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Es war sein letzter Sonntag in Jerusalem, ein Tag reich an höchst...

Aus der Februar 1908-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Es war sein letzter Sonntag in Jerusalem, ein Tag reich an höchst interessanten Erfahrungen, und bei dem Herannahen des Sonnenunterganges lenkten sich seine Schritte unwillkürlich nach den Abhängen des Ölberges. Nachdem er durch das Tor des Heiligen Stephan getreten war, kreuzte er das trockene Flußbett des Kidron und betrat gleich den aufsteigenden Pfad, den der Herr so häufig wandelte wenn er auf dem Wege zu seinen geliebten Freunden in Bethanien war. Den Pfad zu betreten, auf dem Jesus wandelte, möge es nun auf den Straßen Palästinas, oder durch die Erfahrungen eines Lebens voller Selbstverleugnung sein, heißt in beiden Fällen ein süßes Gefühl seiner Nähe empfinden; ein Gefühl, welches an jenem Abend besonders stark war, als der Wandrer durch den Garten Gethsemane ging, den Gipfel des Hügels bestieg, und zu dem Himmel emporblickte, der Jesum aufnahm „vor ihren Augen.”

Die Erde hat viele hohe Gipfel, aber über alle erhaben ist dieser, weil Christus Jesus von seiner Höhe in die Glorie der „unsichtbaren Himmel” einging. Wenn wir oben stehen, liegt die Heilige Stadt, der Schauplatz des größten Trauerspieles und des größten Triumphes der Geschichte, zu unsern Füßen, während die Ebenen Ephraims, das Hügelland Bethlehems, die rauhen und wüsten Einöden des Toten Meeres, die rötlichen Felsen des Nebo und die weit entfernten Länderstrecken des oberen Jordan und des Hauran alle den Gedanken auf das Gebiet der Altertumskunde, welche für jeden Sohn Israels so sehr interessant ist, lenken. Die Umgebung und der Ort hielten seine Aufmerksamkeit so gefangen, daß schon dunkle Schatten über dem Tale Josaphat lagen, als er den Hügel hinabstieg und durch das Nadelöhr die Stadt wieder betrat.

Gerade innerhalb des Tores kam er an der zusammengekauerten Gestalt einer verkrüppelten Frau vorbei, die ihn mit erhobner Hand und in mitleiderweckendem Tone um ein Almosen bat. Durch die Erfahrungen des Nachmittags angeregt, gab er seinem edelmütigen Impuls freien Lauf, und ließ sogleich eine Münze, die nach den Begriffen der Frau erstaunlich groß war, in die ausgestreckte Hand fallen. Ein Licht freudigen Erstaunens flog über das bleiche Gesicht, als sie ihr Glück wahrnahm, und ihre wiederholten Segenswünsche für ihren Wohltäter erhöhten seine Zufriedenheit mit sich selbst, daß ihm besonders an diesem Tage das Los zuteil worden war, ein armes, überbürdetes Herz so glücklich zu machen.

Als er später über die Erfahrung nachdachte, fiel ihm die Geschichte von Petrus und Johannes ein, welche vor langen Jahren, als sie zur selben Stunde und am selben Orte zum Tempel gingen, einen Bettler fanden „lahm von Mutterleibe,” zu welchem Petrus als Antwort auf seine Bitte sagte: „Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: im Namen Jesu Christi von Nazareth, stehe auf und wandle.” Und er sprang auf, „konnte gehen und stehen und ging mit ihnen in den Tempel und ... lobete Gott.”

Dann fing er an, sich den Unterschied zwischen seiner Gabe und derjenigen der Apostel zu vergegenwärtigen. Er sah, wie nie zuvor, den niedrigen und gänzlich unvollkommenen Standpunkt der modernen christlichen Wohltätigkeit in ihrem besten Sinne, die Trennung des christlichen Amtes von seiner wahren Wirksamkeit. Er selbst hatte in den Schulen der Propheten studiert und hatte die Anmaßung gehabt, sich einen Prediger des Evangeliums zu nennen; und doch hatte er von keinem Lehrer je irgend eine Andeutung empfangen, daß er die Kranken heilen solle; und in diesem Augenblick, in dem die Gelegenheit und die Probe kamen, war ihm das wahre Amt Christi, dieser Tochter Israels gegenüber, nicht einmal eingefallen. Das hohe Vorrecht, welches Jesus als zur Jüngerschaft gehörend ansah, war absolut vergessen worden.

Das war ein großes Erwachen. Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen, und er sah, daß das christliche Apostelamt nicht nur seine ihm von Gott gegebene Macht verloren hatte, sondern daß es sich auch dieses Verlustes ganz unbewußt war! Christian Science war gekommen, ihn aus seiner Betäubung aufzuwecken, und im Augenblicke seines Erwachens kam ihm zum ersten Male die Bedeutung der Worte Jesu zum Verständnis: „Wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen werden, das er hat.” Seine Selbstzufriedenheit über seine gänzlich unangebrachte Wohltätigkeit machte einem traurigen Gefühl der Unfähigkeit und Untüchtigkeit für dieses christliche Amt Platz, welches er sich erkühnt hatte zu ergreifen; und Dank der Christian Science bedeutete seit diesem Tage die „himmlische Berufung Gottes” für ihn die Befolgung der Worte Christi Jesu nicht nur in der Kundgebung seines Geistes, sondern auch in der Ausübung seiner Werke.

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