Wenn die fundamentale, geistige Bedeutung aller Dinge im allgemeinen besser erkannt wäre, so würde das unermeßliche Schulzimmer der Natur mit eifrigen, anerkennenden Schülern angefüllt sein, die in allem, im niedrigsten, wie im erhabensten, im einfachsten, wie im schwierigsten, Lektionen sehen würden, die auf jeder Stufe menschlicher Entwicklung angewandt werden können. Wenn der geistige Sinn die Darstellung durch Symbole in der Natur entfaltet, werden wir wahrlich „Predigten in Steinen” und „Bücher in fließenden Bächlein” lesen.
Zu dieser Jahreszeit erblicken die, welche „Augen, die da sehen” haben, einen Schimmer von der Auferstehung im Entrinnen der Flüsse aus ihrer langen winterlichen Gefangenschaft, im Wiedererscheinen von Blatt, Knospe und Blüte, in der Wiederkehr der Musik der Insekten und Vögel. Obwohl dies wahr ist, gibt es doch auch viele, deren traurigen Herzen dies alles als ein Hohn ihrer höchsten Hoffnungen erscheint. Obwohl die Natur den Lenz in wiederkehrender Schönheit malt, argumentieren auch sie wie Hiob: „So ist ein Mensch, wenn er sich legt, und wird nicht aufstehen, und wird nicht aufwachen, solange der Himmel bleibt.” und leider gibt es viele, die mehr zweifeln als hoffen in ihrer Sehnsucht „die verschwundene Hand zu berühren und den Laut der lieben Stimme zu hören, die stumm”.
Wohl dürfen wir fragen, was legt dieses schwarze Leichentuch zwischen uns und die, welche wir lieben und nennt sie tot? Sicherlich nicht Gott, in Ihm ist alles Leben. Die Bibel enthält kaum schönere Worte als folgende: „Gott aber ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebendigen.” Welch eine Freude verkündende Botschaft zur Osterzeit! Und ist es nicht klar, daß, wenn wir sehen wie Gott sieht, der Tod wie ein Traum verschwunden und das Leben uns alles sein wird? Was hindert uns, die Allheit des Lebens hier und jetzt zu erkennen? Ist es nicht der Glaube, daß das Leben etwas sei, das von Gott getrennt ist, etwas, das in der Materie gefangen gehalten wird und zur Kundgebung von derselben abhängt? Ist es nicht der materielle Körper mehr als die Idee der Seele, den die Sterblichen lieben und an den sie sich blindlings klammern, obwohl er die unsterbliche Sehnsucht immer täuscht?
Mrs. Hemans erzählt uns in einem ihrer Gedichte von einem jungen Edelmann, der fast sein ganzes Besitztum opferte um seinen Vater aus der Gefangenschaft loszukaufen. Der grausame König, der diesen Vertrag mit dem liebenden Sohn abschloß, ließ den Vater töten, und der tote Körper, prachtvoll gekleidet, wurde dem jungen Soldaten übergeben, der sich in seiner Verzweiflung an den hinterlistigen Monarchen wandte und sagte: „Dieser Erdenkloß ist nicht mein Vater.” O, könnten doch alle wissen, ohne auf die Todesstunde zu warten, daß die Materie keine Macht hat zu wissen oder ihre Liebe zu erwidern; daß es nicht der Körper ist, der liebt und hofft und Sehnsucht hat, sie würden das suchen und finden, was das größte Bedürfnis des Herzens befriedigt.
Wenn diese Lektion gelernt ist, werden alle Stimmen der Natur in einen großen Chor in die ewige Erklärung des Christus einstimmen: „Ich bin die Auferstehung und das Leben,” und die Symbole dieser Wahrheit, welche die Osterzeit umdrängen, werden nicht länger zu uns sagen, daß der Mensch — das vornehmste Geschöpf, das seinen Schöpfer darstellt — ein Erdenkloß sei. Christus Jesus sagte: „Denn Ich lebe, und ihr sollt auch leben,” und im Lichte der Christian Science werden seine Worte heute verstanden, wie nie zuvor. Mit diesem Verständnis ist das Buch der Natur für uns geöffnet und vom Sternenzelt bis zum Grashälmchen sehen wir Symbole der unendlichen Liebe und Weisheit, und Gott spricht wie am ersten Tage: „Die da ... geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre.”
Wenn die Wahrheit uns aus dem Versunkensein im Materialismus ruft, vergessen wir bald, daß wir lange und vergebens in sterblicher Qual gekämpft haben, indem wir auf die Auferstehung warteten, und die Erinnerung unseres menschlichen Sinnes vom Elend ruft uns die Erklärung des Apostels ins Gedächtnis: „Daß dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht wert sei, die an uns soll offenbart werden ”
Gut ist es, zu wissen, daß die Symbole der Natur ihre wahre Bedeutung nicht liefern können, so lange wir glauben, daß wir oder sie materiellen Ursprungs seien; wir müssen wissenschaftlich wissen, daß wir durch die göttliche „Liebe eingewurzelt und gegründet” werden, und daß alle wirklichen und harmonischen Dinge vom Geiste — Gott — entspringen und keinen Tod kennen können. Wenn der Vorhang des materiellen Sinnes gehoben ist, werden wir die heilige Stätte schauen und so erkennen, wie wir gekannt sind.
