Man hört zuweilen die Frage: „Wie kommt es, daß manche Personen durch die Christian Science so viel schneller geheilt werden als andere, selbst wenn die Fälle ganz gleichartig zu sein scheinen?” Der Heiler der Christian Science weiß aus Erfahrung, daß keine zwei Fälle ganz gleichartig sind. Es liegt das in der Natur der Sache; denn jeder Fall ist der individuelle Ausdruck des Irrtums, welcher seine eigenen und speziellen Wahnbegriffe und Besorgnisse darbietet, und welcher daher in besonderer Weise behandelt werden muß. Man kann deshalb bei der Behandlung in der Christian Science keine Formel mit Erfolg anwenden.
Der Schreiber dieser Zeilen hatte bei der Weltausstellung im Jahre 1904 die Gelegenheit, öffentliche Experimente auf dem Gebiete der drahtlosen Telegraphie zu beobachten. Es wurde da erklärt, es sei nach den Grundsätzen der drahtlosen Telegraphie absolut notwendig, daß das empfangende Instrument völlig mit dem übertragenden Instrument harmoniere; daß beide gleich gestimmt seien. Es wurde ferner gesagt, daß eine abgesandte Botschaft von allen Instrumenten, welche mit dem übertragenden Instrument in Harmonie stehen, verstanden werde, worauf sie dann an ihren Bestimmungsort weiterbefördert werden könne. Ferner wurde erklärt, eine Botschaft könne von solchen Instrumenten, die nicht in vollkommenem Einklang mit dem übertragenden Instrument stehen, nicht in Empfang genommen werden. Und wenn man auch an den Instrumenten bemerken könne, daß eine Botschaft abgesandt wurde, so sei diese doch unverständlich und könne nicht weiter befördert werden. Dies veranschaulicht, wenn auch vielleicht nur annähernd, daß in der Praxis der Christian Science Bedingungen der Harmonie und Empfänglichkeit zwischen dem Heiler und dem Patienten nötig sind, und daß beide mit Gott, dem himmlischen Prinzip, im Einklänge stehen müssen.
Im Lehrbuche der Christian Science, „Science and Health with Key to the Scriptures,” von Mrs. Eddy, Seite 299, lesen wir: „Engel sind göttliche Sendungen; nicht Boten, oder Personen, sondern die wahren Ideen der Gottheit.” Um diese Sendungen, diese Botschaften Gottes besser zu verstehen und zu verdolmetschen, ist es notwendig, daß unser Denken im Einklang mit Gott stehe; mit andern Worten, wir müssen uns an Gott um Hilfe wenden und dieselbe ernstlich erwarten. In dem Maße wie diese harmonischen Bedingungen vorhanden sind und im täglichen individuellen Leben zutage treten, erreicht die Menschheit größere Empfänglichkeit für die Wahrheit und infolge dessen, höhere Fähigkeit, die heilende Kraft der Wahrheit zum Ausdruck zu bringen.
Wer sich um Hilfe an einen Heiler der Christian Science wendet, muß zum ersten erwarten geheilt zu werden; ferner muß er sich bewußt werden, „daß Gott allein mächtig ist.” Jeder Heiler der Christian Science weiß, daß er aus sich selbst nichts tun kann; er kann nur den Patienten auf das hinweisen, was Gott bereits erschaffen hat und ihm erklären, daß diese Schöpfung ewige Harmonie und Vollkommenheit in sich schließt. Der Psalmist sagt: „Und waren alle Tage auf dein Buch geschrieben die noch werden sollten, und derselben keiner da war.” Ferner lesen wir im ersten Buch Moses: „Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut.” Das kann doch keine andere Bedeutung haben als, daß Gottes Schöpfung vollendet ist. Es gibt daher nichts, was unvollendet ist, und was einer weiteren Schöpfung bedarf. Unsere einzige Aufgabe ist, uns dieser Vollkommenheit, sowie der harmonischen Beziehung des Menschen zu dieser Vollkommenheit, bewußt zu werden. Ein Grund, warum manche Personen nicht schneller geheilt werden, liegt darin, daß sie zu viel von der Persönlichkeit des Heilers und zu wenig von Gott erwarten.
Der Christian Scientist weiß, daß Gottes Schöpfung vollendet ist. „Man kann nichts dazu thun, noch abthun”; aber durch die klare Erkenntnis der absoluten Vollkommenheit dieser Schöpfung, und durch das Verständnis, daß diese Vollkommenheit unendlich ist und alle Wirklichkeit umfaßt, bringt der Heiler dem Hilfesuchenden die Tatsache zum Bewußtsein, daß Gottes Werk vollendet ist. Manche Leute nehmen diese Lehre mit Freuden an; andere stellen sie in Frage; andere lassen Zweifel in ihrem Herzen aufkommen; andere verwerfen sie ganz und gar; und wieder andere sagen mit König Agrippa: „Gehe hin auf diesmal; wenn ich gelegene Zeit habe, will ich dich herlassen rufen.” Der Apostel erzählt uns, daß Jesus in Kapernaum nicht viele Zeichen tat „um ihres Unglaubens willen.” Er hatte die größte Liebe, das tiefste Mitleid und wollte die Menschen gesund und glücklich machen; aber sie wollten sich nicht nach seiner Art und Weise heilen lassen. Auch heute noch finden wir die vorherrschenden Zustände und menschlichen Begriffe Kapernaums, und es offenbaren sich dieselben, wie damals, in einer Abgeneigtheit gegen die Wahrheit und deren Annahme. Ein solcher geistiger Zustand ist nicht empfänglich für das Gute, ist nicht in Harmonie mit Gott. In diesem Zustand konnten die Menschen weder damals, noch können sie heute das erreichen, „das Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.” Die Botschaft ging aus und wurde von denen beachtet, welche mit der ewigen Liebe im Einklänge standen, und welche bereit waren, ihre eigenen Meinungen und Ansichten, Vorurteile und Besorgnisse beiseite zu legen um einen besseren Weg einzuschlagen, „welcher der heilige Weg heißen wird.” Diese Botschaft ist jederzeit von der Gottheit zur Menschheit gekommen; aber sie mußte erst übersetzt werden, und zwar von einer Person, die in so inniger Gemeinschaft mit Gott stand, daß sie die himmlischen Accorde vernehmen und der Menschheit übersetzen konnte.
Im Buche Hiob lesen wir: „So denn für ihn ein Engel als Mittler eintritt, einer aus tausend, zu verkündigen dem Menschen, wie er solle recht thun, so wird er ihm gnädig sein und sagen: Erlöse ihn, daß er nicht hinunterfahre ins Verderben; denn ich habe eine Versöhnung gefunden. Sein Fleisch wird wieder grünen wie in der Jugend, und er wird wieder jung werden. Er wird Gott bitten; der wird ihm Gnade erzeigen, und wird ihn sein Antlitz sehen lassen mit Freuden, und wird dem Menschen nach seiner Gerechtigkeit vergelten.”
Als Christian Scientisten erkennen wir in unserer verehrten Führerin den Dolmetscher für die heutige Zeit, und unser Lehrbuch ist uns die Botschaft Gottes an sein Volk. Tausende haben diese Botschaft der Liebe angenommen, und ihr Leben bezeugt deren wohltätigen Einfluß, deren heilende und seligmachende Kraft. Je besser wir diese Botschaft verstehen, desto besser können wir sie andern übersetzen, so daß sie für die erschöpfte und von Sünden belastete Welt praktischen Wert erhält. Der Psalmist fragt: „Wer wird auf des Herrn Berg gehen? und wer wird stehen an seiner heiligen Stätte? Der unschuldige Hände hat und reines Herzens ist ... der wird den Segen des Herrn empfangen und Gerechtigkeit von dem Gott seines Heils.” Alle Verheißungen der Schrift sind für den bestimmt, der „überwindet.” Was besitzenswert ist, ist auch des ernstlichen Strebens wert; aber die Menschheit muß es ernstlich wünschen und verständnisvoll suchen, ehe sie es erlangen kann. Gesundheit, Harmonie und Frieden sind jetzt in unserem Bereich, sobald wir uns verständnisvoll um dieselben bemühen. Jesus sagte: „Suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgethan.” Jeder Mensch, wo er auch sein möge, ist zu allem berechtigt, was Gott ihm bereitet hat; und er erhält sein Kindesrecht nach dem Maße seiner Erkenntnis der Wahrheit.
Die Menschheit ist’s, die man im Menschen lieben soll.
Wer in dem Nächsten nichts als Gott und Christus sieht,
Der siehet mit dem Licht, das aus der Gottheit blüht.
Das sollte unsre Lebensaufgabe sein, sich selbst zu besiegen und täglich über sich selbst mehr Gewalt zu gewinnen und etwas im Guten zuzunehmen.
