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Christian Science und ihr Heilungswerk.

(Schluß.)

Aus der März 1909-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die Lehrmethode Jesu.

Da es nun so wichtig ist, daß ein jeder sein von Gott verliehenes Anrecht auf Freiheit beanspruche, so mag es von Interesse sein näher zu untersuchen, nach welcher Methode Jesus seine Jünger das Heilen lehrte. Dieselben waren keine gebildeten Leute, besaßen aber durchschnittliche geistige Befähigung und waren bis zu einem gewissen Grade mit dem mosaischen Gesetze vertraut. Ohne Zweifel kannten sie die Schriften des Alten Testaments so gut wie die meisten Leute dieselben heutigestags kennen. Wie dem auch sein möge: wir lesen im Evangelium des Lukas, daß Jesus seine Jünger schalt, um ihres Unglaubens willen. Dann „öffnete er ihnen das Verständnis, daß sie die Schrift verstunden.” Wir mögen in unserem Unglauben mit der Bibel sehr gut bekannt sein, ohne jedoch dieselbe zu verstehen. Als z. B. Jesus den Mann mit der verdorrten Hand heilte, sagte er weiter nichts als: „Strecke deine Hand aus!” Dann heißt es weiter: „Und er streckte sie aus; und sie ward ihm wieder gesund, gleich wie die andere.” Wir kennen diese Worte sehr wohl; angenommen aber, es würde heute jemand einen Menschen, der an einer verdorrten Hand leidet, mit denselben Worten anreden, würde ein solches Verfahren allein ihn heilen? Ein jeder muß zugeben, daß das geistige Verständnis des Meisters die Kranken heilte. Man könnte die ganze Bibel vom 1. Buch Mosis bis zur Offenbarung memorieren und würde deshalb doch nicht fähig sein, eine einzige Krankheit zu heilen, denn das geistige Verständnis muß eröffnet werden. „Der Buchstabe tötet, aber der Geist machet lebendig” heißt es in der Heiligen Schrift.

Um die Jünger in dieses geistige Verständnis einführen zu können, mußte Jesus auf ihr geistiges Niveau herabkommen und von da aus die Bedeutung seiner Lehren so erklären, daß sie dieselben verstehen konnten. Er fing mit Gleichnissen an, „und ohne Gleichnis redete er nicht zu ihnen.” Etwas später sagte er: „Es kommt aber die Zeit, daß ich nicht mehr durch Sprichwörter mit euch reden werde, sondern euch frei heraus verkündigen von meinem Vater.”

Jesus verfuhr also genau so, wie eine Mutter verfährt, wenn sie ihr Kind lehrt, daß zwei mal zwei vier ist. Es ist dies ein rein mentales Problem und deshalb dem Kinde anfangs unverständlich. Dasselbe sieht weiter nichts als physische Gegenstände, und die Mutter beginnt deshalb mit etwas Greifbarem, beispielsweise mit roten Äpfeln. Diese haben eine bestimmte Bedeutung für das Kind. Es kann begreifen, daß zwei rote Äpfel in einer Hand und zwei rote Äpfel in der anderen Hand zusammen vier rote Äpfel ausmachen. Bis zu diesem Punkte hat es keinen Begriff von der mentalen Natur des Problems. Bei der zweiten Lektion werden dann die Äpfel weggelassen und das Kind wird dazu angeleitet, sich rote Äpfel vorzustellen und zu denken, daß zwei rote Äpfel und zwei rote Äpfel vier rote Äpfel ausmachen. Bei der dritten Lektion ist es dann so weit gekommen, daß es das mentale Problem ohne die physischen Formen begreifen kann.

Auf diese Weise lehrte Jesus seine Jünger anfangs durch Gleichnisse, indem er auf die leicht begreiflichen Dinge und Erfahrungen des täglichen Lebens hinwies. Dann führte er ihre Gedanken von dem physischen zu dem mehr geistigen Begriff der Dinge, bis sie in gewissem Maße die Wirklichkeit geistiger Dinge begreifen konnten. Ihr Glaube wurde gestärkt durch die sichtbaren Beweise des Heilens, welche der Meister ihnen gab. Es genügte aber nicht, daß sie bloß zusahen, wie ein anderer diese Probleme löste. Ihre zweite Lektion bestand deshalb darin, daß sie je zwei und zwei ausgesandt wurden, um die Kranken zu heilen und so ihr schwaches Verständnis zu beweisen. Als sie zurückkamen, sagten sie: „Herr, es sind uns auch die Teufel untertan in deinem Namen.” Das große geistige Prinzip, das allem Sein und allen Tätigkeiten zugrunde liegt, war ihnen zum Bewußtsein gekommen, und sie bewiesen ihre geistige Erleuchtung durch ihr Heilungswerk. Jesus konnte deshalb beim Anfang seiner dritten Lektion sagen, er werde nicht mehr durch Sprichwörter mit ihnen reden, sondern werde ihnen frei heraus von seinem Vater verkündigen. Mit anderen Worten: er konnte ihnen jetzt geistige Dinge vermittelst geistiger Ausdrücke erklären, und sie konnten geistig verstehen. Von der Zeit an waren ihre Erfolge im Heilen noch größer als früher. Sie gaben den Beweis ihres klaren Verständnisses vom göttlichen Gesetz.

Viele Leute glauben nicht, daß die Heiltätigkeit Jesu einem Gesetz entsprach, das man lernen kann, sondern sie behaupten, die Jünger hätten ihr Verständnis durch die persönliche Eingebung ihres großen Meisters erlangt. Wenn dies der Fall wäre, wie verhält es sich dann mit Paulus und den ersten Christen? Paulus war kein persönlicher Jünger Jesu, und dennoch konnte er die Kranken heilen und die Toten erwecken. Anfangs verfolgte er die Christen und widersetzte sich ihren Lehren; sobald er aber das geistige Verständnis des göttlichen Prinzips erlangt hatte, gab er der Welt durch seine Heiltätigkeit den Beweis von seinem Verständnis. Dieses Prinzip schien ihm nun nicht länger vernunftwidrig. Er hatte die Überzeugung gewonnen, daß man geistige Tatsachen nicht nach dem Maßstabe der fleischlichen Gesinnung bemessen kann. Drei Jahrhunderte lang übte die Kirche das Heilungswerk aus.

Krankheiten haben einen mentalen Ursprung.

Wenn man sich um Trost und Hilfe an Gott wendet, so geschieht es in der Regel im Gebet. Es ist dem Christen geboten, sich um Erlösung von Krankheit sowohl als von Sünde an Gott zu wenden. Nun predigt man zwar fortwährend gegen die Sünde, ist aber des herrschenden Unglaubens wegen in Bezug auf die Heiltätigkeit oft sehr gleichgültig. Es erklärt sich dies vielleicht daraus, daß Krankheiten physisch zu sein scheinen. Wenn man einsieht, daß sie ebenso mental sind als die Sünde, wird es klar, wie beide durch geistiges Gebet vernichtet werden können. Wenn Krankheiten rein physischer Natur wären und nur durch Medizinen und andere materielle Mittel geheilt werden könnten, so gäbe es kein christliches Heilen. Einer der Hauptpunkte in der Theologie der Christian Science ist der, daß Krankheit mentaler Natur ist. Viele Ärzte geben das jetzt zu.

Wir müssen tiefere Blicke tun. Wir müssen hinter der physischen Wirkung die mentale Ursache suchen, wie Moses es tat, als er seine Hand aus dem Busen zog und die mentale Natur des Aussatzes erkannte. Als er ferner auf Gottes Geheiß seine Hand nochmals in den Busen steckte, sie dann wieder herauszog und fand, daß die schreckliche Krankheit verschwunden war, erkannte er die Heilung als eine geistige und sah ein, daß Gott, Geist, der Heiler ist. Es folgt hieraus, daß das christliche Gebet in der Heilung von Krankheiten — die stets mental sind — nicht weniger erfolgreich sein sollte als bei Austreibung der mentalen Sünde.

Wenn ein Zahnarzt ein Betäubungsmittel anwendet, um die Gedanken des Patienten während der Operation zu suspendieren oder abzulenken, so geht er von dem Standpunkte aus, daß wenn der Mensch nicht denken kann, er auch nicht fühlen kann; denn während die Gedanken des Patienten suspendiert oder abgelenkt sind, empfinden sein Fleisch und seine Knochen keinen Schmerz; sie sind an und für sich ohne Gefühl, Leben und Intelligenz. Der Schmerz liegt daher ausschließlich im Denken, im sterblichen Bewußtsein und nicht in der physischen Gestalt. Wir sehen also, daß selbst die Chirurgie auf indirekte Weise die mentale Natur von Krankheit beweist.

Der menschliche Geist wirkt nicht erneuernd.

Die Behauptung, daß Krankheit mental sei, veranlaßt oft die Bemerkung: „Wenn Schmerz ausschließlich im Denken liegt, so denken Sie doch, Sie seien gesund, und Sie werden gesund sein.” Nun ist es aber Tatsache, daß die irrtümliche Annahme, welche Krankheit verursacht, dieselbe nicht kurieren kann. Wenn es nur nötig wäre zu denken, daß man gesund sei, so könnte man ja Anordnungen treffen, daß heute nacht um 12 Uhr alle Leute denken, sie seien gesund, und Schmerz und Leiden wären vor Anbruch des Tages verschwunden. Es kann jedoch selbst die schärfste Logik der materiellen Philosophie einen leidenden Menschen nie und nimmer davon überzeugen, daß seine Schmerzen unwirklich seien, denn der Geist, welcher Krankheit verursacht, kann dieselbe unmöglich vernichten. Nur der göttliche Geist, den Jesus Christus offenbarte, kann Sünde und Krankheit bloßlegen und sie dann zerstören. Dieser Geist, der Christo Jesu innewohnte, trat seit Anfang der Christenheit bis auf den heutigen Tag klar hervor als das Universalmittel gegen die Leiden der Menschheit. Es ist daher so sehr nötig, daß man sich den Geist Christi Jesu aneigne.

Christian Scientisten treten nicht mit der herzlosen Erklärung an das Krankenbett: „Es fehlt Ihnen nichts.” Jesus hatte Mitleid mit den Gebundenen. Er heilte nicht einen einzigen Menschen dadurch, daß er dessen Leiden ignorierte; vielmehr sah er die Krankheit als ein Problem an, welches durch das Erkennen der Wahrheit, durch Gehorsam gegen das göttliche Gesetz, und nicht durch eine blinde Annahme gelöst werden müsse. Das geistige Verständnis dieses Gesetzes bringt die Nichtigkeit des Übels an den Tag, und dasselbe verschwindet dann wie Nebel vor der Sonne.

Jesus verwarf den menschlichen Willen.

Man vergesse nicht, daß die angebliche Ursache der Krankheit im sterblichen Bewußtsein liegt, und daß das Verständnis vom göttlichen Geist dieselbe heilt. Es finden sich aber immer Leute, die einen anderen Weg einschlagen wollen. Sie erklären, geistige Gesinnung tauge nur für schwache Frauen und Kinder; aber Männern, die persönlichen Magnetismus hätten, stehe die Ausübung menschlicher Willenskraft viel besser an. Es gibt Leute, die sich diesem unchristlichen Glauben an menschliche Willenskraft zuwenden, um der Christian Science in bequemer Weise Konkurrenz zu machen. Sie suchen Krankheit auf mentalem Wege zu heilen. Man hat diese Versuche mit verschiedenen Namen bezeichnet, wie z. B. Suggestive Therapeutik, Psycho-Therapeutik oder Christliche Psychologie. Es wird zugegeben, daß solche Methoden die Tätigkeit des menschlichen Willens oder der fleischlichen Gesinnung in sich schließen. Gottlose Menschen, Atheisten oder Heiden können sich derselben bedienen und sie widerstreiten deshalb dem Sinn Christi, „denn fleischlich gesinnet sein ist eine Feindschaft wider Gott.”

Der menschliche Wille ist eine tierische Neigung. Er möchte gern alles unter seine Herrschaft bringen und preist sich als etwas Großartiges an; „wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein!” Dieser blinde Glaube an einen tierischen Willen ist zum Mord, zu irgend einer Übeltat bereit, um seine eigene Begierde befriedigen zu können. Seine hervorragendsten Merkmale sind Wollust und Selbstsucht. Als ein Lehrsystem erscheint er in mehr versteckter Weise unter den Namen Hypnotismus, Mesmerismus, oder tierischer Magnetismus. Glauben Sie, daß diese Fabel des Materialismus ein Universalmittel für die Leiden der Menschheit sein kann?

Christus Jesus verwarf den fleischlichen Willen ganz und gar, denn er wußte sehr wohl, daß demselben die Freude und die Stärke der göttlichen Liebe, welche Geist und Körper erneuert, nicht innewohnt. Er verstand die Machtlosigkeit des menschlichen Willens, denn er sagte: „Ich kann nichts von mir selber tun. ... Denn ich suche nicht meinen Willen, sondern des Vaters Willen, der mich gesandt hat. So ich von mir selbst zeuge, so ist mein Zeugnis nicht wahr.”

Paulus erklärte, die menschliche Weisheit habe „Gottes Wahrheit ... verwandelt in die Lüge,” und habe „geehret und gedienet dem Geschöpf mehr denn dem Schöpfer.” Die Basis alles Übels, aller Sinnlichkeit, aller Krankheit ist demnach eine Lüge, ohne Geist, Intelligenz oder Kraft. Folglich muß die Anwendung des animalischen Willens oder der Therapeutischen Suggestion eine Lüge über Gott oder die Wahrheit sein. Da nun der fleischliche Sinn etwas Wesenloses ist, so kann ihn niemand als eine Wesenheit erklären. Im 19. Psalm lesen wir: „Wer kann merken wie oft er fehlet” [nach der englischen Bibel: „Wer kann seinen Irrtum verstehen”]. Die Wahrheit hingegen, kann man immer verstehen, und das Verständnis der Wahrheit vertreibt den Irrtum, wie die Sonne den Nebel vertreibt. Wir lernen in Christian Science, wie der Mensch sein göttliches Erbteil, Herrschaft über Krankheit und Sünde, wiedererlangen kann. Infolge unseres zunehmenden geistigen Verständnisses werden wir immer mehr vom Irrtum frei, und unsere Glückseligkeit wird immer größer.

Ursache und Wirkung.

Im Ebräerbrief lesen wir, daß das „Gegenbild” des wahrhaftigen Gesetzes das erwählte Volk nicht vollkommen machte; es erinnerte dasselbe vielmehr fortwährend an seine Sünde, für die es alle Jahre opfern mußte, und zwar immer wieder für dieselben Sünden. Als dann Christus kam, der das geistige, das ewige Gesetz Gottes offenbarte, reinigte er ihr „Gewissen” [ihr Bewußtsein] ein für allemal, so daß diese Sünden aus ihrem Bewußtsein verschwanden und fernerhin weder körperlich noch geistig zum Ausdruck kamen. Der Apostel Paulus beschreibt hierin die wahre Heilung. Jesus behandelte nicht die Wirkung, sondern er schenkte den mentalen Ursachen seine Aufmerksamkeit. Indem er das Bewußtsein von der Sünde reinigte, befreite er zugleich den Körper von der Krankheit und bewies dadurch die enge Beziehung zwischen Krankheit und Sünde. „Welches ist leichter, zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben; oder zu sagen: Stehe auf und wandle?” In derselben Weise heilt Christian Science sowohl physisch als moralisch.

Viele Leute glauben bestimmt, Gott sende der Menschheit Krankheit und Tod. Es würde gar manchen in Erstaunen setzen, wenn er wüßte, wie viele religiösgesinnte Leute Jahr für Jahr durch die kalte und herzlose Erklärung, daß Gott ihnen ihre Lieben genommen habe, in den Atheismus getrieben werden. Christian Science führt diese guten Leute zum Vater zurück, indem sie beweist, daß die göttliche Liebe einem Menschen nie und nimmer Leiden und Krankheit auferlegt. Als Jesus den irrsinnigen Knaben heilte, „bedräuete” er nicht die Engel Gottes, weil er etwa glaubte, Gott habe die Krankheit gesandt, sondern er „bedräuete” den Teufel; „und der Teufel fuhr aus von ihm, und der Knabe war gesund zu derselbigen Stunde.” Auf jene verkrüppelte Frau bezugnehmend, sagte er, sie sei „Abrahams Tochter... welche Satanas gebunden hatte nun wohl achtzehn Jahre”; und er heilte sie dadurch, daß er die sündhafte Ursache austrieb.

Jesus war erschienen, „daß er die Werke des Teufels zerstöre.” Er zerstörte Krankheit wie Sünde mit Wahrheit und Liebe. Für ihn gab es keinen Teufel mit Hufen und Hörnern, sondern er erkannte ihn als die fleischliche Gesinnung, die „dem Gesetz Gottes nicht Untertan ist.” Es mag jedoch ein kranker Mensch nicht halb so sündhaft sein als ein gesunder. Jesus drückte sich über diesen Punkt folgendermaßen aus: „Meinet ihr, daß die achtzehn, auf welche der Turm in Siloah fiel und erschlug sie, seien schuldig gewesen vor allen Menschen, die zu Jerusalem wohnen? Ich sage: Nein; sondern so ihr euch nicht bessert, werdet ihr alle auch also umkommen.” Die fleischliche Gesinnung mit all ihrem Materialismus muß sich bessern, damit wir das Gute behalten mögen.

Paulus schrieb seine Krankheit nicht Gott zu, sondern dem Engel des Satans, der ihn, wie er erklärte, „mit Fäusten” schlug. Er suchte die Erlösung nicht in einem besseren Verständnis seiner Krankheit, sondern in einer höheren Erkenntnis der Macht Gottes,— der Wahrheit, die frei macht. Ferner erhielt Hiob die Ermahnung, er solle Gott besser kennen lernen und rief dann endlich aus: „Ich hatte von dir mit den Ohren gehört; aber nun hat mein Auge dich gesehen.”

Mrs. Eddys Entdeckung.

Ehe Mrs. Eddy Christian Science entdeckte, hatte sie sich jahrelang mit der Erforschung mentaler Ursachen beschäftigt. Sie hatte Homöopathie studiert, hatte die mentale Natur von Krankheiten erkannt und war zu der Überzeugung gekommen, daß die Heilmittel in den höheren Potenzen, d.h. solche, welche am wenigsten Medizin enthalten und die meiste Gedankenkraft darstellen, am wirksamsten sind. Sie setzte ihre Forschungen fort und hatte stets die Frage im Gedächtnis, ob Materie oder Geist die Kranken heile. Das Resultat war, daß sie sich immer mehr von der Homöopathie lossagte und zuletzt den geistigen Standpunkt erreichte.

Während ihrer ferneren Forschungen über mentale Einflüße gewann sie die Überzeugung, daß die Anwendung des fleischlichen Willens oder des Tierischen Magnetismus ihrem Begriff von der Heilung, wie ein wahrer Christ sie ausübt, direkt entgegengesetzt ist, und sie wandte daher diesen Irrtümern auf immer den Rücken. Sie hatte eine geistige Erkenntnis erlangt, welche andere nicht verstehen konnten. Gott führte sie höher und höher bis zum Verständnis des Heilens, wie die ersten Christen dasselbe ausübten. Sie hatte gar manche Prüfungen zu bestehen; dadurch aber, daß sie so ganz natürlich an dem, was sie für wahr erkannt hatte, festhielt und dem Falschen entsagte, bewies sie fortwährend, daß sie befähigt war, die Offenbarung der Wahrheit zu empfangen.

Um diese Zeit wurde ihr Bewußtsein von einem geistigen Licht hell erleuchtet. Sie war bereit, die Botschaft zu empfangen. Der Umstand, welcher ihr geistiges Erwachen bewirkte und sie zu einer bestimmten Folgerung führte, war der, daß sie im Jahre 1866 von einer Verletzung, die sie bei einem Unfall erlitten hatte, auf eine wunderbare Weise geheilt wurde. Sie suchte das leidende Bewußtsein dadurch zu beschwichtigen, daß sie Stellen aus der Bibel las; da wurde ihr plötzlich die tiefe Bedeutung der Schriftworte klar, und sofort war sie geheilt. Ihre langjährigen Forschungen waren nun gerechtfertigt; sie wußte jetzt bestimmt, daß der Geist lebendig macht.

Als Mrs. Eddy auf diese Weise den Tröster, den „Geist der Wahrheit,” welcher die Kranken heilt, gefunden hatte, setzte sie ihre Bibelforschungen eifrig fort. Sie suchte eine scientifische (wissenschaftliche) Erklärung dieses Buches,— eine Erklärung, welche sie anderen mitteilen konnte. Es wurde ihr bald klar, daß die Heilung einem göttlichen Gesetz gemäß bewirkt wird und sie begann ihre Beobachtungen niederzuschreiben. Diese Schriften bildeten die Grundlage ihres herrlichen Buches, welches als „Science and Health with Key to the Scriptures“ bekannt ist und im Jahre 1870 erschien.

Das Lehrbuch.

Diese wunderbare Abhandlung über Christian Science erklärt deren Science oder Wissenschaft so genau, daß Tausende durch das Lesen derselben von den verschiedenartigsten akuten und chronischen Krankheiten geheilt worden sind. Es ist dies die Erfüllung der Verheißung: „Und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.” Mrs. Eddy hat sorgfältig alle persönlichen Ansichten über diesen Gegenstand ausgeschlossen, indem sie sich streng an die bestehenden Tatsachen hielt. Aus diesem Grunde enthält „Science and Health“ nicht die Ansichten einer Frau, denn niemand kann das Gesetz erfinden oder verändern. Mrs. Eddy hat das Gesetz so genau und leicht faßlich dargelegt, daß alle es lesen und verstehen und infolgedessen Freiheit erlangen können. Das letzte Kapitel in dem Lehrbuch „Science and Health,“ welches die Überschrift „Fruitage“ (Früchte) trägt, enthält hundert Seiten Heilungszeugnisse, welche die Tatsache bestätigen, daß das Studium dieses Buches die verschiedenartigsten Erscheinungen der Sünde, der Krankheit und des Unglaubens geheilt hat. Durch ihr großes Befreiungswerk wurde Mrs. Eddy die größte Wohltäterin der leidenden Menschheit, seit der Zeit Jesu, des vollkommenen Christen.

Nun gibt es aber Leute, ja selbst sehr intelligente Leute, die das Christian Science Lehrbuch schwer verständlich finden. Andererseits haben sich oft kleine Kinder die Lehren dieses Buches bis zu einem solchen Grade zueigen gemacht, daß sie sich und andere heilen konnten. Für den Erwachsenen liegt die scheinbare Schwierigkeit darin, daß er sich dem Gegenstand nicht in der rechten Weise nähert. Wenn man beim Studium der Christian Science von einem materiellen Standpunkt ausgeht, wie z. B. beim Studium der Physiologie, so wird der Erfolg ausbleiben. Um die Mathematik zu erlernen, muß man mathematisch denken, und um das christliche Heilen zu verstehen, muß man geistig denken.

Unser Meister sagte: „Es sei denn, daß ihr euch umkehret und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.” Wir sehen also, daß gewisse Eigenschaften des Kindes nötig sind, um das christliche Heilen ausüben zu können; dieselben heißen: Demut, geistige Empfänglichkeit und Gelehrigkeit. Es sind dies äußerst einfache, aber dennoch äußerst wichtige Eigenschaften. Wer sie verloren hat, muß sie wiedererlangen, wofern er der geistigen Wirklichkeiten teilhaftig werden will.

Schlußbemerkungen.

Es sei nur noch erwähnt, daß sich obige Tatsachen in dem Leben der Gründerin und Führerin der Christian Science Bewegung so recht bewahrheitet haben. Die kindlichen Eigenschaften bilden einen Teil ihres Charakters, denn sonst hätte sie nicht den „Geist der Wahrheit,” den Tröster empfangen und so genau darlegen können. Sie ist in der Tat eine treue Freundin aller derer, welche die Wahrheit lieben. Sie hat die wahre Bedeutung der Freiheit erklärt, und hat dadurch die unbegrenzte Dankbarkeit der Menschheit verdient.

Ein Buch läßt auf den Charakter und die geistigen Eigenschaften des Verfassers schließen. Wir lernen den Geist Shakespeares durch das Lesen seiner Werke kennen. Die Schriften eines Menschen zeigen uns, ob seine Gesinnung gut oder böse ist. In gleicher Weise ist Mrs. Eddys Gedankenreinheit aus ihren Schriften ersichtlich, denn sie ist eine treue Schülerin ihrer eigenen Lehren. Wenn man ein Werk versteht, versteht man auch dessen Verfasser, und umgekehrt, wenn man den Verfasser versteht, versteht man auch sein Werk. Deshalb erklärte Jesus: „Denn es ist niemand, der eine Tat tue in meinem Namen, und möge bald übel von mir reden”; ebenso gewiß kann niemand, der die in dem Werke „Science and Health“ enthaltenen Lehren versteht, von dessen Verfasserin übel reden. Paulus mußte seine Ansichten über die ersten Christen und ihre Lehren ändern, und gleichzeitig mit dieser Umwandlung wuchs sein geistiges Verständnis. In einem christlichen Lande sollte die Befolgung der Lehren unseres Meisters und Wegweisers doch eine ganz selbstverständliche Sache sein. Christian Science hat das scheinbar Geheimnisvolle aus den Worten und Werken Jesu entfernt, und wir haben einfach Mrs. Eddys Mahnung zu beherzigen: „Folget eurer Führerin nur insoweit sie dem Christus folgt.”


Es ist nicht zu berechnen, welchen Vorteil wir hätten, gewöhnten wir uns bestimmt, eine Stunde des Tags mit inniger Aufmerksamkeit auf unser Herz, unsere Kräfte, Schwächen und Neigungen zu richten. Haben wir nur erst die Kenntnis von unserem Innern, dann ist ein ernster, ja beinahe der schwerste Schritt zur Vollkommenheit geschehen.


Strebe weise zu sein, nach richtigem Denken zu handeln,
Denn es gehet der Tat stets der Gedanke voraus.


Innere Schätze beglücken. ... Die im Innern liegen, Edelsteine und Gold, die suche an das Tageslicht zu fördern.


Das Höchste sind große Gedanken und ein reines Herz.

Copyright, 1909, by Mary Baker Eddy.
Verlagsrecht 1909, von Mary Baker Eddy.

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