Das Gebet Jesu in Gethsemane, „Dein Wille geschehe,” steht im Einklang mit all seinen anderen Gebeten, mit seinem ganzen Werk und Lebensziel. Nicht nur kam er vom Himmel herab um des Vaters Willen zu tun, sondern in den schwersten und härtesten Lagen war es seine Freude, Seinen Willen zu tun. Seine Speise war es, den Willen Dessen zu tun, der ihn sandte, und Sein Werk zu vollenden. Er erklärte seine Fähigkeit die Kranken zu heilen, die Toten aufzuerwecken, rechtes Gericht zu richten, dadurch, daß er nicht seinem eigenen Willen folgte, sondern dem Willen Dessen, der ihn sandte. Die Bereitwilligkeit, „Seinen Willen” zu tun, machte er zur Grundlage für seine Lehre. Diejenigen, welche den Willen Gottes taten, erklärte er für seine Brüder und Schwestern. Das Tun von Gottes Willen machte er zur Bedingung für den Eingang in das Himmelreich. „Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr! in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen thun meines Vaters im Himmel.”
In dem Verhältnis, in welchem das Christuslicht das Leben eines Menschen erleuchtet hat, ist der Geist freudigen und bereitwilligen Gehorsams gegen den Willen Gottes in demselben geweckt worden. Alle, denen dieses Licht zu teil geworden, haben nicht allein gebetet: „Lehre mich Deinen Willen zu tun,” sondern haben auch mit Freuden diesen Willen getan. Von den Tagen des Enoch bis auf die Gegenwart haben sie danach gestrebt, „Gottes Werk nach Gottes Weise zu tun,” Gott zu gefallen und nicht sich selber. Dies trifft besonders zu bei den Patriarchen und Propheten des alten Testamentes, den Aposteln des neuen, und den Heiligen und Reformatoren der christlichen Kirche. Und die, durch welche die Wissenschaft des Christentums, die Erkenntnis von Gott, welche die Kranken und Sünder heilt, in dieses Zeitalter kam, ist Rev. Mary Baker G. Eddy. Durch williges Folgen und freudigen Gehorsam gegen den Willen Gottes, ist Mrs. Eddy in den Stand gesetzt worden, das zu tun, was sie für die Gesundheit, den Charakter und die geistige Hebung des Menschengeschlechtes vollbracht hat.
Worin besteht der Wille Gottes für uns, und weshalb haben alle Männer und Frauen, je nachdem sie Frieden, Freude, sittliche Größe und geistige Erleuchtung erlangt haben, so ernstlich und sehnsüchtig darum gearbeitet und gebetet, daß derselbe überall auf Erden wie im Himmel geschehe?
Die Art und Weise, wie Gott mit dem Volke Israel verfuhr, zeigt, daß Gott sowohl das zeitliche wie das ewige Wohl Seiner Kinder will. Wenn die Kinder Israel willig und gehorsam waren, so aßen sie „das Gute des Landes”; von den bösen Krankheiten Ägyptens und der umgebenden Völker blieben sie verschont; sie empfingen „Freude und Wonne” und „Trauern und Seufzen” verschwanden. „Er brachte sie heraus (wahrscheinlich drei Millionen an Zahl) mit Silber und Gold; und es waren keine Schwachen unter ihnen.” „Er brachte sie heraus mit Jauchzen, seine Erwählten mit Freuden.” Die Verheißung war, daß, wenn sie Ihm nur treu blieben, so würden sie nie krank werden, „denn Ich bin der Herr, der dich heilet”; nichts Gutes wollte Er ihnen vorenthalten. Ihre „Missethaten,” nicht Gott, hinderten solches, und ihre „Sünden wendeten das Gute von ihnen.” Aber so weit ihre Sünden sie auch von Gott, und von der Gesundheit, dem Wohlergehen, der Freude, — der Erlösung, — die Er ihnen zu teil werden lassen wollte, trennte; jedesmal „wenn sie zum Herrn in ihrer Not riefen,” so erlöste Er sie. Die ganze Geschichte von Gottes Umgang mit den ungehorsamen Kindern Israels ist die Geschichte von dem gütigen Vater und dem verlorenen Sohn im Großen. Und alles, was der Vater besaß, war für die, welche Ihm treuer waren und Ihm immer nahe zu sein suchten, obgleich auch sie niemals die Fülle Seiner Liebe für sie verstanden, ebensowenig wie sie Seine Güte und Nachsicht gegen Seine ungehorsamen Kinder begreifen konnten.
Durch seinen Gehorsam gegen Gottes Willen wurde Moses in den Stand gesetzt, in seinem achtzigsten Lebensjahre eine Arbeit zu beginnen und vierzig Jahre lang fortzuführen, welche die Kräfte von zwanzig weniger getreuen Führern verzehrt haben würde, und im Alter von hundert und zwanzig Jahren „waren seine Augen nicht dunkel geworden, und seine Kraft nicht verfallen.” Sein Begleiter und Nachfolger Josua, zugleich einer der beiden treuen Spione, durchlebte die vierzig Jahre in der Wüste, führte das Volk über den Jordan, eroberte einen großen Teil des Landes, und wurde hundert und zehn Jahre alt; und vor seinem Tode erinnerte er das Volk Israel daran, daß Gott alle Seine Versprechen gehalten hatte. Kaleb, der andere treue Spion, erbat sich an seinem fünfundachtzigsten Geburtstage das ihm zukommende Erbteil Israels, wobei er erklärte: „Ich bin noch heutigen Tages so stark, als ich war des Tages, da mich Mose aussandte; wie meine Kraft war dazumal, also ist sie auch jetzt.”
„Die Zeit würde mir zu kurz” werden, von den Glaubenshelden zu erzählen, „welche ... Königreiche bezwungen” haben, „Gerechtigkeit gewirket, Verheißungen erlanget, der Löwen Rachen verstopfet, des Feuers Kraft ausgelöscht, sind des Schwertes Schärfe entronnen, sind kräftig geworden aus der Schwachheit, sind stark worden im Streit, haben der Fremden Heere darniedergelegt” und „ihre Toten durch Auferstehung wieder bekommen.” Und diejenigen, denen nur hin und wieder flüchtige Erkenntnisschimmer über Gottes Willen zu teil wurden, fanden in diesen Augenblicken wahrer Einsicht und Gehorsams, daß Gott ihr Wohlergehen, nicht ihre Armut wollte; ihre Gesundheit, nicht ihre Krankheit; ihre Freude, nicht ihren Kummer; ihre Sündlosigkeit, nicht ihre Sündigkeit; ihre Erlösung, nicht ihre Verdammnis; ihr Gutes, niemals ihr Böses.
Jesu ganze Laufbahn, von seiner Empfängnis bis zu seiner Himmelfahrt, offenbarte und bewies, daß Gott das Kommen Seines Reiches will durch Zerstörung des Teufels und aller seiner Werke — Sünde, Krankheit und Tod. Jesus erkannte, daß Gott die geringsten Bedürfnisse des Menschen ebenso wie seine höchsten befriedigen will. „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles [was ihr bedürfet] zufallen.”
Er war immer „willig” die Kranken zu heilen und bezweifelte es niemals, daß Gott ebenso willig sei. Das Heilen der Kranken machte in der Tat einen bedeutenden Teil seines Werkes aus; die, welche er beauftragte, die frohe Botschaft zu verkünden, erhielten zugleich den Auftrag zu heilen, und seine letzten Worte: „Gehet hin in alle Welt, und prediget das Evangelium aller Kreatur,” enthielten die Versicherung, daß das Heilen der Kranken eins der „Zeichen” sein würde, welche „denen, die da glauben,” folgen würden.
Andere, wie auch sich selber, weckte er aus dem Traum des Todes auf, und bewies so, daß der letzte Feind (der Tod) sowohl wie der erste (die Sünde) dem Willen Gottes entgegengesetzt ist. Er offenbarte weiter, daß Gott unsere Freude und Frieden ebenso wie unsere Sündlosigkeit und Vollkommenheit will, und daß alle Seine Kinder erlöst werden sollen. „Das ist aber der Wille des Vaters ... daß ich nichts verliere von allem, das er mir gegeben hat, sondern daß ich’s auferwecke am jüngsten Tage.” „Also ist’s auch nicht der Wille eures Vaters im Himmel, daß jemand von diesen Kleinen verloren werde.”
Die Jünger Jesu wurden nach seiner Himmelfahrt bessere Heiler, Helfer und Prediger als vorher, weil sie bis dahin seine Lehre noch nicht völlig verstanden hatten. Sie erhoben sich zu solcher Erkenntnis von Gott und zu solchem Vertrauen auf Ihn, daß alles, um was sie „seinem Willen” gemäß beteten, ihnen gegeben wurde; und es wird uns nicht berichtet, daß sie jemals das Heilen von Krankheit oder Not verweigerten, weil es nicht Gottes Wille wäre. Paulus, der nicht ein Schüler Jesu war, aber „durch den Willen Gottes” berufen wurde „ein Apostel Jesu Christi” zu sein, hatte ein klares Verständnis von der Macht und Bereitwilligkeit Gottes, den Körper durch Läuterung des Geistes zu heilen. Seine Missionsreisen, ebenso wie die der anderen Apostel, wurden in der Regel durch eine besondere Äußerung von heilender Kraft eröffnet. Der Biß der giftigen Schlange schadete ihm nicht, und die, welche wegen Heilung ihrer Krankheiten zu ihm kamen, wurden geheilt. Er lehrte, daß „der Geist des Lebens in Christo Jesu” uns frei macht „von dem Gesetz der Sünde und des Todes.” Er erkannte es als den Willen Gottes, daß wir in allem Dank sagen, uns allewege freuen und alle Früchte des Geistes tragen sollen. Ebenso erkannte er, daß Gott nicht nur unsere Heiligung will, sondern auch die Erlösung aller Menschen durch Christus: „auf daß, wenn die Zeit erfüllet ist, alle Dinge zusammen verfasset würden in Christo, beide, das im Himmel und auf Erden ist.”
Nach dem Zeugnis der Kirchenväter, von denen viele Männer von großer Gelehrsamkeit und Frömmigkeit waren, dauerten die von Jesus verheißenen „Zeichen,” „die da folgen,” „denen, die da glauben,” während eines bedeutenden Zeitraumes nach den Tagen der Apostel fort. Sogar ein so kritischer und skeptischer Geschichtsschreiber wie Gibbon, sagt in seiner Erklärung von den Gründen, welche zu der raschen Ausbreitung des Christentums während der ersten Jahrhunderte beitrugen: „Die christliche Kirche hat behauptet von der Zeit der Apostel und deren Schüler an im Besitz einer ununterbrochenen Reihenfolge von wunderbaren Kräften zu sein, der Gabe von Zungen, von Visionen, der Weissagungen, der Macht Dämonen auszutreiben, die Kranken zu heilen und die Toten aufzuerwecken ... In der Zeit des Irenäus, gegen das Ende des zweiten Jahrhunderts, wurde die Auferweckung der Toten als ein durchaus nicht ungewöhnliches Vorkommnis angesehen” (Niedergang und Verfall des römischen Reiches, Bd. I, S. 539, 541).
Als die Kirche weltlich und politisch wurde und der reine, einfache Glaube der ersten christlichen Bäter aus ihr verschwand, wurden diese besonderen Äußerungen von Gottes heilender und erweckender Macht weniger bemerkenswert und häufig. Aber an das Heilen durch unmittelbar geistige Mittel hat man in jedem Zeitalter der christlichen Kirche geglaubt, und es in beschränktem Maße auch ausgeübt. In jeder geistigen Bewegung und religiösen Reform, welche den Menschen in eine engere Gemeinschaft mit dem Geist und Charakter des Christus zu bringen suchte, ist der heilende Wille Gottes mit Nachdruck hervorgehoben und bewiesen worden. Besondere Zeichen von Heilen folgten in der Zeit ihrer geistigen Blüte und Hingebung der Arbeit der Waldenser, Herrnhuter, Hugenotten, Covenanter, Freunde, Baptisten und Methodisten. Auch Luthers Werk war von Heilungen begleitet, und Wesley glaubte fest an die Macht und Bereitwilligkeit Gottes, die Kranken zu heilen. Sein Tagebuch enthält viele Berichte von Heilungen, die auf rein geistigem Wege erfolgten. Er betete sogar für sein Pferd und behauptete, daß die Erfüllung seiner Gebete sich auch auf die Elemente erstreckt habe.
Aber die wunderbarste Offenbarung der „Güte und Liebe Gottes, unseres Heilandes,” — Seiner Bereitwilligkeit und Fähigkeit jedes menschliche Bedürfnis zu befriedigen, — welche seit dem Beginn und der Begründung des Christentums erschienen ist, ist diesem Zeitalter durch die Entdeckung und Ausübung von Christian Science zu teil geworden. Durch das Heilen von zahllosen Fällen von Krankheit und Sünde; durch die Freude, den Frieden, das Gleichmaß, die Heiligkeit, welche dieser Glaube verleiht, beweisen die Christian Scientisten aufs Neue, daß dieselben Zeichen immer noch denen nachfolgen, „die da glauben,” denen, die Gott kennen und lieben, und sich ganz auf Ihn verlassen.
Im Lichte von Christian Science ist Gott gut und alles, was Er geschaffen hat, ist Ihm wesensgleich, gut, sehr gut, und Er kann nichts wollen, das mit diesem Seinem Wesen nicht vereinbar ist. Er ist die Liebe, und daher will Er, daß wir lieben. Er ist Geist, und daher will Er, daß wir geistig sind. Er ist Harmonie, ewiges Leben, und daher will Er unser Leben, unsere Gesundheit, unsere Unsterblichkeit. Er ist vollkommen, und daher will Er, daß wir vollkommen sind. Er will, daß alles, was Ihm selber unähnlich, alles was nachteilig ist, vernichtet werden soll. Er will, daß „jede Pflanze,” die Er nicht gepflanzt hat, „ausgerottet” werden soll; daß die Welt, das Fleisch und der Teufel überwunden und alle Werke des Teufels zerstört werden sollen. Und weil es Gottes Wille ist, daß wir von Sünde und den Folgen derselben frei sind, damit wir Ihm in allen Dingen gleichen, so ist jeder Schritt in unserer Erlösung ein Ausdruck Seiner Liebe. Er will, „daß sich jedermann zur Buße kehre,” denn Er will nicht, „daß jemand verloren werde.” Er liebt uns so, daß Er uns in Christus von dem Bösen trennt, und mit sich selber versöhnt.
Gott fordert Vollkommenheit, und das Sühnopfer Christi söhnt den Menschen mit dem vollkommenen Willen Gottes aus, nicht jedoch Gott mit dem unvollkommenen Willen des Menschen. Die Opfer, welche die Gerechten für die Ungerechten bringen, führen dahin, daß auch die Ungerechten gerecht werden können, und dienen dem Zweck, die Wut des Bösen zu vernichten, nicht aber die göttliche Liebe zu beschwichtigen. Und während Gott denen, die Ihn lieben, alle Dinge zum Besten dienen läßt, während Er sie dahin führt, daß sie Ihn lieben, und sogar den Zorn der Menschen Ihn preisen läßt; während Jesus die Kreuzigung zu einer Überwältigung des Teufels, der Sünde, des Todes, der Hölle und des Grabes für alle Zeiten und zu einem Sieg des Lebens, der Wahrheit und der Liebe machte, so waren die Übel, welche Christus zerstörte, „des Feindes,” nicht Gottes Wille.
Wenn wir daher beten, „Dein Wille geschehe,” so beten wir, daß Gottes Wille auf Erden geschehe „wie im Himmel,” und wir wissen, daß sich im Himmel weder Sünde, Krankheit noch Tod finden. Wir beten nicht um Leiden und Tod für unsere Lieben, sondern daß sie in Harmonie mit Gott kommen, in dem weder Schmerzen noch Tod existieren; wir beten, daß das Gute über das Böse triumphieren; daß der Geist das Fleisch überwinden; die Wahrheit allen Irrtum vernichten; das Leben den Tod überwinden; göttliche Harmonie menschliche Disharmonie ersetzen; die Liebe Furcht und Haß vertreiben; daß Gott mit uns sein, und alles Böse verschwinden möge. Wir beten um die volle und baldigste Erfüllung der Vision und Prophezeiung des Apostels Johannes: „Und Gott wird abwischen alle Thränen von ihren Augen; und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das erste ist vergangen”; wir beten, daß die heilende, trostbringende, erlösende Tätigkeit des Christus ihr Werk vollenden möge.
