In dem folgenden Ausspruch, der dem amerikanischen Staatsmann Wendell Phillips zugeschrieben wird, liegt eine große Wahrheit: „Einer allein auf der Seite Gottes bildet eine Majorität.” Paulus stellt die Frage: „Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?” Und der Psalmist erklärt: „Der Herr ist mit mir, darum fürchte ich mich nicht; was können mir Menschen tun?” Zu allen Zeiten haben die Menschen gehofft und gefleht, daß Gott in der Not bei ihnen sein möge.
Einer der größten Fehler, den die Menschen gemacht haben, liegt in der Annahme, daß Gott beeinflußt werden könne etwas zu tun oder nicht zu tun, was vom menschlichen Standpunkte aus richtig erscheint. Die Sterblichen haben gebetet, daß Gott auf ihre Seite kommen möge, und deshalb blieben ihre Gebete unerhört. Sie müssen daher auf die Seite Gottes treten. Gott läßt sich nicht dazu bewegen etwas zu tun, was Er nicht ohnedies getan hätte. Gott ist keine Person nach dem begrenzten, menschlichen Begriff. Er ist die unendliche Person; Seine Wege sind recht; Er tut nichts, was Schaden bringt, sondern bewirkt nur Gutes. Der Mensch ist nur dann gewiß, daß er Gott auf seiner Seite hat, wenn er auf der Seite Gottes ist.
Gott ist das eine, unendliche Gute. Die Behauptung, daß Gott zu allen Zeiten derselbe, also unveränderlich ist, drückt eine Grundwahrheit der Christian Science aus. Dieselbe hat schon Tausende angeregt, die Segnungen der Heiligkeit und Gesundheit, welche früher unerreichbar schienen, zu erhoffen und nach denselben zu streben. Ehe „Science and Health with Key to the Scriptures“ veröffentlicht wurde, war der Ausdruck Prinzip nie auf Gott angewandt worden; und doch drückt gerade dieses Wort den Kennzug der göttlichen Person aus, welchen die Sterblichen vor allem verstehen lernen und stets vor Augen haben müssen. Wenn man erkannt hat, daß Gott Prinzip ist, so hat man einen ganz andern Begriff von der Bibellehre, daß der Mensch seine Seligkeit „schaffen” [ausarbeiten] muß. Man fängt an zu verstehen, inwiefern „einer allein auf der Seite Gottes ... eine Majorität” bildet. In Wirklichkeit ist Gott die Majorität; Er ist das All, und es gibt nichts, was sich den Absichten der Allmacht widersetzen oder dieselben vereiteln könnte.
Die Macht der Wahrheit über den Irrtum und des Guten über das Böse kann nur in dem Maße demonstriert werden, wie das Denken eins wird mit Gott. Nur wenn das Denken mit Gott und Seinem Gesetz in Harmonie steht, wird es möglich, das Wirken der Allmacht zu demonstrieren. Jesus betete: „Ich weiß, daß du mich allezeit hörest”. Er wußte dies, weil er überzeugt war, daß er in keiner Weise von seinem Gott getrennt werden konnte. Wenn ihm, dem Sinnenzeugnis gemäß, Krankheit, Sünde oder Tod, das stürmende Meer oder irgendeiner der unharmonischen Zustände des sterblichen Bewußtseins entgegentrat, war er eins mit dem göttlichen Prinzip und konnte allemal Gottes Allheit und die Nichtigkeit der Kundgebungen des Übels beweisen. Seine Macht über das Übel war das göttlich-natürliche Resultat seines Einsseins mit Gott.
Christian Science lehrt, daß die Allmacht Gottes die einzige wahre Macht ist. Außer Ihm kann es keine Macht geben. Wenn die Sterblichen nicht mit dieser einen Macht in Harmonie arbeiten, so können sie die göttliche Hilfe nicht erwarten und werden sie nicht erhalten. Wir müssen also unbedingt so arbeiten wie Gott arbeitet. Alles menschliche Streben, alle menschlichen Wünsche müssen sich nach dem göttlichen Willen richten. Wenn diese Wahrheit der Menschheit klar wäre, so würde sie ihr als Verhaltungsregel dienen, und eines der größten Hindernisse zum Fortschritt wäre beseitigt. Ein jeder gibt zu, daß der Mathematiker die Grundprinzipien der Mathematik verstehen und sich nach denselben richten muß; daß ferner der Musiker eine Kenntnis der Regeln der Harmonielehre nötig hat. Sollte man nun das größte Werk, das es gibt, nämlich die Entwicklung eines gottwohlgefälligen, harmonischen Lebens, zustande bringen können, ohne sich nach dem Gesetz Gottes, dem göttlichen Prinzip alles wahren Seins zu richten? Harmonie ist wirklich, ewig. Wenn die Sterblichen erst den Punkt erreicht haben, wo sie gewillt sind, alle persönlichen Meinungen und Wünsche daranzugeben und nach untrüglichen, unveränderlichen Gesetzen zu arbeiten, werden sie Erfolg haben. Der Wunsch und das Gebet der Sterblichen, daß Gott auf ihrer Seite sein möge, ist selbstsüchtig. Demjenigen, der das ernste Verlangen hat, auf der Seite Gottes zu sein, ist es ein Vergnügen, Selbstverleugnung zu üben und alles für die Wahrheit daranzugeben. Er erkennt das allem Guten zugrundeliegende Prinzip, und nichts kann seinen Fortschritt hindern.
Die Selbstsucht des sterblichen Menschen verleitet ihn oft zu dem Glauben, daß er auf Kosten seines Mitmenschen etwas erlangen könne. Das Gute ist durchaus selbstlos, und des Menschen Einssein mit Gott kann nur dann demonstriert werden, wenn der selbstsüchtige und begrenzte Begriff der Dinge einem mehr geistigen Begriff vom Leben und seinen Freuden Raum gibt.
Es muß uns klar werden, daß Gott ein Gott der Lebendigen ist und daß Sein Gesetz das einzig wahre Gesetz ist. Gehorsam gegen dieses Gesetz bewirkt Heiligkeit, Gesundheit und Harmonie. „Wollt ihr mir gehorchen, so sollt ihr des Landes Gut genießen.” Dieses Versprechen gab Gott dem Volke Israel durch den Mund des Propheten Jesaja; es ist aber heute noch ebenso gültig wie vor drei tausend Jahren. Durch Gehorsam gegen das göttliche Gesetz beweist man des Menschen Einssein mit Gott. In keiner andern Weise erlangt man die Fähigkeit, das Übel zu überwinden. Gott, die einzige Macht wirkt im Menschen „beide, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.”