Mrs. Eddy stellt in einem Artikel im „Christian Science Sentinel“ vom 23. September 1905 folgende ernste Frage: „Was sollten wir vorziehen: das Behagen in der Sünde oder das Unbehagen in derselben?” Wir tun wohl daran, wenn wir die Gedanken, welche unsre Führerin hier ausspricht, etwas näher betrachten. Wie viele von uns sind wohl dieser Frage offen gegenübergetreten? Wie viele haben sie ehrlich beantwortet? Ist es wirklich unser Wunsch, daß unsre Irrtümer bestraft werden mögen? Wie verhalten wir uns dem Unbehagen gegenüber, welches unsre unrechten Gedanken und Taten herbeigeführt haben? Sind wir in den Leiden, die unser Mangel an Liebe und Frömmigkeit verursacht hat, geduldig oder ungeduldig? Freuen wir uns über die Disziplin, welche uns unsre Irrtümer verleidet, oder „bitten wir die Weisheit, nachsichtig zu sein und die Sünde nicht zu strafen?” („Science and Health,“ S. 10).
Werden wir bei der Erwägung dieser Frage nicht gar zu leicht von der Nachsicht, die wir mit uns selbst haben, beeinflußt? Mit andern Worten: überreden wir uns nicht oft, daß unsre Irrtümer ungestraft bleiben sollten, oder daß sie wenigstens nicht die volle Strafe verdienen, obschon wir keine Reue und Besserung bewiesen haben? Gottes Kinder werden nicht bestraft, denn wir lesen in der Bibel: „Wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde.” Deshalb ist es das falsche Bewußtsein des Menschen, welches sündigt. Sollen wir nun bitten und erwarten, daß dieses falsche Bewußtsein in seiner Täuschung friedlich und ungestört verbleiben möge? Was anders kann den Menschen aus dem materiellen Sinnestraum erwecken, als die denselben begleitende Unruhe und Betrübnis? Im Allgemeinen sind wir allerdings damit einverstanden, daß die Sünde bestraft werde; tragen wir hingegen geduldig die Strafe für unser eignes Unrecht, indem wir einsehen, daß dadurch die Nichtigkeit des Übels zutage tritt, und daß uns auf diese Weise die Liebe zur Sünde abgewöhnt wird?
Ganz unbewußt frönen wir oft den scheinbar kleinen Irrtümern, ohne daran zu denken, daß wir dafür büßen müssen; vielleicht ohne uns bewußt zu sein, daß wir uns das darauffolgende Leiden selbst auferlegen. Solche Erfahrungen scheinen jedoch nötig zu sein, um uns an das unveränderliche Gesetz zu erinnern: „Was der Mensch säet, das wird er ernten.” Wenn wir nur der Sünde ebenso abgeneigt wären wie der darauffolgenden Strafe, welch herrliches Wachstum in der Gerechtigkeit würden wir beweisen! Wenn die Sterblichen einsehen lernen, daß sie „von einem jeglichen unnützen Wort” Rechenschaft geben müssen; daß ihnen alle ihre Torheiten, die kleinen wie die großen, angerechnet werden, und daß der Tag der Abrechnung unvermeidlich ist: dann sind sie für den ersten Schritt im Werke des Überwindens bereit. Rechttun bringt immer den reichen Segen der Gesundheit und des Friedens; Unrechttun hingegen bietet keine Belohnung, und der einzige Wert der darauffolgenden Strafe besteht darin, daß sie die Aufmerksamkeit des Bestraften auf die wahre Natur der Sünde lenkt. Dadurch wird die Liebe zur Sünde in seinem Bewußtsein zerstört. Obgleich die Wissenschaft des Guten die Unwirklichkeit des Übels und seiner Folgen darlegt, so lehrt sie doch gleichzeitig, daß der Sünder „aus der Sünde eine Wirklichkeit machen möchte,” und daß er gestraft wird, weil er solches tut und so lange er solches tut („Science and Health,“ SS. 339, 497). Nur diejenigen sind frei von Leiden, welche „reines Herzens sind,” und welche weder das Übel kennen, noch ein Verlangen nach demselben haben. Wer sich nur aus Furcht vor Strafe der Sünde enthält, hat noch nicht die wahre Gerechtigkeit erlangt; denn nur die Liebe zum Guten heiligt den Menschen.
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