Es herrscht unter den zahlreichen christlichen Denominationen eine große Meinungsverschiedenheit über das Wesen des wahren und folgerichtigen Christentums. Nachdem Gründe jeder Art nebst ihren Gegengründen vorgebracht worden sind, bleibt uns nur ein positiver Maßstab zur Beurteilung übrig, jener, den Jesus feststellte als er sprach: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.” Wahres Christentum besteht nicht allein in Beteuerungen, daß man dem Christus treu sei; es besteht nicht darin, daß man sich zu dieser oder jener Glaubenslehre bekennt, ebensowenig wie etwa der Umstand, daß ein Mensch seinen Namen in einem Kirchenbuch stehen hat, als Beweis für seine christliche Gesinnung gelten kann. Keines von diesen Dingen ist für das Christentum von Bedeutung. Wesentlich ist es jedoch, der Richtschnur rechten Lebens und rechten Handelns gehorsam zu sein, und schon hieran erkennt man die christliche Gesinnung eines Menschen. Wohl mag jemand sagen, er sei ein Christ; als solchen kennzeichnet ihn jedoch bloß die in seinem Lebenswandel zutagetretende Gesinnung.
Christus Jesus stellte das Muster-Christentum für alle Zeiten fest. Seine Lehren und sein Beispiel bilden die Grundlage der christlichen Religion, und das folgerichtige Christentum muß daher in der Befolgung seiner Lehre bestehen. Seine irdische Laufbahn war das größte Beispiel der Konsequenz, welches die Welt je zu sehen bekommen hat. Keinen Augenblick ließ er seine wunderbare Mission aus dem Auge — die Erlösung der Menschheit aus den Fesseln der Sünde und der daraus entstehenden Disharmonie. Er zweifelte nie an Gottes Nähe und Allmacht. Demütig in seinem Wandel, aber mächtig in Taten, bescheiden in seinem Auftreten, aber voll vom Bewußtsein der Allmacht Gottes unterwarf er den irdischen Sinn, überwand das Übel in jeder Gestalt und erreichte durch sein Verständnis von Gott als allgegenwärtiger Liebe den Gipfel der Demonstration.
Das Wort Christentum, wie es gewöhnlich gebraucht wird, schließt viel Förmlichkeit, zeremonielles Wesen und dogmatischen Glauben in sich, und als Christen werden diejenigen bezeichnet, die sich zu gewissen christlichen Glaubenssätzen, Lehren oder Dogmen bekennen. So finden wir z. B. folgende Definition: „Dogmatisches Christentum: Die Systeme der theologischen Glaubenslehre, die sich auf das Neue Testament gründen. Diese Systeme sind je nach Kirche, Sekte und Schule verschieden.” Daneben steht eine andre Definition: „Lebendiges Christentum: Die Gesinnung, die durch Christus in seinem Leben zum Ausdruck kam und der er seinen Jüngern gebot nachzustreben.” Ein eingehendes Studium der Mission und des Beispiels Jesu nötigt zu der Anerkennung gewisser unbestreitbarer Tatsachen, welche die wesentliche Grundlage für das praktische und folgerichtige Christentum bilden. Durch sein Lebenswerk bewies Jesus, daß er der Messias oder Christus war. Er erkannte keinen Menschen als Vater an und sagte in bestimmter Weise: „Und sollt niemand Vater heißen auf Erden, denn einer ist euer Vater, der im Himmel ist.” Mit dieser Wahrheitsbehauptung erklärte Jesus die Grundlage der materiellen Beschränkungen für nichtig und räumte mit allem auf, was der Theorie angehört, daß der Mensch ein Schöpfer sei. Wenn diese Lehre unsres Meisters verstanden wird, befreit sie die Menschheit aus der Knechtschaft des fleischlichen, irdischen Sinns, aus der grausamen Sklaverei der sogenannten vererbten Krankheiten und all den Begleiterscheinungen eines vermeintlichen materiellen Ursprungs.
Das sogenannte moderne Christentum hat der obengenannten Lehre Jesu niemals eine besondere Bedeutung beigelegt, hat sie vielmehr außer Acht gelassen und verleugnet, indem es an der Theorie, daß der Mensch ein Schöpfer sei, festhielt; somit hat es dem fleischlichen Sinn Nahrung geboten, während doch Jesu wesentliche Mission darin bestand, denselben zu zerstören. Nach mehr als achtzehnhundert Jahren religiösen Denkens und Strebens ist die Menschheit, dem sterblichen Begriff nach, der wahren Lösung ihrer Probleme nicht näher gekommen als vor Jesu Fleischwerdung. Und warum? Weil die Führer der religiösen Anschauung während dieses Zeitraumes die wesentlichen Elemente der Lehren Jesu nicht erfaßt und sich nicht zu eigen gemacht haben. Es darf also behauptet werden, daß das Christentum tatsächlich bei weitem mehr „dogmatisch” als lebendig gewesen ist.
Erst durch Mrs. Eddys Entdeckung der Christian Science ist das wirklich Wesentliche und Lebendige der Lehren Jesu als praktisch, wirksam und für die Menschheit eigentlich wertvoll erkannt worden. In dem Textbuch der Christian Science, „Science and Health with Key to the Scriptures“ (SS. 305, 31) heißt es: „In der Tatsache, daß der Mensch als Gottes Ebenbild nicht ein Schöpfer ist, obgleich er die Schöpfung des Geistes, die Schöpfung Gottes wiederspiegelt, liegt die der Wiederspiegelung zugrundeliegende Wirklichkeit. ... Da der Mensch die Wiederspiegelung seines Schöpfers, Gottes ist, ist er der Geburt, dem Wachstum, der Reife, der Verwesung nicht unterworfen.” „Jesus erkannte keine fleischlichen Bande an. Er sagte: ‚Und sollt niemand Vater heißen auf Erden, denn einer ist euer Vater, der im Himmel ist.‘ Wiederum fragte er: ‚Wer ist meine Mutter? und wer sind meine Brüder?‘ und erklärte zugleich, es seien diejenigen, welche den Willen seines Vaters tun. Es wird uns nicht berichtet, daß er je einen Menschen Vater genannt habe. Er erkannte Geist, Gott als den einzigen Schöpfer an und daher als unser aller Vater.”
Eine der Lehren Jesu, welche die zum Christentum sich bekennenden Leute so gut wie außer acht gelassen haben, ist die Offenbarung der Tatsache, daß Gottes Macht unsern Bedürfnissen vollauf zu genügen vermag und zwar zu allen Zeiten und unter allen Umständen. Sie heilt die Kranken und bekehrt den Sünder heutigestags in eben dem Maße wie zu Jesu Zeiten. Die moderne Theologie ist ein Sklave der modernen Heilkunde, der modernen Psychologie und des ausgesprochensten Materialismus; sie sucht ihre Sellung mit der Behauptung zu rechtfertigen, Gott habe alle diese Dinge geschaffen und angeordnet. Hiergegen erhebt nun Christian Science Protest und erklärt auf das entschiedenste, Gott sei der Schöpfer dessen, was gut ist — gut in der Voraussetzung und Begründung, in der Prämisse und Folgerung, in erster und letzter Linie. Die materielle Heilkunde hatte ihren Ursprung im Götzendienst, wurde im Aberglauben groß und umfaßt und verkörpert deshalb die Nachkommenschaft solch unbefriedigender, unwissenschaftlicher und durchaus ungöttlicher Vorfahren. Jesus verwarf den Materialismus und heilte trotz der materialistischen Anschauungen seiner Zeit. Und ebenso heilen seine Anhänger heutigestags die Kranken und bringen Sünder auf den rechten Weg; sie tun es auf Gottes Art und Weise, unbekümmert um die Einspruchserhebungen seitens der theologischen und medizinischen Schulen. Die durch Christian Science bewirkte Heiltätigkeit ist eine vollendete Tatsache, die durch Tausende von Zeugen beglaubigt wird; und alle Kraft, alle Herrlichkeit kommt von Gott. Der Psalmist singt: „Er sandte sein Wort und machte sie gesund, und errettete sie, daß sie nicht starben.”
Christian Science ist also konsequentes Christentum, weil sie das vollständige Evangelium Christi nachdrücklichst hervorhebt, in welchem das Heilen der Kranken, die sittliche Besserung des Sünders und die Wiedergeburt der Menschheit in enger Beziehung zu einander stehen. Die Lehre der Christian Science ist ein Protest gegen den Materialismus jeder Art, einschließlich der scheinbaren Tätigkeit des sterblichen Bewußtseins in seinen Äußerungen als Mesmerismus, Hypnotismus, Telepathie, suggestiver Therapeutik usw. Sie verwirft jeglichen Glauben an eine von Gott getrennte Intelligenz, Kraft oder Tätigkeit und erklärt, Seine Schöpfung sei geistig und nicht materiell. Hierin stimmt sie völlig mit der Bibel, mit Jesu Lehren sowie mit der Vernunft und Offenbarung überein. Der verehrten Führerin dieser christlichen Gemeinschaft gilt der tiefempfundene Dank aller derer, welche durch die in „Science and Health“ enthaltenen Lehren Wohltaten empfangen haben. Dieses Werk hat sich wahrlich als der „Schlüssel” zur Heiligen Schrift erwiesen, indem es die unermeßlichen Schätze der darin enthaltenen Wahrheit erschließt und der Menschheit die Versicherung gibt: „Gott mit uns.”
