warten; weit besser ist es, den „ersten Fisch, der herauffährt, zu nehmen.” Verschmähen wir die kleinen Fische, wenn wir keine großen haben können, so müssen wir uns ohne Fische begnügen. In den größeren Gewässern, in weiterer Entfernung sind viele große Fische vorhanden, aber die kleinen müssen uns auf unserer Reise dorthin zur Nahrung dienen.
Unsere dankbare Anerkennung der bereits empfangenen Wohlthat stärkt und ermutigt uns und befähigt unsere Gedanken zur Aufnahme größerer Wohlthaten.
„Auf den Herrn harren,” bedeutet nicht, daß wir die Arme kreuzen und nichts thun sollen, sondern daß wir unser Werk getreulich thun und es Gott überlassen, den Ertrag desselben zu bestimmen. „Lasset uns laufen durch Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist.”
Laßt uns thätig und eifrig, aber auch geduldig sein. Unter Verfolgungen, Widerwärtigkeiten, und unangenehmen Umgebungen bedürfen wir der Geduld noch mehr als unter gewöhnlichen Umständen. „Denn was ist das für ein Ruhm, so ihr um Missethat willen Streiche leidet? Aber wenn ihr um Wohlthat willen leidet und erduldet, das ist Gnade bei Gott.”
Sei geduldig in Trübsal, denn nur durch Geduld kannst du dir hinreichendes Verständnis erwerben, um dich über Trübsal erheben zu können. In seiner Auslegung des Gleichnisses vom Säemann sagte Jesus: „Das aber auf dem Land sind, die das Wort hören und behalten in einem feinen guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.”
Wir lernen aus diesem Text, wenn wir ehrlich und von reinen Beweggründen erfüllt sind, und nur noch der Geduld bedürfen, um der Fruchtreife sicher zu sein. Ehrlichkeit und Güte sind der Boden, und Geduld ist Sonnenschein und Regen.
Wenn wir im Verständnis der Allgegenwart und Allmacht der Liebe beharren, werden wir aus dem scheinbaren Traum der Materie in ebenso natürlicher und harmonischer Weise erwachen, wie die Pflanze im warmen Sonnenschein und mildem Regen aufwächst.