Eine scheinbar echte neue Aussage Christi, welche dreizehnhundert Jahre lang verloren gewesen war und neulich in Ägypten wieder gefunden wurde, ist soeben durch Herrn Prof. Henry A. Sanders von der Fakultät der Michiganer Staatsuniversität in einem Vortrag vor den Mitgliedern des archäologischen Instituts der Chicagoer Universität veröffentlicht worden. Es ist ein Fragment einer alten Bibel aus der Zeit vor der muhamedanischen Eroberung Ägyptens im siebten Jahrhundert. Es gehört in das sechzehnte Kapitel der Epistel Markus und folgt auf den 14. Vers. Laut dieses Fragmentes spricht Christus in einem Zimmer in Jerusalem zu seinen elf Jüngern von seinem Erscheinen nach dem Tode. Die Übereinstimmung des Fragmentes mit dem Zusammenhang wird als vollkommen erklärt, da es den schroffen Übergang vom Tadel zur brünstigen Ermahnung mildert.
In unserem heutigen Text der Bibel heißt es wie folgt (Markus 16: 14): „Zuletzt, da die Elfe zu Tische saßen, offenbarte er sich, und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härtigkeit, daß sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten auferstanden.”
Der neue Vers, welcher als 14 A bezeichnet ist, lautet wie folgt: „Und sie antworteten, dieses Zeitalter der Ungerechtigkeit und des Unglaubens sei in der Gewalt des Satans, welcher nicht zugebe, daß die durch die [bösen] Geister verunreinigten Dinge die Wahrheit in Bezug auf Gott und seine Macht verstehen. Aus diesem Grunde offenbare du jetzt die Gerechtigkeit, sagten sie zu Christo, und Christus antwortete und sprach zu ihnen: Die bestimmten Jahre der Macht des Satans sind erfüllt; aber andere schreckliche Dinge sind vor der Tür, und ich wurde um derer willen, die gesündiget hatten dem Tode übergeben, damit sie sich zur Wahrheit kehren und nicht mehr sündigen, und damit sie den geistigen und unvergänglichen Ruhm der Gerechtigkeit, [welcher] im Himmel ist, ererben mögen.” Dann heißt es weiter, Markus 16: 15: „Und sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt, und prediget das Evangelium aller Kreatur.”
In seiner Erörterung dieses neuen Verses sagt Herr Prof. Sanders: „Dieser neuentdeckte Paragraph war dem H. Hieronymus bekannt, und die Anfangslinien desselben finden wir in lateinischen Übersetzungen. Man hat schon lange behauptet, daß die Verse Markus 16: 8–20 ein späterer Zusatz zu diesem Evangelium seien, und daß dieselben gegen Ende des zweiten Jahrhunderts einem anderen Evangelium entnommen wurden. Dieses neue Manuskript ist wahrscheinlich das Original jenes Teiles des verlorenen Evangeliums, welches in verstümmelter Form dem Evangelium Markus beigefügt wurde. Der Grund dieser Auslassung ist klar, denn der neue Vers enthält die Aussage, daß die Vernichtung der Sünde nahe vor der Tür sei. Dieser Gedanke findet sich in den Episteln Pauli und Petri, fehlt aber in den vier Evangelien, und die späteren kirchlichen Schriftsteller vermeiden ihn.”
Die neuentdeckte Bibel enthält ferner den sogenannten liturgischen Schluß des Vaterunsers: „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit.” Der Teil des Manuskriptes, welcher die Aussage Jesu enthielt, wurde der Versammlung von dem Herrn Professor auf dem Einschiebglas einer Zauberlaterne in der ursprünglichen griechischen Sprache vorgezeigt. Er las den Vers erst in griechischer und dann in englischer Sprache vor und erzählte teilweise die Geschichte seiner Entdeckung. Er erklärte, der Text sei von Herrn Charles L. Freer aus Detroit entdeckt worden als derselbe Ägypten bereiste, um seine Kunstsammlung zu bereichern. Als Herr Freer in den Besitz des Manuskriptes kam, hätte das Britische Museum dasselbe gar zu gerne erworben; auch kamen Offerten von verschiedenen Personen. Sowohl vor als auch nach dem Ankauf wurde der Text von hervorragenden Gelehrten der griechischen Sprache untersucht und für unzweifelhaft echt erklärt. Der Text als Ganzes besteht aus vier Teilen und wird zukünftig der Welt als Manuskript I, II, III und IV bekannt sein.
„Manuskript I enthält das fünfte Buch Mosis und Josua,” erklärte Herr Prof. Sanders. „Das erste und vierte Buch Mosis, welche ursprünglich ebenfalls in demselben enthalten waren, fehlen. Es ist das nächstälteste der vier Manuskripte und bietet einen ausnahmsweise genauen Text dieses Teiles der Septuaginta. Manuskript II enthält die Psalmen. Es nimmt dem Alter nach den ersten Rang ein, ist aber sehr vermodert. Manuskript III enthält sämtliche vier Evangelien. Es wurde wahrscheinlich im fünften und sechsten Jahrhundert verfaßt, und wir finden in demselben viele interessante Abänderungen der Lesart. Manuskript IV ist bloß ein vermodertes Fragment. Es enthielt einstmals die Apostelgeschichte und die Episteln, aber nicht die Offenbarung. Es ist ein älteres und besseres Manuskript als das der vier Evangelien, und seine Lesart wird, soweit sie entziffert werden kann, von großem Wert sein. Diese Manuskripte sowohl als auch die Kunstsammlung des Herrn Freer wurden von Sachverständigen der Regierung untersucht und für echt erklärt.”
