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Das geduldige Ertragen des Irrtums.

Aus der Dezember 1909-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Mrs. Eddy stellt in einem Artikel im „Christian Science Sentinel“ vom 23. September 1905 folgende ernste Frage: „Was sollten wir vorziehen: das Behagen in der Sünde oder das Unbehagen in derselben?” Wir tun wohl daran, wenn wir die Gedanken, welche unsre Führerin hier ausspricht, etwas näher betrachten. Wie viele von uns sind wohl dieser Frage offen gegenübergetreten? Wie viele haben sie ehrlich beantwortet? Ist es wirklich unser Wunsch, daß unsre Irrtümer bestraft werden mögen? Wie verhalten wir uns dem Unbehagen gegenüber, welches unsre unrechten Gedanken und Taten herbeigeführt haben? Sind wir in den Leiden, die unser Mangel an Liebe und Frömmigkeit verursacht hat, geduldig oder ungeduldig? Freuen wir uns über die Disziplin, welche uns unsre Irrtümer verleidet, oder „bitten wir die Weisheit, nachsichtig zu sein und die Sünde nicht zu strafen?” („Science and Health,“ S. 10).

Werden wir bei der Erwägung dieser Frage nicht gar zu leicht von der Nachsicht, die wir mit uns selbst haben, beeinflußt? Mit andern Worten: überreden wir uns nicht oft, daß unsre Irrtümer ungestraft bleiben sollten, oder daß sie wenigstens nicht die volle Strafe verdienen, obschon wir keine Reue und Besserung bewiesen haben? Gottes Kinder werden nicht bestraft, denn wir lesen in der Bibel: „Wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde.” Deshalb ist es das falsche Bewußtsein des Menschen, welches sündigt. Sollen wir nun bitten und erwarten, daß dieses falsche Bewußtsein in seiner Täuschung friedlich und ungestört verbleiben möge? Was anders kann den Menschen aus dem materiellen Sinnestraum erwecken, als die denselben begleitende Unruhe und Betrübnis? Im Allgemeinen sind wir allerdings damit einverstanden, daß die Sünde bestraft werde; tragen wir hingegen geduldig die Strafe für unser eignes Unrecht, indem wir einsehen, daß dadurch die Nichtigkeit des Übels zutage tritt, und daß uns auf diese Weise die Liebe zur Sünde abgewöhnt wird?

Ganz unbewußt frönen wir oft den scheinbar kleinen Irrtümern, ohne daran zu denken, daß wir dafür büßen müssen; vielleicht ohne uns bewußt zu sein, daß wir uns das darauffolgende Leiden selbst auferlegen. Solche Erfahrungen scheinen jedoch nötig zu sein, um uns an das unveränderliche Gesetz zu erinnern: „Was der Mensch säet, das wird er ernten.” Wenn wir nur der Sünde ebenso abgeneigt wären wie der darauffolgenden Strafe, welch herrliches Wachstum in der Gerechtigkeit würden wir beweisen! Wenn die Sterblichen einsehen lernen, daß sie „von einem jeglichen unnützen Wort” Rechenschaft geben müssen; daß ihnen alle ihre Torheiten, die kleinen wie die großen, angerechnet werden, und daß der Tag der Abrechnung unvermeidlich ist: dann sind sie für den ersten Schritt im Werke des Überwindens bereit. Rechttun bringt immer den reichen Segen der Gesundheit und des Friedens; Unrechttun hingegen bietet keine Belohnung, und der einzige Wert der darauffolgenden Strafe besteht darin, daß sie die Aufmerksamkeit des Bestraften auf die wahre Natur der Sünde lenkt. Dadurch wird die Liebe zur Sünde in seinem Bewußtsein zerstört. Obgleich die Wissenschaft des Guten die Unwirklichkeit des Übels und seiner Folgen darlegt, so lehrt sie doch gleichzeitig, daß der Sünder „aus der Sünde eine Wirklichkeit machen möchte,” und daß er gestraft wird, weil er solches tut und so lange er solches tut („Science and Health,“ SS. 339, 497). Nur diejenigen sind frei von Leiden, welche „reines Herzens sind,” und welche weder das Übel kennen, noch ein Verlangen nach demselben haben. Wer sich nur aus Furcht vor Strafe der Sünde enthält, hat noch nicht die wahre Gerechtigkeit erlangt; denn nur die Liebe zum Guten heiligt den Menschen.

Freuen wir uns darüber, daß wir nicht sündigen können, ohne dafür zu leiden? Um diese wichtige Frage ehrlich beantworten zu können, müssen wir unsre Neigungen und Wünsche genau untersuchen. Haben die Dinge der materiellen Welt noch Reiz für uns? Sind wir dazu geneigt, ihretwegen unser geistiges Wohl aufs Spiel zu setzen? Folgen wir dem Sirenengesang der Sinnlichkeit, und suchen wir dann durch die Behandlung in der Christian Science den üblen Folgen zu entgehen? Ist es andrerseits unser Verlangen, um Christi willen alles daranzugeben, möge es auch kosten was es wolle? Wenn dies unsres Herzens Wunsch ist, sollte uns dann die Strafe für unsre Irrtümer nicht lieb sein, weil wir durch dieselbe höher geführt werden? Sollten wir unsrer Versäumnisse wegen nicht geduldig leiden, weil diese Feuerprobe die Liebe zur Sünde zerstört und wir uns dann bereitwilliger Gott zuwenden?

Christian Science bezweckt mehr die geistige und moralische Umwandlung des Menschen als seine körperliche Wiederherstellung. Wenn dies nicht der Fall wäre, welchen Vorzug hätte der Christian Scientist vor dem Hypnotiseur, welcher zugestandenermaßen ohne Rücksicht auf moralische Zustände heilt? Wenn wir in der Sünde beharren und zugleich ihre bösen Folgen durch mentale Behandlung verdecken könnten, so wäre das ein Schaden für uns; denn die wahre Absicht des Christentums oder der Christian Science ist die Wiedergeburt des Menschen, d. h. das Anziehen des neuen Menschen, der weder die Sünde kennt, noch ein Verlangen nach ihr hat. Christian Science beseitigt die Folgen der Sünde nur dann, wenn der Patient der Sünde entsagt. Wer die Kraft der mentalen Heilung in irgendeiner andern Weise anwendet, verfälscht die Wahrheit und macht sich der Fähigkeit, andern zu helfen, verlustig. (Siehe „Science and Health,“ S. 410.)

Wenn wir von ganzem Herzen sagen können: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe,” so werden wir die Berichtigung unsrer Irrtümer geduldig ertragen, bis wir Gehorsam gegen Gottes Gebote gelernt haben. Seinem Willen gemäß können nur Frömmigkeit, Liebe und Unschuld — alles, was Sein Wesen reflektiert — im Frieden leben, während das Übel stets einen der Frömmigkeit entgegengesetzten Zustand und eine der Harmonie widerstreitende Auffassung der Dinge bewirkt. Wie können wir Frieden begehren und denselben erlangen, solange wir nicht das Bewußtsein der Frömmigkeit und der Gottesähnlichkeit erreicht haben? Es liegt ein großer Unterschied darin, ob wir Gott bloß um Erlösung vom Übel bitten, oder ob wir so mit Ihm verkehren, daß unsre Gedanken stets mit der Wahrheit im Einklang stehen und das Übel ausgetrieben wird. Es ist sehr verschieden, ob wir in der mentalen Behandlung nur einfach den Buchstaben der Christian Science behaupten, um dadurch der Strafe für die Sünde zu entgehen, oder ob wir in der Wahrheit leben und dieselbe so lieben und verstehen, daß wir jede Art der Sünde und des Irrtums verabscheuen. Suchen wir uns nicht oft dadurch zu rechtfertigen, daß wir unsern Mangel an geistigem Wachstum als Grund angeben, weshalb wir nicht allen Anforderungen der Wahrheit entsprechen können? Dies mag allerdings in gewisser Hinsicht der wahre Grund sein; es liegt jedoch die Gefahr sehr nahe, daß wir auf diese Weise unsre strafbaren Sünden zu entschuldigen suchen. Um sicher zu gehen, sollten wir ja darauf sehen, daß eine solche Entschuldigung nicht in unserm sinnlichen Verlangen ihren Ursprung hat. Wer seine Fehler entschuldigen möchte, liefert den sicheren Beweis, daß er noch nicht sein möglichstes getan hat, um dieselben zu überwinden.

Wenn wir bestrebt sind, das Leben, welches Christian Science offenbart, in uns zum Ausdruck zu bringen, sollten wir dann nicht, wie Paulus, „gutes Mutes ... in Ängsten” sein, da Trübsal doch nur das falsche Bewußtsein der Zufriedenheit mit dem Materiellen in uns zerstören und uns zum eifrigen Streben nach dem geistigen Bewußtsein des Daseins antreiben soll? Das Gefühl des Behagens in der Sünde beweist einen Zustand des Selbstbetrugs. Dieser Zustand ist weit schlimmer als Strafe, weil er die Sinnestäuschung begünstigt anstatt sie zu berichtigen, und weil er im besten Fall das peinliche Erwachen weiter in die Ferne rückt. Als Christian Scientisten haben wir die Wahrheit so weit erkannt, daß wir nicht mehr der Sünde dienen und gleichzeitig im Frieden leben können. Wir wollen uns dessen freuen.

Ungeduld ist nur dann eine Tugend, wenn sie auf unsre Gleichgültigkeit gegen unsre Pflichten Bezug hat. Wenn wir alles tun, was wir als unser Werk erkennen; wenn sich unsre Gedanken immer nur mit dem Guten beschäftigen; wenn wir uns von den Verlockungen des materiellen Behagens und der materiellen Belustigungen abwenden und den Anforderungen der Wahrheit „so schnell als tunlich ist,” nachkommen („Science and Health,“ S. 254): dann brauchen wir uns keine Sorgen darüber zu machen, daß unsre Schritte trotz all unsrer Bemühungen oft unsicher sind, und daß wir so wenig zustande gebracht haben. Wenn wir unsre Geduld bewahren, obschon wir nicht alles, was nötig scheint, gleich heute tun können, so stärkt uns das für die neuen Anstrengungen am morgenden Tage; während Ungeduld mit unserm Unvermögen unser Streben schwächt und unsern Fortschritt hindert.

Falls wir noch nicht von einem besonderen Übel befreit worden sind, oder falls eine besondere Sinnestäuschung nur sehr langsam zu weichen scheint, obgleich unsre Bemühungen treu und beharrlich waren, so dürfen wir nicht ungeduldig werden und uns beklagen, sondern wir müssen um so ernstlicher bestrebt sein, aus unsern Erfahrungen eine gute Lehre zu ziehen. Strafe bezweckt nichts weiter als Bekehrung. Stehen wir nicht vielleicht deshalb immer noch unter der Strafe, weil wir nicht alles verstehen, was uns unsre Erfahrungen lehren sollen? Wenn wir die Unannehmlichkeiten, welche wir unsres mangelhaften Verständnisses oder unsrer mangelhaften Fähigkeit wegen noch nicht überwunden haben, geduldig ertragen, so beweisen wir dadurch vielleicht ebenso große Treue und Aufrichtigkeit, wie diejenigen, welche dieselben Schwierigkeiten mit scheinbarer Leichtigkeit besiegen. Wenn wir dem göttlichen Willen gehorchen, insoweit wir ihn verstehen; wenn wir der Sünde ihrer Sündhaftigkeit wegen entsagen und den materiellen Anschauungen und Gebräuchen nur ungern Zugeständnisse machen; wenn unser Sehnen in allen Dingen rückhaltlos auf Gott gerichtet ist: dann werden wir für unsre Treue gegen die wahre Idee belohnt werden; dann wird das Übel, wenn auch langsam, so doch sicher aus unserm Bewußtsein verschwinden, und wir erlangen dann das Erbteil der Kinder Gottes.

Copyright, 1909, by Mary Baker Eddy.
Verlagsrecht 1909, von Mary Baker Eddy.

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