Am 22. Okt. 1907 hielt , M.D., C.S. D., Mitglied des Ausschusses der Christian Science für öffentliche Vorlesungen, einen Vortrag in der Ersten Kirche Christi, des Scientisten in Boston, Mass. Ein teilweiser Bericht der Rede folgt hiermit.
Die Christian Science ist die Wissenschaft des Daseins und schließt daher alles Dasein in sich. Sie bildet ein Studium für sich; ein Studium, das unendlich, unbegrenzt und unerschöpflich ist; ein Studium dessen Kenntnis und Verständnis Jahre, Zeitalter, ja selbst die Ewigkeit beanspruchen. Um sich von einem solchen Studium auch nur einen Anfangsbegriff zu machen, oder um dasselbe gleichsam auch nur in Angriff zu nehmen, erfordert eine gewisse Zeit; denn als die Wissenschaft des Daseins ist die Christian Science das gerade Gegenteil von den Sinnesbezeugungen; d. h. sie steht im Gegensatz zu den fünf Sinnen und ist daher dem Gedankengang und dem Gedankenmodus der meisten Leute ganz und gar unähnlich. Begreiflicherweise vergeht eine gewisse Zeit, ehe die eine Gedankenrichtung der anderen weichen kann.
Das Lehrbuch der Christian Science.
Angenommen Sie wünschten das Studium der Mathematik zu unternehmen, würden Sie sich ein Lehrbuch anschaffen, welches die Mathematik nicht lehrt? Nein, Sie würden die Wissenschaft der Zahlen haben wollen, insoweit dieselbe erreichbar ist, und nichts Geringeres würde Ihnen genügen. Oder wenn Sie Musik studieren wollten, so würden Sie sich nicht an einen Lehrer wenden, der nach dem Gehör, sondern an einen der nach dem Prinzip der Musik lehrt und dessen Unterricht deshalb korrekt ist. Gleicherweise brauchen Sie zum Studium der Christian Science das Lehrbuch „Science and Health with Key to the Scriptures“ von Mrs. Eddy, sowie die anderen Werke dieser Verfasserin; ferner die Schriften des Verlagshauses der Christian Science in Boston, Mass. Nur diese Bücher und Schriften sowie die Bibel werden von den Christian Scientisten als Autoritäten, als richtige Lehrquellen zum Studium der Christian Science anerkannt. Das Lehrbuch der Christian Science, „Science and Health with Key to the Scriptures“ bildet eine Bibliothek für sich. Es erzieht, erleuchtet und läutert alle, die mit demselben in Berührung kommen.
Die Befähigung der Verfasserin. Mrs. Eddy, besteht in einer seltenen geistigen Begabung, einer tiefreligiösen Natur, einer weitreichenden Ausbildung und einer Lebenserfahrung, die dazu diente, ihr alles irdische Hoffen und Streben abzugewöhnen und die es ihr ermöglichte, ihrer Zeit ein Meisterwerk, einen unschätzbaren Beitrag zu überliefern. Sie ist englischer und schottischer Abkunft und wurde in New Hampshire geboren. Ihre Vorfahren lebten seit vielen Generationen in der Nachbarschaft von Concord, von jedermann geehrt und geachtet. Mrs. Eddy wohnt jetzt in Concord in einem einfachen, stillen Heim, von ihren Mitbürgern, ihren Verwandten und Freunden geliebt und geschätzt. Ich bin dankbar für das Vorrecht, persönlichen Unterricht von ihr erhalten zu haben; gleichsam als eine Bestätigung der Lehren unseres Lehrbuches „Science and Health“
Die Christian Science contra das begrenzte Wahrnehmungsvermögen.
Dem begrenzten Wahrnehmungsvermögen ist alles materiell und nichts geistig; die Christian Science hingegen erkennt alles als geistig und nichts als materiell. Aus diesem Grunde erscheinen die Hauptpunkte in der Lehre der Christian Science dem begrenzten Wahrnehmungsvermögen vernunftwidrig und weit hergeholt. Es ist dies ganz begreiflich wenn wir uns der Bibellehre erinnern, daß „dieser Welt Weisheit ist Thorheit vor Gott.” Paulus schreibt in seiner Epistel an die Galater: „Denn das Fleisch gelüstet wider den Geist, und den Geist wider das Fleisch. Dieselbigen sind wider einander.” Die Christian Science gibt ihren Anhängern mit Paulus den Rat: „Wandelt im Geist, so werdet ihr die Lüste des Fleisches nicht vollbringen”; und wie er an einer anderen Stelle schreibt: „Regieret euch aber der Geist, so seid ihr nicht unter dem Gesetz.” Die Christian Science lehrt sehr ausdrücklich, daß derjenige, welcher sich vom Geiste leiten läßt, nicht unter dem materiellen Gesetze ist, nicht unter dem Gesetze der Materie, dem physischen Gesetze, sondern unter dem göttlichen Gesetze. Je ernstlicher wir im Geiste wandeln, desto weiter entfernen wir uns von den Gesetzen der Sterblichkeit. Wenn wir also nach den Lehren der Christian Science leben, werden wir mehr und mehr frei von den Banden der Sinne; mehr und mehr frei von den Erzeugnissen der Sinne, die dazu dienen uns fortwährend gefangen zu halten.
Das begrenzte Wahrnehmungsvermögen beurteilt alle Dinge vom Standpunkte des Ansehens, während die Christian Science vom Standpunkte des Prinzips, vom Standpunkte Gottes ausgeht. Jesus sagte: „Richtet nicht nach dem Ansehen, sondern richtet ein recht Gericht”; und Jesaja erklärte in seiner Prophezeiung bezüglich der Erscheinung des Friedenskönigs: „Auf welchem wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rats und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn. Und Wohlgeruch wird ihm sein die Furcht des Herrn. Er wird nicht richten, nach dem seine Augen sehen, noch strafen, nach dem seine Ohren hören; sondern wird mit Gerechtigkeit richten die Armen, und mit Gerechtigkeit strafen die Elenden im Lande.”
Kein Urteil, welches der Sinnesbezeugung gemäß ist, oder auf derselben beruht, ist zuverlässig und vertrauenswürdig; daher kann kein solches Urteil ein „recht Gericht” sein. Das Ansehen hat kein Prinzip, keinen Maßstab, keine Basis in der Wirklichkeit, und kann deshalb nicht als Zeuge dienen. Da nun nach den Lehren Jesu die Sinnesbezeugung oder das Zeugnis des Ansehens nicht richtig ist, weil es nicht gerecht ist, so kann es doch für niemand, und besonders nicht für die Nachfolger Christi recht sein, solchem Zeugnis zu glauben.
Jesus richtete nicht nach dem Ansehen.
Als Jesus dem Manne begegnete, welcher blind war von Mutterleibe, richtete er nicht nach dem Ansehen. Seine Jünger waren geneigt von diesem Standpunkte aus zu richten, indem sie die Frage stellten: „Meister, wer hat gesündiget, dieser oder seine Eltern, daß er ist blind geboren?” Jesus antwortete: „Es hat weder dieser gesündiget noch seine Eltern,” und daraufhin heilte er ihn. Als der Mann mit der verdorreten Hand zu ihm kam, zog er nicht die Sinnesbezeugungen zu Rate; er räumte ihnen kein Recht ein und schrieb ihnen keine Macht zu; nein, er sprach zu dem Manne: „Strecke deine Hand aus! Und er streckte sie aus; und sie ward ihm wieder gesund gleichwie die andere.” Am Grabe des Lazarus maß er den Sinnesbezeugungen, welche erklärten, „Er ist schon zu lange tot,” keinen Glauben bei; nein, in direktem Widerspruch zu allem, was die Sinne darüber zu sagen hatten, befahl er dem Lazarus herauszukommen; und er kam heraus und wurde seiner Familie und seinen Freunden wieder geschenkt.
Unser Herr und Meister richtete nicht nach den begrenzten Begriffen des Lebens; d. h. nicht nach den begrenzten Begriffen des Lebens, welches im Tode endet, sondern nach den Begriffen des ewigen Lebens, des Lebens welches nie stirbt und welches über den Tod siegt. Der Mann, welcher mit schäumendem Munde aus den Gräbern kam, und welcher so wild war, daß niemand ihn binden und bändigen konnte, wurde durch den Verweis der Wahrheit als ein bereitwilliger und gehorsamer Jünger zu den Füßen Christi gebracht. Jesus richtete nicht „nach dem seine Augen” sahen, noch strafte er, „nach dem seine Ohren” hörten. Er verurteilte weder die Kranken zu ihrer Krankheit, noch die Gebrechlichen zu ihren Gebrechen, noch die Sünder zu ihren Sünden, sondern mit Gerechtigkeit richtete er die Kranken sowohl als auch die Sünder. Er „gebot” der Krankheit und der Sünde, und setzte die Bekümmerten in Freiheit. Er richtete die Sünder nicht nach ihren Sünden, sondern sprach über sie ein gerechtes Urteil aus.
Die Christian Science, welche ebenfalls nicht nach dem Ansehen, sondern ein recht Gericht richtet, kommt zu eben solch Schwerbeladenen. Sie nimmt ihnen ihre Last des Übels und setzt sie in Freiheit, geistig sowohl als auch körperlich. Sie werden gesund und stark, so daß die materiellen Sinne den Wechsel von der Krankheit zur Gesundheit, von einem lebendigen Tod zu einem lebendigen Leben zugeben und zugeben müssen. Nach den Sinnesbezeugungen zu urteilen, wie viele hoffnungslose Invaliden gibt es doch heutzutage, die in einem Zustande des lebendigen Todes ein jammervolles Dasein fristen! sie schleppen sich dahin unter der stets wachsenden Last des Mitleides und der Furcht, die ihnen fortwährend auferlegt wird, indem man in Gedanken und durch Worte und Blicke zu ihnen sagt: „Armes Wesen; wie krank Du doch bist!” Gar oft wird diese Last noch schwerer gemacht durch die sehr tröstliche Bemerkung: „Der Herr schickt Dir diese Heimsuchung zu einem guten Zweck.” Die Christian Science kommt, um solche von dieser schrecklichen Last zu befreien und ihnen zu zeigen, daß Gott ihnen diese Heimsuchungen nicht gesandt hat; daß solche Heimsuchungen weder zu ihrem geistigen, noch moralischen, noch körperlichen Wohl nötig sind und daß dieselben sie nicht in den Himmel bringen können; ferner, um ihnen zu zeigen, daß ihre Sünden (mögen sie auch noch so zahlreich sein) vergeben, ihre Krankheiten geheilt, ihre Lasten weggewälzt werden, sobald sie sich von ganzem Herzen zum Herrn wenden. Dann sind sie „recht frei.”
Die Christian Science findet jedoch ihre Hauptaufgabe nicht in der Heilung der Kranken; auch darf man sie nicht als eine der vielen bestehenden Heilmethoden ansehen. Die Christian Science kommt, um die Welt vom Irrtum zu heilen. Sie heilt Sünde sowohl als Krankheit. Sie heilt Unwissenheit; denn jeder, der mit ihr in Berührung kommt, gewinnt notwendigerweise an Kenntnis und Bildung. Sie heilt Armut, eine Plage, die bei einzelnen Personen ihren Anfang nimmt, sich auf Familien erstreckt, Ortschaften verwüstet und ganze Nationen verheert. Die Christian Science lehrt, daß niemand es nötig hat arm zu sein; daß Armut nicht länger als eine christliche Tugend angesehen werden sollte. Er, die Quelle alles Guten, gibt ohne Maß. Niemand hat es nötig kärglich zu bitten, und niemand sollte kärglich bitten, wenn er zu dieser Quelle kommt; denn das Geben ist deren wahre Natur. „Nichts kann mir fehlen, ich bin reich, wenn Gott mein Alles ist.” Die Christian Science kommt um die Welt von allem Übel, allem Unrecht zu heilen; denn im Reiche Gottes gibt es kein Übel und kein Unrecht. Sein Reich wird kommen und Sein Wille wird geschehen „auf Erden wie im Himmel,” wie wir schon längst gebetet haben. In Wirklichkeit ist Sein Reich jetzt schon hier und die Tür ist weit offen. „Siehe, ich habe vor dir gegeben eine offene Thür, und niemand kann sie zuschließen.”
In hunderten von Fällen sind Männer von der Angewohnheit des Tabaksgebrauches, von der Trunksucht, der Untreue, dem Atheismus, dem religiösen Zweifel, dem Gebrauch ruchloser Redensarten und der Brutalität gegen Frau und Kinder geheilt worden. Die Christian Science heilt nicht nur körperlich, sondern auch geistig. Sie heilt die Finanzen, das Verständnis, die Wissenschaft, die Erziehung, — alles was wesentlich ist. Sie ist in ihrer Tendenz weit davon entfernt, engherzig oder beschränkt zu sein. Sie erweitert den Gesichtskreis und bringt höheres Verständnis. Sie reinigt und läutert die Menschheit und befördert deren Entwicklung. Sie ist im höchsten Sinne eine befreiende und veredelnde Religion. Sie ist in allen Fällen anwendbar. Sie beantwortet alle Fragen und löst alle Probleme. Sie richtet ihre forschenden Strahlen auf alle physischen Erscheinungen, alle materialistischen Meinungen, Annahmen, Mutmaßungen, Vorstellungen und Glaubenslehren.
Die Christian Science ist weder Spiritismus, noch Mental-Suggestion.
Denjenigen, welche an vielerlei Geister glauben, offenbart die Christian Science die wissenschaftliche Tatsache, daß Gott Geist ist; und da es nur einen Gott gibt, so gibt es nur einen Geist. Vielerlei Geister existieren nicht; es existieren überhaupt gar keine Geister, denn Gott ist alleinig, unzerteilt und unzerteilbar, und der Mensch und das Weltall, welche das göttliche Prinzip oder den Geist darstellen und zum Ausdruck bringen, sind geistig, aber nicht Geist.
Die Christian Science lehrt die Tatsache, daß der Materie, oder dem Körper, kein Geist innewohnt, und daß deshalb kein Geist vom Körper scheiden kann. Aus demselben Grunde sind verkörperte Geister, entkörperte Geister, dahingeschiedene Geister und zurückgekehrte Geister nichts weiter als Illusionen, ohne Prinzip oder Wirklichkeit. Sie gehören gerade so wenig der Wirklichkeit an als die Götter der Mythologie. Die Christian Science, die Wissenschaft des Lebens richtet ihre forschenden Strahlen auf den Spiritismus, den Mesmerismus, die Mental-Suggestion, den Hypnotismus, den tierischen Magnetismus usw. und beweist, daß sie alle der Erde angehören, daß sie irdisch sind. Sie zeigt, daß diese Erscheinungen bloß Phantasien eines begrenzten Wahrnehmungsvermögens sind, welche im Lichte der Ewigkeit die Probe nicht bestehen können; deshalb können sie auch vor der Christian Science die Probe nicht beistehen.
Es wird vielfach angenommen, daß die Lehren und die Praxis der Christian Science auf einer Konzentration des menschlichen Geistes beruhe. Eine solche Annahme repräsentiert jedoch gerade so wenig die Lehren und die Praxis der Christian Science als die Dunkelheit das Tageslicht repräsentiert. Die Christian Science lehrt, daß es nur einen Geist gibt und daß dieser Geist Gott ist. Sie lehrt keine Gedankentätigkeit, welche die Verwirklichung unserer Wünsche zum Zweck hat, so daß man z.B. eine Reise nach Europa dadurch herbeiführen könnte, daß man dieselbe fortwährend in Gedanken hält. Das gehört dem menschlichen Geist an, ist einfach dummes Gerede des begrenzten Wahrnehmungsvermögens und hat mit den erhabenen Lehren der Christian Science absolut nichts gemein; denn diese Lehren entfalten klar und deutlich und beweisen unwiderlegbar die alleinige Existenz Gottes sowie die Vollkommenheit des Menschen und des Weltalls.
Wie die Wissenschaft der Mathematik, so lehrt auch die Christian Science nicht was man tun soll. Sie lehrt das, was wahr ist, und dann gibt es nichts weiter zu tun. Der Mesmerismus hat gerade so wenig Ähnlichkeit mit der Christian Science als mit der Mathematik. Man stelle sich eine Person vor die es versucht, vermittelst Mentalsuggestion und Hypnotismus die Mathematik zu lehren oder anzuwenden! Ebensowenig wird ein echter Christian Scientist beim Unterricht der Christian Science oder in deren Praxis magnetischen oder hypnotischen Einfluß in Anwendung bringen. Mesmerismus und tierischer Magnetismus lehren, daß es vielerlei Geister gebe, und daß ihre Tätigkeit in der Kontrolle des stärkeren Geistes über den schwächeren bestehe. Die Christian Science hingegen lehrt, daß es nur einen Geist gibt und daß dieser Geist Gott ist. Der sogenannte sterbliche oder begrenzte Geist ist die Verneinung des göttlichen Geistes, und er ist deshalb kein Geist. In diesem begrenzten und falschen Geist haben der Mesmerismus, Hypnotismus und Magnetismus ihren Ursprung und sind da reichlich vorhanden; nie aber erreichen sie den göttlichen Geist, in welchem es kein Übel gibt, und welchem kein Übel bekannt ist.
Die Christian Science befreit die Menschen von dem Aberglauben, daß Gott durch Erdbeben straft und daß er seine Rache durch den Krater eines Vulkans ausspeit; daß er Blitze schießt, im Donner tobt und im Sturm wütet. Sie lehrt, daß solche Kundgebungen in der erhabenen wissenschaftlichen Wirklichkeit des Daseins nicht zu finden sind, und daß dieselben vor dem Fortschritt der Erkenntnis der Wahrheit, welcher sich in der heutigen Zeit geltend macht, verschwinden wird.
Gott und der Mensch Gottes.
Die Christian Science lehrt die wissenschaftliche und ewige Beziehung Gottes zum Menschen. Den von Gott erschaffenen Menschen und das von Gott erschaffene Weltall hat jedoch kein sterbliches Auge je gesehen. Die Science allein kann den Menschen Gottes und das göttliche Weltall offenbaren. Der sogenannte materielle Mensch und das sogenannte materielle Weltall waren nie geistig, sind nicht die Schöpfung des Geistes, nicht die Schöpfung Gottes, sondern das Werk des sterblichen Geistes. Dieser sterbliche Geist ist jedoch an und für sich schon eine Unwahrheit; er ist die Verneinung des Daseins in derselben Weise wie die Finsternis die Verneinung des Lichtes ist. Der Christian Science gemäß hat der Mensch keinen negativen Anfang wie manche behaupten; auch schließt sein Wesen keine Verneinung in sich; denn wenn die Prämisse falsch ist, muß auch die Folgerung falsch sein. Ein negativer Mensch wäre das gerade Gegenteil des Menschen und wäre deshalb kein Mensch. Von einer begrenzten Basis und von dem physischen Standpunkte aus durchsucht man die Welt vergeblich nach dem Menschen.
Der Mensch, wie wir ihn in der Christian Science finden, ist die vollkommene Kundgebung seines reinen und vollkommenen Prinzips, Gottes. Er ist heute so vollkommen wie er je war und je sein wird. Er ist so vollkommen wie sein Schöpfer, welcher die Vollkommenheit selbst ist. In der Christian Science gibt es keine Fehler, weder in der Prämisse, noch in der Folgerung, weder in der Ursache, noch in der Wirkung, weder im Prinzip, noch in der Kundgebung.
Die Christian Science legt die Axt an die Wurzel des Baumes und „alle Pflanzen, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzet, die werden ausgereutet.” Sie redet vom ewigen Prinzip aller Dinge und beschäftigt sich mit ewigen Tatsachen. Das was nicht eine ewige Tatsache ist, das was nicht durch alle Ewigkeit als Tatsache besteht ist auch heute keine Tatsache; denn in der Wissenschaft des Lebens ist eine Tatsache, eine immerwährende, eine ewige Tatsache. Die Christian Science dringt in das Innere der Dinge ein und bringt das Ewige, das Bleibende, das Geistige, das Wahre an das Licht. Vermittelst der ewigen Wahrheiten zerstört sie das Falsche, das Scheinbare das Zeitliche, das Begrenzte. Sie zerstört Krankheit und Sünde vermöge ihrer Erkenntnis, daß Gott Alles ist, daß es in Ihm keine Sünde gibt, nichts, „das Greuel thut und Lüge.”
Wie viele Tausende schlafen heute im stillen Grabe, weil sie von Ärzten und Freunden zum Tode verurteilt wurden! Dem Anscheine nach waren sie verloren; die Umstände schienen den Tod unvermeidlich zu machen. Hingegen, wie viele wurden durch die Behandlung in der Christian Science wie ein Brand aus dem Feuer errettet, und sind heute lebende Zeugen der Macht der Wahrheit über den Irrtum, Denkmäler der den Tod zerstörenden Macht des Lebens!
Wir möchten nicht dahin verstanden sein, daß wir die Ärzte tadeln oder ihnen etwas am Zeuge flicken wollen. Die meisten von ihnen sind eifrig, ehrlich und aufopfernd in ihrer Arbeit. Sie handeln ihren besten Kräften und ihrem höchsten Verständnis gemäß und forschen fortwährend nach Wegen und Mitteln, um der leidenden Menschheit Hilfe und ihren Mitmenschen Linderung zu schaffen. Ehrliche und gewissenhafte Christian Scientisten haben genug zu tun ohne sich um anderer Leute Sachen zu kümmern oder anderer Leute Angelegenheiten zu tadeln.
Lebensweise.
Es mögen hier wohl einige Worte bezüglich der Lebensweise und der Praxis in der Christian Science angebracht sein. Leben die Christian Scientisten in vollständiger Übereinstimmung mit der Christian Science? Nein, das kann man nicht behaupten. Die absolute Christian Science bedeutet die absolute Vollkommenheit des Daseins. Sie bedeutet jenen vollkommenen Zustand, in welchem der Mensch so vollkommen ist wie der „Vater im Himmel vollkommen ist.” Sie bedeutet die absolute Harmonie des Himmels. Diese Höhe des Lebens und der Demonstration haben die Christian Scientisten noch nicht erreicht; auch behaupten sie nicht dieselbe erreicht zu haben. Sie wohnen noch in Häusern, fahren auf der Straßenbahn, tragen Kleider und nehmen Nahrungsmittel zu sich. Sie tragen Überröcke und Mäntel wenn es kalt ist, setzen sich an den Ofen um sich zu wärmen und machen es sich auf verschiedene Arten bequem. Sie gebrauchen in allen Dingen gesunden Menschenverstand und Vernunft, denn die Christian Science steht dem nicht bei, der unvernünftig handelt. Sie springen nicht herab von der Zinne des Tempels und versuchen es nicht aus Steinen Brot zu machen. Sie erlauben sich keine unnötige und unangebrachte Handlung aus Gehorsam gegen eine verlockende und täuschende Versuchung, welche sie gerne zu solcher Handlung überreden möchte. Die Christian Scientisten haben noch nicht das Maß der vollkommenen Gottessohnschaft erreicht; sie wachsen aber in der Erkenntnis der Wahrheit und des Lebens Christi. Sie brauchen Hilfe und keinen Tadel, wie es auch ihre Pflicht ist anderen zu helfen und nicht sie zu tadeln.
Die Christian Scientisten machen sich die Liebe direkt zum Studium, und sie lernen daher mehr zu lieben und besser zu lieben als sie je zuvor fähig waren zu lieben. Sie entsagen sich materiellen Bequemlichkeiten und Freuden nur in dem Maße in dem sie denselben entwachsen sind, und sie entwachsen denselben durch das Studium, das Verständnis und die Erkenntnis der Wahrheit, wie Jesus sie besaß. Sie nehmen keine Medizinen, weil sie deren Nutzlosigkeit durch Erfahrung und Studium eingesehen haben; weil sie gelernt haben, daß sie in Krankheitsfällen sich und anderen durch das Verständnis, daß der Geist den Körper regiert, und daß Krankheiten nicht zur Wirklichkeit des Daseins gehören, weit besser helfen können. Wenn Krankheit und Sünde zur Wirklichkeit des Daseins gehörten, so könnten sie nicht überwunden und zerstört werden. Selbst Gott könnte sie nicht zerstören, wenn sie Realitäten wären.
Die Christian Scientisten sprechen in der Regel nicht von ihren Krankheiten. Ihre Unterhaltung dreht sich nicht um die Gebrechen, die Leiden und die Übelstände des Tages. Sie sprechen von dem, was sie mehr interessiert, was ihnen und anderen erfahrungsgemäß zur Erbauung und zur Förderung dient, nämlich Gesundheit, Glück und Frieden. Sie tun dies nicht etwa aus Gehorsam gegen eine Regel oder ein Nebengesetz, sondern weil sie nur solche Dinge für besprechenswert halten.
Die Christian Science ist für alle Leute eine Wohltat.
Die Christian Science kommt nicht, um eine Sache mehr zu kritisieren als eine andere. Sie kommt zu allen in gleicher Weise. Sie kommt zu jedem Einzelnen, zum Reichen wie zum Armen, zum Hohen wie zum Niedrigen. Sie kommt zum Arzte sowohl als auch zum Christian Scientisten, zu allen Personen in allen Verhältnissen; denn ein jeder nimmt mehr oder weniger das Sinneszeugnis als Tatsache an; ein jeder richtet mehr oder weniger nach dem Ansehen, anstatt ein recht Gericht zu richten.
Der Kampf der Christian Science ist kein Kampf gegen Personen, sondern gegen das sterbliche Wahrnehmungsvermögen. Er ist die Stellungsnahme der Christian Science gegen das begrenzte Bewußtsein, der Wahrheit gegen den Irrtum, des Lebens gegen den Tod, der Liebe gegen den Haß, des Guten gegen das Böse, des Rechtes gegen das Unrecht. Er stellt dem Scheinbaren das Prinzip gegenüber. Durch das Wahre scheidet er das Falsche, durch das Richtige das Unrichtige aus. Er bewirkt das Übrigbleiben des Fähigsten, d.h. die Vertreibung des Niedrigsten durch das Höchste. Die Christian Science bringt dem Menschen nur Frieden, denn sie erscheint, um die Welt von allem Unrecht zu befreien. Sie verkündet nichts als „Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen.” Sie gibt nicht nichts für etwas, sondern etwas für nichts. Sie gibt alles was vorhanden ist im Austausch gegen alles was nicht vorhanden ist. Sie vertauscht das Bleibende und Ewige gegen das Vergängliche und Unendliche, das ewige Leben gegen das sterbliche Leben, das Leben, welches existiert gegen das Leben welches nicht existiert. Sie gibt uns Verständnis an Stelle des blinden Glaubens, die beweisbare Wahrheit an Stelle unserer Meinungen und Annahmen, die Wissenschaft des Daseins an Stelle bloßer Theorien bezüglich des Daseins. Sie gibt uns Kenntnis anstatt Zweifel und Dogma, die Ausübung anstatt bloßer Lehren und Ermahnungen.
Die Christian Science bringt uns das Verständnis des einen großen Prinzips: des Lebens, der Liebe und der Wahrheit. Sie bringt alle Menschen in einen großen Verband, wo Arbeit und Kapital Hand in Hand arbeiten; wo sich nicht einer gegen den anderen schützt, sondern wo ein jeder bemüht ist den anderen zu schützen. Nur die Christian Science kann das Problem zwischen Arbeiter und Kapital lösen, d.h. richtig lösen, denn sie befreit die Vertreter beider Seiten von der Sklaverei ihrer eigenen unglücklichen Zustände.
Die Christian Science ist die Wissenschaft des Lebens, und muß daher auf einem vollkommenen, ewigen Prinzip beruhen. Sie muß die Äußerung eines ewigen, unveränderlichen göttlichen Gesetzes sein. Sie muß das ganze Dasein umfassen und enthalten, denn die Wissenschaft des Daseins muß alles, was vorhanden ist, in sich schließen. Die Christian Science hat nur mit Tatsachen zu tun; mit Tatsachen, welche das Resultat einer von dem einen unleugbaren, selbstbestehenden Prinzip ausgehenden logischen Schlußfolgerung sind. Sie muß ihr Bestehen in sich selbst haben, denn es gibt nichts Höheres, von dem sie ihr Bestehen hätte erhalten können.
(Schluß folgt.)
