Wir, die schon seit einer Reihe von Jahren Christian Scientisten sind, nehmen gar leicht an, daß alle denkenden und intelligenten Menschen mehr oder weniger mit den Lehren, Methoden und Werken der Christian Science bekannt seien. Wir vergessen leicht die Geschichte der Vergangenheit in Bezug auf Reformen und Neuerungen, einschließlich der christlichen Religion. Wir denken selten daran, daß die ersten Christen gehaßt, verspottet und verfolgt wurden; daß man sie folterte, verbrannte und auf andre Weise hinrichtete, und daß der größte Ausleger der göttlichen Liebe, den die Welt je gekannt hat, ans Kreuz genagelt wurde. Was verursachte solche Opposition? Zum großen Teil war es Unwissenheit und Vorurteil, und Vorurteil ist immer das Resultat der Unwissenheit. Wir meinen damit nicht Unwissenheit im gewöhnlichen Sinn des Wortes, sondern Unwissenheit in Bezug auf gewisse Tatsachen, die man ignoriert hat.
Zu denjenigen, die Jesum und seine Lehren am bittersten bekämpften, gehörten viele der hervorragendsten Gelehrten und Philosophen seiner Zeit. Sie vertraten die höchsten Kenntnisse wie auch das vornehmste soziale Leben jener Tage. Die Schriftgelehrten und Pharisäer waren die Rechtsgelehrten, die Theologen und die Anführer auf dem geistigen Gebiet. Man konnte sie im gewöhnlichen Sinn des Wortes durchaus nicht unwissend nennen, und dennoch verstanden sie die Lehren und Werke Jesu, seiner Jünger und deren Nachfolger ganz falsch. Ein berühmter Schriftsteller schreibt: „Obgleich die Christen die harmlosesten Menschen waren, so wurden sie doch mehr gehaßt und verleumdet als irgendwelche anderen Leute ihrer Tage.” Nicht nur von den Schriftgelehrten und Pharisäern wurden die Christen gehaßt, sondern auch von den Heiden. Ich erinnere bloß an die von dem Tyrannen Nero gegen sie erhobene Beschuldigung, daß sie Rom in Brand gesetzt hätten. Sie waren die unschuldigsten und treuesten Untertanen Neros, die einzigen, die innig für ihn beteten. Daß ein Charakter wie Nero seine besten Untertanen am grausamsten behandelte, ist begreiflich; erstaunlich ist es hingegen, daß der große römische Geschichtsschreiber Tacitus, angenommenermaßen ein sorgfältiger Sammler und Aufzeichner von Tatsachen, das Folgende über die Christen seiner Zeit schreiben konnte:
„Nero beschuldigte und folterte sodann mit den ausgesuchtesten Mitteln eine Klasse von Leuten, welche wegen ihrer Ausschreitungen verhaßt waren und welche vom gemeinen Volk ‚Christen‘ genannt wurden. Christus, der Gründer dieser Sekte, ward unter der Regierung des Tiberius von dem Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet. Der tätliche Aberglaube wurde dadurch eine Zeitlang unterdrückt, brach aber von neuem aus — nicht nur in Judäa, wo das Übel seinen Ursprung hatte, sondern selbst in der Stadt, wo von allen Richtungen das Abscheuliche und Schändliche zusammenfließt und seine Vertreter findet.” Warum nun diese Unwissenheit und dieses Vorurteil seitens des großen Geschichtsschreibers? Ein späterer Geschichtsschreiber sagt darüber:
„Der vornehme Stolz, welcher Tacitus abhielt, sich näher über die Ansichten und den Charakter der Christen zu unterrichten, ist daraus ersichtlich, daß er die grundlosesten Anschuldigungen gegen diese Leute aufgreift. Er nennt ihre Lehre barbarisch und schändlich, während dieselbe doch ganz den Geist des Friedens und der Reinheit ausdrückt. Er beschuldigt sie des Hasses gegen ihre Mitmenschen, obgleich sie vor allem die allgemeine Nächstenliebe betonten. Die Volksmassen, sagt er, nennen sie ‚Christen‘. Er entschuldigt sich fast deswegen, daß er seine Schriften mit einem solch gemeinen Ausdruck besudelt habe. Des Verbrechens der Brandstiftung, wegen dessen sie zu Tode gemartert wurden, hält er sie zwar nicht schuldig, behauptet aber dennoch, sie seien eine Horde unheilvoller und schändlicher Sektierer, die man zu dem allergemeinsten Verbrechern Roms zählen müsse.”
Die Ereignisse der Geschichte wiederholen sich.
Wie wahr ist es doch, daß sich die Ereignisse der Geschichte wiederholen. Ein großer Teil der heftigen Opposition gegen Christian Science, die ja doch nur die Wiederherstellung der Lehren, Methoden und Werke der ersten Christenheit bezweckt, hat denselben Grund wie die Unwissenheit des Tacitus in Bezug auf die ersten Christen, nämlich jene stolze Verachtung, welche nähere Erkundigungen über die Ansichten und den Charakter der Christian Scientisten sowie eine genaue Prüfung ihrer Lehre ablehnt. Beschuldigungen, die ebenso falsch und unwahr sind, wurden gar oft von den Stolzen unsrer Zeit gegen Christian Scientisten, ihre Begründerin und deren Nachfolger erhoben. Die Propheten des Altertums sagten genau voraus, wie es Jesu und seinen Nachfolgern ergehen würde. So äußert sich z.B. Jesaja in Bezug auf Jesum: „Er war der Allerverachtetste und Unwerteste. ... Er war so verachtet, daß man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn nichts geachtet.” Jesus verkündete, wie seine Lehren und Werke seitens der Großen dieser Welt aufgenommen werden würden, und seine Prophezeiungen sind buchstäblich in Erfüllung gegangen.
Gleichgültigkeit ist ein weiterer Grund der Unwissenheit. Der Lektor des Abends wurde unlängst in einer unsrer großen Städte von einem sehr berühmten Rechtsanwalt einer großen Versammlung vorgestellt. Derselbe gestand in seiner Einführungsrede ganz offen, daß ihm Christian Science ein unbekannter Gegenstand sei. Nach dem Vortrag sagte er, es habe ihn sehr gewundert zu hören, daß Christian Science eine Religion sei, und besonders, daß diese Lehre sich so vollständig auf das Beispiel und die Werke Jesu stütze. Er erklärte, es sei dies eine wahre Offenbarung für ihn gewesen, und er schäme sich, daß er über eine Sache, mit der sich die heutigen Denker so viel beschäftigen, ganz und gar im Unklaren gewesen sei. Ferner sprach er seine Zufriedenheit darüber aus, daß man ihn eingeladen habe den Lektoren vorzustellen, denn andernfalls hätte er, wie er sagte, dem Vortrag nicht beigewohnt und wäre ohne Zweifel über diesen Gegenstand nicht unterrichtet worden.
Neue Methoden.
Obige Begebenheit veranschaulicht einen Zustand, der weit mehr vorherrscht als gewöhnlich angenommen wird; auch weist sie auf die Notwendigkeit hin, unsre Lehren und Methoden vor der Welt in das rechte Licht zu stellen. Mehrere dieser Methoden sind von den bisher bestehenden sehr verschieden, und es ist nicht zu verwundern, daß sie dem Fremden sehr extrem vorkommen. Auffallende Neuerungen sind gemacht worden. Das Ersetzen der persönlichen Predigt durch Bibellektionen ist wohl die hervortretendste Abweichung von anderen Methoden. Diese Änderung wird, was die äußere Form unseres Gottesdienstes betrifft, als die wichtigste angesehen.
Es mag wohl angebracht sein, die hierdurch entstehenden Vorteile in Kürze hervorzuheben. Unsre Lektionspredigten werden von einem Komitee erfahrener Scientisten vorbereitet, eine Lektion für jeden Sonntag. Sie erscheinen vierteljährlich in der Form eines Heftes, zum Lesen und Studieren bequem eingerichtet. Sie umfassen Schriftstellen sowie auf diese bezughabende und dieselben erklärende Abschnitte aus dem Lehrbuche der Christian Science, welche ein Thema erläutern, das an der Spitze jeder Lektion steht. In den Kirchen und Vereinen werden diese Lektionen von zwei Lesern vorgelesen. Der eine liest aus der Bibel, und der andre aus „Science and Health with Key to the Scriptures.“ Der Bibellektion geht das Lesen eines passenden Bibelabschnittes voraus und es wird gesungen und gebetet. Mit Ausnahme der Predigt ist der Gottesdienst denjenigen in andern Kirchen sehr ähnlich. Auf dem ganzen Christian Science Felde werden dieselben Lektionen etwa zur selben Zeit gelesen, wodurch ein einheitlicher Vortrag erzielt wird, der den Zweck hat, der Menschheit eine Hilfe zu sein und sie zu heilen.
Außerdem werden die Lektionspredigten von den Schülern und Anhängern der Christian Science täglich gelesen und studiert. Man kann sie mit sich in der Tasche herumtragen und sie irgendwo und zu irgendeiner Zeit lesen. Der Scientist hat also seine Predigt und seinen Prediger stets bei sich. Er kann, wann und wo es ihm beliebt, einen Gottesdienst abhalten, da er nicht von der Person des Predigers, von einem Kirchengebäude, von der bestimmten Zeit des Gottesdienstes und von einer versammelten Gemeinde abhängig ist. Wir sind stolz auf die vielen materiellen Bequemlichkeiten unsrer Zeit; hier haben wir jedoch eine Bequemlichkeit der geistigen Art, im Einklang mit dem heutigen Fortschritt — eine praktische Predigt, frei von Sensation und persönlichem Magnetismus.
Unsre Freunde außerhalb der Christian Science Kirche sprechen oft ihre Verwunderung darüber aus, daß so viele Tausende von Leuten zur Kirche gehen, um eine vorbereitete Predigt anzuhören, die sie doch zu Hause oder sonstwo lesen können. Nichtsdestoweniger ist es Tatsache, daß der Besuch unsrer Sonntagsgottesdienste und unsrer Mittwochabend-Versammlungen immer ein starker ist, so daß die Kirchengebäude an vielen Orten bis auf den letzten Sitz besetzt sind. Wie ist das zu erklären? Der Scientist wird antworten, daß wenn er die Lektion auch noch so oft liest und studiert und sie noch so oft lesen hört, er doch jedes Mal neue helfende und heilende Gedanken, neue geistige Nahrung bekommt. Wie allgemein bekannt ist, werden Leute oft durch das Anhören dieser Lektionspredigten von physischen und geistigen Krankheiten geheilt.
Leicht anwendbare Heilmethode.
Wie unsre Zeit ihre Bedürfnisse durch schnelle Beförderung, durch raschen Gedankenaustausch vermittelst Telegraph und Telephon und durch Luftschiffahrt zu befriedigen sucht, so sieht sie sich auch nach schnellen Heilmethoden um. Überall strebt die moderne Tätigkeit danach, eine Arbeit so rasch als möglich zu vollenden und so viel Zeit als möglich zu ersparen. Die Christian Science Methode steht im Einklang mit diesem Geist des Fortschritts. Ihr Arzt ist immer in unserm Bereich. Man kann Ihn jederzeit kommen lassen, und wenn man Ihn in der rechten Weise ruft, so entspricht Er unserm Bedürfnis mit Blitzesschnelle.
Ich werde Ihnen dies durch ein Vorkommnis aus meinem eignen Leben veranschaulichen. Kurze Zeit nachdem ich das Studium der Christian Science begonnen hatte, wurde ich wegen Geschäftsangelegenheiten nach einer Stadt gerufen, wo die Diphteritis epidemisch auftrat. Ich hielt mich zwei Tage daselbst auf. Auf dem Heimwege stieg ich an einer Zwischenstation aus und legte mich in meinem Hotel früh am Abend gesund und wohl zu Bett. Etwa um Mitternacht erwachte ich mit einem geschwollenen und schmerzhaften Hals nebst hohem Fieber. Da ich nur ein Anfänger in der Christian Science war, befiel mich zuerst eine große Angst. Mein erster Gedanke war, einen Hotelangestellten zu rufen und den Arzt kommen zu lassen. Daun fiel mir aber meine Science ein und sofort wandte ich mich vertrauensvoll an Gott. Ich fühlte sogleich Seine Gegenwart und Macht. Ich gab mich Seiner Gemeinschaft rückhaltlos hin, weil ich wußte, daß Sein Gesetz ein Gesetz der Gesundheit und nicht der Krankheit, der Liebe und nicht der Furcht, des Lebens und nicht des Todes ist. Indem ich so betete und Gemeinschaft mit Gott hatte, fiel ich nach kurzer Zeit in einen sanften Schlaf und erwachte dann am Morgen zur gewöhnlichen Stunde, vollständig hergestellt. Das Fieber war gewichen, die Entzündung war weg und es zeigten sich keine Krankheitssymptome mehr.
Abgesehen von allen Gefühlsrücksichten (um mich so auszudrücken): denken Sie einen Augenblick darüber nach, wie bequem diese Methode war, vermittelst deren ich schon ganz am Anfang meines Studiums der Christian Science einen solch bösartigen Krankheitsanfall überwinden konnte. Es war nicht nötig, einen Hotelangestellten zu rufen noch den Schlaf des Arztes zu stören. Ich erhob mich nicht vom Bett und drehte das Licht nicht auf. Soweit ich mich erinnern kann, änderte ich nicht einmal meine Lage. Ich mußte keine übelschmeckenden Medizinen einnehmen und hatte mich keinem Auspinseln des Halses zu unterwerfen. Alle diese Dinge waren unnötig, und zwar in einem Fall, der vom gewöhnlichen Standpunkte aus als sehr gefährlich angesehen worden wäre. Daß hier eine wunderbar schnelle Heilmethode demonstriert wurde, muß ein jeder zugeben. Dieser Fall ist eine Veranschaulichung der allgemeinen Heiltätigkeit, die durch Christian Science seit vierzig Jahren in vielen Ländern betrieben worden ist.
Obiges hat Bezug auf die eigene Heilung durch göttlichen Beistand; dasselbe Verständnis, das einen Menschen instandsetzt, sich selbst zu helfen, kann jedoch auch zur Heilung andrer angewandt werden. Ein praktizierender Scientist, an den man sich wendet, kann ebenso rasch andern helfen als sich selbst — die Zeit abgerechnet, welche nötig ist, um ihn zu rufen. In vielen Fällen nahm die Heilung ihren Anfang, ehe der Empfangsapparat des Fernsprechers wieder aufgehängt worden war, und oft berichtet der Patient augenblickliche Erleichterung. Jeder tätige Scientist kann von vielen Fällen aus seiner eignen Erfahrung berichten, wo die gefährlichsten Krankheiten geheilt wurden, ohne daß sich der praktizierende Scientist und der Patient je gesehen hatten. Wir behaupten deshalb in Wahrheit und mit Bestimmtheit, daß der größte und beste Arzt der Welt stets denen zur Hilfe kommt, die in gewissem Maße gelernt haben, Ihn in der rechten Weise zu rufen. Wenn uns ein Unfall begegnet, so können wir augenblicklick den großen Chirurgen zur Seite haben, denn dieselbe Macht, die Krankheiten heilt, kann auch Wunden heilen. Solche Heilungen sind sehr zahlreich, und viele derselben sind, vom gewöhnlichen Standpunkte aus betrachtet geradezu wunderbar. Nichts, was bereits getan wurde, ist unmöglich. Aufrichtige Nachforscher können sich leicht von der Wahrheit des Gesagten überzeugen, und sie werden weit mehr finden, denn das Obige ist bloß eine Andeutung dessen, was in den letzten vierzig Jahren geschehen ist. Wir sehen jedoch solche Dinge nicht als übernatürlich an, sondern nennen sie göttlich-natürlich. Und was ist denn göttlich-natürlich? Man darf gewiß mit Recht behaupten, daß irgend etwas, das mit einem unabänderlichen Gesetz übereinstimmt, natürlich ist. Wenn nun alles wahre Gesetz göttlichen Ursprungs ist, so ist alles wahre Gesetz göttlich-natürlich.
Die Bibel erklärt sehr deutlich, daß Gott unveränderliches Sein ist. Der Apostel Jakobus hielt Ihn für denselben „gestern und heute und ... auch in Ewigkeit,” denn er schreibt: „Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei welchem ist keine Veränderung noch Wechsel des Lichts und der Finsternis.” Das göttliche Gesetz ist unveränderlich und überall wirksam. Dasselbe Verständnis von diesem Gesetz, welches in vergangenen Zeiten gewisse Wirkungen verursachte, verursacht diese Wirkungen zu allen Zeiten. Dies ist der unerschütterliche Standpunkt, den das Christian Science Lehrbuch einnimmt. Wenn wir die Lehren der Bibel annehmen, so müssen wir die Idee aufgeben, daß Gott ein veränderliches und launisches Wesen sei, das Seine Macht, Sein Erbarmen und Seine Liebe heute mitteilt und morgen vorenthält. Ein unveränderlicher Gott wirkt durch ein unveränderliches Gesetz. Gehorsam gegen das göttliche Gesetz bringt uns reiche Segnungen: Frieden, Glückseligkeit, Gesundheit und Vollkommenheit. Ungehorsam führt notwendigerweise die verdiente Strafe herbei.
Die göttliche Liebe will den Sünder dadurch bekehren, daß Sie ihn errettet und nicht dadurch, daß Sie ihn vernichtet. Wen der Herr lieb hat, den unterweist er auch, selbst wenn diese Unterweisung einer Züchtigung ähnlich sieht. Wird ein Mensch dadurch unterwiesen, daß man ihn an einen Ort bringt, wo keine Unterweisung mehr möglich ist? Wäre das nicht höchst widersinnig? Ein Gott, der so handeln würde, wäre ein launischer und rachsüchtiger Gott, nicht ein Gott der Liebe und des unendlichen Erbarmens. Die durch menschliche Gesetze vorgeschriebene Strafe hat den Zweck, den Übeltäter zu bessern, nicht ihn zu vernichten. Ist nun der göttliche Gesetzgeber weniger gerecht, barmherzig und liebevoll als menschliche Gesetzgeber? Wenn es wahr wäre, daß dem Sünder, nachdem er diese Bewußtseinsfläche verlassen hat, keine Gelegenheit mehr geboten wird sich zu bekehren, so wäre die Todesstrafe ein abscheuliches Verbrechen, denn sie würde dem am Galgen oder auf dem elektrischen Stuhl hingerichteten Übeltäter keine Gelegenheit mehr geben, sich zu bekehren, und die Absicht des menschlichen Gesetzes würde somit vereitelt.
Christian Science lehrt eine Probezeit nach dem Tode. Sie behauptet, daß das unendliche und ewige Wesen, welches Liebe ist, vonwegen Seiner Unendlichkeit und ewigen Dauer niemals von Seiner eignen Schöpfung, Seinen eignen Kindern getrennt sein kann; andernfalls wären die Worte unendlich und ewig, auf die Gottheit angewandt, falsche Bezeichnungen.
Die wahre Schöpfung.
Im 1. Buch Mosis finden sich zwei Schöpfungsgeschichten: erstens eine Darlegung der geistigen Schöpfung, von welcher gesagt ist, sie sei vollendet, und zweitens eine materielle Veranschaulichung der Schöpfung, welche mit Staub beginnt und mit Zerstörung oder Vernichtung endet. Christian Science lehrt, daß die erste Aufzeichnung die wahre oder wirkliche ist. Sie erkennt den Menschen, der nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen wurde, als den wahren, den geistigen Menschen. Sie gibt dem Wort „Ebenbild” die einzig verständliche Deutung, die man ihm geben kann. Sie nimmt es ernst mit diesem Wort und wendet es folgerichtig an. Das Ebenbild ist der Wiederschein des Urbildes. Entweder ist es das oder es ist gar nichts.
Ein veränderlicher und unbeständiger Wiederschein wäre nicht der wahre Wiederschein des Unveränderlichen und Beständigen. Ein wahrer Wiederschein muß regelmäßig, genau und gewiß sein. Wenn daher Gott Geist ist, so ist Sein Wiederschein, Sein Ebenbild geistig. Der schwächliche, kränkliche, sterbliche Mensch des Fleisches kann daher nicht der wahre Wiederschein des unendlichen und ewigen Gottes sein, den die Heilige Schrift für Geist erklärt. Christian Science behauptet, daß nicht der sterbliche, sondern der unsterbliche Mensch das Ebenbild Gottes ist. Das Ebenbild Gottes ist nicht ein Wiederschein, der heute besteht und morgen vergeht, sondern ein fortwährender Wiederschein — ein Wiederschein, welcher das unausbleibliche Resultat eines bestimmten und unabänderlichen Gesetzes ist; ein Wiederschein, der ewig besteht und der notwendigerweise seinem Urbild gleich sein muß. Die Zeit verbietet uns, auf diesen Punkt näher einzugehen; wer jedoch das Lehrbuch der Christian Science sorgfältig und nachdenkend liest, wird in demselben eine Antwort auf alle diesbezüglichen Fragen finden.
Nicht bloß eine weitere Sekte.
Viele Leute denken, Christian Science sei bloß eine weitere Sekte oder eine neue Religionslehre. Wenn dies der Fall wäre und wenn sie den vielen bereits bestehenden Sekten nichts von Wert bringen würde, so hätten ihre Gründung und ihr Weiterbestehen keinen Zweck. Es ist unnötig, die Zahl der Sekten zu vermehren oder in irgendeiner Weise dem Sektengeist Nahrung zu geben. Viel besser wäre es, die Zahl der Sekten zu vermindern und den Sektengeist zu vernichten. Der Hauptzweck der Christian Science liegt im Vereinigen, nicht im Trennen. Ein jeder, der das Christian Science Lehrbuch vorurteilslos und aufmerksam liest, muß zu der Überzeugung kommen, daß dessen Autorin die Absicht hat, das ganze Evangelium auf Erden zur Geltung zu bringen. Es ist ihr ernstliches Streben, die wahren Elemente des Evangeliums zu erneuern und zu vereinigen, nicht sie zu teilen oder zu zerstreuen. Wenn die Lehren der Christian Science in mancher Hinsicht von andern bestehenden Theorien und Auslegungen abweichen, so ist die einzige Absicht die, wahre Theorien und Auslegungen und folglich eine bessere Lebensweise und bessere Werke an deren Stelle zu setzen.
Alle ernsten und strebsamen Christen sowie alle guten Menschen irgendwelchen Bekenntnisses oder ohne ein bestimmtes Bekenntnis, haben den Wunsch, das zu lernen oder auszuüben, was ihnen und der ganzen Menschheit zum Wohl gereicht. Wenn es in der Welt zu viele Religionen gibt und nicht genug wahres christliches Leben oder Christentum; wenn bisher zu viel auf Formenwesen gesehen wurde und nicht genug auf lebendige christliche Werktätigkeit; wenn zu viel über Glaubenslehren gestritten wurde, ohne daß die Lehren des Gründers der christlichen Religion praktisch angewandt wurden: wenn alles dies oder nur ein Teil wahr ist, so sollte doch ein jeder den ernsten Wunsch haben, daß die bestehenden Fehler berichtigt werden mögen. Ist ein fundamentaler Teil des Evangeliums Christi vernachlässigt worden oder verloren gegangen, so sollten gewiß alle wohlgesinnten Leute die Wiederherstellung desselben wünschen. Leidet die Menschheit unnötigerweise, weil sie die erhabenen Lehren der Bibel nicht genügend verstanden und angewandt hat, so muß doch jeder denkende Mensch zugeben, daß ein besseres Verständnis dieser Lehre nötig ist, um bessere Resultate zu erzielen.
Haben wir einen falschen Begriff von Gott, vom Leben, vom Tod, vom Menschen und vom Weltall, und ist es möglich, diesen Begriff zu berichtigen, so kann gewiß niemand gegen diesbezügliche vernünftige und ehrliche Bemühungen Einwand erheben. Irgendeine Lehre, Methode oder Wirksamkeit, welche dazu beiträgt, den Menschen besser, glücklicher, frömmer und gesünder zu machen; irgendetwas, das die Zerstörung der schrecklichen Täuschung der Sünde mit ihren verderblichen und grausamen Folgen beschleunigt; irgendetwas, das Krankheit, Kummer und Sorgen, das den Schmutz und das Elend der Armut, das Krankheit, Tod und Verderben vermindert: alle erreichbaren Hilfsmittel sollten von jedem denkenden Menschen willkommen geheißen werden. Wenn wir uns also die Gesinnung, welche Christo Jesu innewohnte, in höherem Maße aneignen können, und wenn wir vermöge dieser Gesinnung besser befähigt werden, die Werke Jesu zu tun, warum sollten wir zögern? Sollte Christian Science auch nur einigermaßen die angedeuteten Bedürfnisse befriedigen, kann dann irgendeine Person, der das Wohl der Menschheit am Herzen liegt, dem ehrlichen Sucher nach dieser Wahrheit etwas in den Weg legen?
(Schluß folgt.)
