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Strafe.

Aus der August 1909-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft

Christian Science Monitor


Die Ausübung der Rache ist das primitive Verfahren gegen denjenigen, der einem andern ein Leid zugefügt hat. Die erste Regung der sterblichen Vernunft äußert sich in dem Wunsch, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. „Auge um Auge, Zahn um Zahn” lautet die Strafe, welche das mosaische Gesetz auferlegte. Es war die Absicht dieses Gesetzes, auf jedes Vergehen eine dementsprechende Strafe zu setzen. Dieselbe sollte nicht schwerer ausfallen, als das Vergehen verdiente; und doch sollte sie hinreichend sein, um den Irrtum zu berichtigen.

Man nimmt an, daß die Strafen, welche menschliche Gesetze auferlegen, mit dem menschlichen Begriff von Gerechtigkeit übereinstimmen, und es wird Sorge getragen, daß dem Übeltäter kein Unrecht geschehe. Die vorgeschriebenen Strafen sind sehr verschieden, von einer geringen Geldbuße an bis zur Todesstrafe.

Das Auferlegen von Strafe hat einen zweifachen Zweck. Erstens soll sie, wenn möglich, der Wiederholung des Vergehens vorbeugen, sowohl bei den Bestraften wie auch bei andern; zweitens soll der Übeltäter gebessert werden. Menschliche Strafmittel sind bei dem großen Werk der Zerstörung falscher Neigungen unzureichend; dadurch jedoch, daß man die Strafe sicher in Aussicht stellt und sie nach dem Grade des Vergehens bemißt, hofft man den Hang zum Verbrechen in Schranken zu halten. Es ist sehr erfreulich, daß die Strafmethoden unsrer Zeit der Entwicklung des Guten in dem Bewußtsein des Einzelnen immer mehr Aufmerksamkeit schenken. In dem Maße wie die Strafe als ein Besserungsmittel und nicht als ein Akt der Wiedervergeltung angesehen wird, gewinnt die Welt einen höheren Gerechtigkeitsbegriff und die Mittel und Wege in den Strafanstalten werden mehr gottähnlich.

Der menschliche Gerechtigkeitsbegriff beruht auf dem menschlichen Begriff von Gott und seiner Stellung dem Übeltäter gegenüber. Als allgemein angenommen wurde, daß der Sünder, der sich vor dem Tode nicht bekehrt, durch alle Ewigkeiten Strafe erleiden müsse, fand diese Annahme in den Gesetzen und Strafmethoden der zivilisierten Welt ihren Ausdruck. Indem Todesstrafe und lebenslängliche Zuchthausstrafe zuerteilt wurden, ging man so weit als der Mensch in der Auferlegung von ewiger Strafe gehen kann. Auf dem Gebiete der Theologie finden große Veränderungen statt, was besonders daraus ersichtlich ist, daß die Lehre von der Probezeit nach dem Tode und der allgemeinen Erlösung immer mehr Anhänger gewinnt. Durch diese Veränderungen werden die bis jetzt auferlegten Strafen gemildert und wird die Leitung unsrer Strafanstalten verbessert werden.

Diejenigen, welche an die ewige Verdammnis glauben, sind überzeugt, daß ihre Ansichten mit den Lehren der Bibel übereinstimmen. Es gibt wohl in Bezug auf diese Frage keine bestimmtere Angabe als die Worte des Meisters: „Und sie werden in die ewige Pein gehen.” Das Wort, welches als „ewig” übersetzt ist, bedeutet jedoch buchstäblich „lebenslänglich” oder „lebenszeitdauernd.” Das als Pein übersetzte Wort heißt eigentlich „Zurechtweisung.” Die Worte des Meisters können also wie folgt übersetzt werden: „Und sie werden zur zeitdauernden Zurechtweisung gehen.” Diese Wiedergabe bedeutet keineswegs, daß der Sünder der Strafe, die er sich zugezogen hat, entgehen wird. Mit dem Wort „lebenszeitdauernd” ist eine kürzere oder längere Zeitperiode gemeint, wie sie eben nötig ist, um alles zu bessern, was der Besserung bedarf. Das Gute im individuellen Bewußtsein hat keine Besserung nötig, denn es kommt von Gott; das Böse hingegen muß gebessert (zerstört) werden, ehe der Mensch den Grad der Vollkommenheit erreichen kann. Was steht mehr im Einklang mit der Erklärung, „Gott ist Liebe”: Die Lehre, daß gewisse Menschen durch alle Ewigkeiten Qual leiden müssen, oder die Lehre, daß das durch Sünde verursachte Leiden zuletzt die ganze Menschheit nötigen wird, der Sünde den Rücken zu kehren? Welchen Zweck hat die Strafe? Ist sie ein Racheakt oder ein Besserungsmittel? Gewiß stimmt das Letztere mehr mit der Lehre überein, daß Gott Liebe ist. Einen Racheakt könnte man wohl von einer persönlichen Gottheit erwarten, deren Zorn durch alle Ewigkeiten dauert und die am Leiden andrer Gefallen findet, aber gewiß nicht von dem liebenden Vater, der nicht will, daß irgend eines Seiner Kinder verloren gehe, sondern der sie mit großer Geduld zu sich zieht.

Christian Science lehrt, daß die Sünde ihre eigne Strafe herbeiführt. („Science and Health,“ S. 537.) Das Gleichnis vom verlorenen Sohn veranschaulicht sehr treffend den Fall des Sünders und seine Wiederaufnahme. Der genußsüchtige und eigensinnige Sohn wurde von seiner eignen Sünde bestraft. Die Disharmonie, in welche er hineingeriet, vernichtete seine Empfindung des Wohlgefühls in der Sünde und er kam zu sich selbst. Während seines Aufenthaltes im fremden Land blieb des Vaters Liebe unverändert. Solange er an seinen Sünden festhielt, verschloß er sich selbst das Vaterhaus; als aber sein Wunsch zur Rückkehr stark genug war, um ihn zu veranlassen, seinen Sünden zu entsagen, wurde er zu Hause mit Freuden aufgenommen. So geht es jedem Sterblichen. Wenn das selbstauferlegte Leiden so groß geworden ist, daß „der Gottlose ... von seinem Wege” läßt, „und der Übeltäter seine Gedanken,” dann steht dem Sünder das Himmelreich offen.

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