Dem Christian Scientisten fällt eine doppelte Aufgabe zu, nämlich das Predigen des Evangeliums und das Heilen der Kranken, gemäß dem Auftrage Jesu. Die Aufgabe besteht zunächst darin, das menschliche Bewußtsein zu klären, d. h. das Denken durch richtige Anleitung und Belehrung aus dem Gewirr irriger Annahmen in Bezug auf Gott, den Menschen und das Weltall herauszuführen. Darauf folgt naturgemäß die praktische Anwendung dieser Belehrung. Wahrheit kann einem kranken Bewußtsein entweder durch den stillen Gedanken oder durch das gesprochene Wort mitgeteilt werden, und zwar schon ehe die Wahrheit in ihrem ganzen Umfang verstanden wird. In solchem Fall führt des Vertreters Erkenntnis von der Wahrheit die am Geist und Körper des Patienten wahrnehmbaren Resultate herbei. Oft tritt schon allein durch das Lesen des Lehrbuchs der Christian Science oder andrer Schriften der Christian Science Heilung ein, woraus noch klarer hervorgeht, daß Wahrheit heilen kann und tatsächlich heilt. Ein scheinbares Fehlschlagen sollte keinen Zweifel hinsichtlich der Heilkraft der Christian Science aufkommen lassen; vielmehr sollten wir den Anschein, als läge ein Fehlschlag vor, als eine gute Gelegenheit betrachten, etwa gehegte irrige Vorstellungen von der Christian Science zu berichtigen und dadurch den Irrtum zu entfernen, der eine vollkommene Demonstration zu verhindern schien.
Wohl können wir im Hilfesuchenden oder im ausübenden Vertreter nach der Ursache eines Fehlschlags suchen, nicht aber in der Wissenschaft des Christentums, die das Gesetz des Lebens und das Verständnis von dem Schöpfer des Menschen in sich schließt. So sehr wir auch wünschen mögen, unsre Sache immer auf das beste vertreten zu sehen und sagen zu können, es habe sich noch niemand der Christian Science zugewandt, ohne die ersehnte Hilfe zu erlangen, so fordert doch unser eignes Wachstum eine sachliche, objektive Erklärung für scheinbare Fehlschläge, und wir sind verpflichtet, in Fällen wo die gewünschten Resultate nicht völlig oder nicht einmal teilweise zutage treten, dies offen zuzugeben. Unsrer Verantwortung, die darin besteht, für ein gegebenes Problem eine richtige Lösung zu finden, können wir uns nicht dadurch entziehen, daß wir das Problem ungelöst beiseite legen und es bei der Erklärung bewenden lassen, die vom Prinzip ausgehende Wirkung müsse richtige Ergebnisse zur Folge haben. Die richtigen Ergebnisse müssen auch tatsächlich ersichtlich sein. Was könnte wohl unsrer Anwendung des uns klar gewordenen Prinzips und dem Sichtbarwerden der von uns zuversichtlich erwarteten Ergebnisse entgegenstehen?
Verbirgt sich der Irrtum im Bewußtsein eines Patienten, so müssen wir ihn furchtlos aufdecken und austreiben. Wir sollten Irrtum weder dulden noch mit demselben einen Vergleich eingehen. Wenn wir mit dem „Harnisch Gottes” angetan sind, können wir Schlangen getrost handhaben. Unsre Führerin sagt: „Mit der Rüstung der Liebe angetan, kann dich menschlicher Haß nicht erreichen” („Science and Health“, S. 571). Dem ausübenden Vertreter der Christian Science tritt keine Erscheinungsform des sterblichen Sinnes entgegen, für die ihm nicht eine analoge Erfahrung Jesu bei der Handhabung des Irrtums als Beispiel dienen könnte. Es sind ihm die Mittel an die Hand gegeben, das Übel aufzudecken und den Hilfesuchenden aus seiner bedrängten Lage zu befreien. Schon oft haben sich Leute der Christian Science zugewandt, denen dann nach mehrmaligem Beistand gesagt wurde, die Hilfe werde ihnen deshalb nicht zuteil, weil sie nicht für dieselbe bereit seien. Diese Erklärung ist dem Hilfesuchenden unverständlich, erregt bei ihm Enttäuschung und gar oft eine feindselige Stimmung gegen die Christian Science und den Vertreter. Wäre es nicht klüger, den Kranken vor der Erteilung des Beistandes auf seinen Gedankenzustand hin zu prüfen, wie es Jesus mit dem Weibe aus Syrophönizien tat, oder ihm in etwas zu erklären, was die Christian Science bezweckt und wie die Heilungen zustande kommen, um dadurch sein Bewußtsein für die befreiende Wahrheit empfänglich zu machen?
Die wahre, geistige Schöpfung steht jetzt in ihrer Vollkommenheit da. Sie ist nie weniger als vollkommen gewesen und kann nicht anders als vollkommen sein. Sie kennt keine Zeit und ist keiner Veränderung unterworfen. In dem Augenblick, da wir uns dieser Wahrheit bewußt werden, wird Gesundheit hergestellt und die Krankheit flieht, genau wie die Finsternis verscheucht wird, sobald das Licht erscheint. Jesu Gleichnis von dem Sämann lehrt aber, daß der Samen der Wahrheit nicht auf jedem Boden gleich gut keimt und sproßt. In unserm materiellen Zeitalter mit seinen vielen anerzogenen Annahmen betreffs des menschlichen Geistes und Körpers, und in Anbetracht der allgemein verbreiteten Theorien über Erblichkeit und den Einfluß der Umgebung ist oftmals eine Bearbeitung des Bodens notwendig, ehe man den Samen streuen kann. Mit andern Worten: der Gedanke eines Menschen bedarf in vielen Fällen der Vorbereitung, um für den Beistand empfänglich zu werden.
Ein jeder, der um Beistand in der Christian Science bittet, kann ihn erlangen; doch kommt es auf die Beweggründe, auf den Geist an, der die Bitte beseelt. Wer die Brote und Fische — die materiellen Resultate — sucht, ohne bereit zu sein, dem den unharmonischen Zustand hervorbringenden Irrtum im eignen Bewußtsein zu entsagen, der nähert sich der Christian Science mit einem Denken, das dem ungepflügten Boden gleicht. Die materiellen Annahmen müssen umgekehrt und aufgedeckt, harte, widerstrebende Gedanken müssen gebrochen werden und Selbstsucht muß sich demütigen. Bisweilen äußert der Vertreter eine Wahrheit, die den Zweck hat, verborgene Sünden im Bewußtsein des Hilfesuchenden bloßzustellen und zu entfernen. Dieser gibt jedoch der Selbstgerechtigkeit Raum und will nicht zugeben, daß die geäußerte Wahrheit auf ihn Bezug habe. Er bittet den Vertreter, sich nicht weiter zu bemühen und schreibt dann der Christian Science einen Fehlschlag zu. Bisweilen zuckt der sterbliche Sinn unter der Wahrheit zusammen, die geäußert wird. Der Patient vergißt, daß früher, da er noch ganz materiell dachte, das Messer oft das Mittel zur Entfernung des Irrtums war und daß zur Reinigung und Heilung der Wunde eine scharfe Lösung angewandt wurde, die heftige Schmerzempfindungen und Tränen verursachte. Der ausübende Vertreter und der Hilfesuchende müssen zusammen wirken. Wenn dies nicht geschieht, kann von einem ehrlichen Versuch nicht die Rede sein; ebensowenig kann es heißen, die Christian Science habe versagt. In den drei großen Berufszweigen, die sich in der Wirksamkeit des Vertreters der Christian Science vereinigen, ist das gleiche Entgegenkommen und Zusammenwirken erforderlich, sei es zwischen Pastor und Gemeindemitglied, Lehrer und Schüler, Arzt und Patient.
Manche Leute wenden sich nur deshalb der Christian Science zu, weil Freunde ihnen ernstlich dazu geraten haben; oder es liegen andre Gründe vor, als das Verlangen nach Hilfe und Heilung. Führt man sie dann an die Quelle, wo sie sich in freien Zügen an der Wahrheit laben könnten, so finden sie das Wasser bitter und wenden sich ab. Einerseits weigern sie sich, den Becher zum Munde führen, machen aber andrerseits die Christian Science dafür verantwortlich, daß sie nicht geheilt worden sind. Wir müssen eben alle lernen, daß, wenn wir uns der Christian Science zuwenden, wir jeder Weisung der Wahrheit, wie sie in den Lehren der Bibel und in unserm Lehrbuch, „Science and Health“, zum Ausdruck kommt, gehorchen müssen. Gehorsam gegen die Anleitungen eines Vertreters kann uns irreleiten, wie ja auch bisweilen unser eignes Urteil; wenn wir aber der Wahrheit folgen, welche uns von den beiden genannten unpersönlichen Führern dargelegt wird, und wenn uns der ausübende Vertreter, den wir zu Rate gezogen haben, auf dieselben hinweist, so können wir niemals irregeführt werden, auch wird sich kein Anlaß bieten zu Klagen über mangelnde Ergebnisse. Der kluge Vertreter verfährt wie der Lehrer: er legt die Wahrheit in verschiedener Weise dar, dem individuellen Bedürfnis entsprechend und unter besonderer Berücksichtigung der Gedankenstufe des Patienten.
Eine falsche Annahme über irgendeine Sache bedarf zu ihrer Berichtigung einer Wahrheit, die sich auf diese besondere Sache bezieht. Denkt z. B. ein Knabe, zweimal zwei sei fünf, so muß ihm die Wahrheit hierüber beigebracht werden. Wenn wir ihn über eine andre mathematische Tatsache belehren, so verbessern wir damit noch nicht sein unrichtiges Denken hinsichtlich dieses besonderen mathematischen Begriffs und heilen ihn somit nicht von seiner Unwissenheit hinsichtlich desselben. Wenn nun der Knabe, der in diesem Fall der Unterweisung bedarf, von allen übrigen falschen Vorstellungen über Zahlenwerte mit einem Male geheilt werden könnte, so würde man dem einzelnen Fall keine besondere Aufmerksamkeit zu schenken brauchen, weil dieser bei der allgemeinen Aufklärung mit einbegriffen wäre. Ein Patient, der an eine besondere Form des Irrtums glaubt oder eine besondere Furcht hegt, braucht ebenfalls die Wahrheit, die speziell gegen diesen Irrtum bezw. diese Furcht gerichtet ist, um augenblicklich oder doch wenigstens in Bälde geheilt zu werden. Wenn wir uns immerhin in erleuchteten geistigen Sphären bewegen würden, wo der Mensch als vollkommen gesehen wird, oder wenn wir des Menschen gottähnliche Identität zu erfassen vermöchten, so würde augenblickliches Heilen jederzeit stattfinden und das mentale Argument sich erübrigen. So oft dann der Irrtum einen kranken oder sündigen Gedanken im Bewußtsein eines Leidenden zur Geltung bringen möchte, würde unsre Erkenntnis des wahren Menschen denselben augenblicklich vom Irrtum befreien, und er würde sich uns nicht nur als von seinen Krankheiten geheilt, sondern als in jeder Beziehung gesund darstellen.
Jeder noch so geringe Teil der Wahrheit trägt sein Teil zur vollständigen Zerstörung des Irrtums bei. Da wir aber die Wahrheit noch nicht voll erfaßt haben und immer noch „hie ein wenig, da ein wenig” tun müssen, so arbeiten wir am wirksamsten, indem wir den besonderen Anspruch des Übels zu erkennen und denselben mit der besonderen darauf bezüglichen Wahrheit zu vernichten suchen. Zur Erläuterung stelle man sich einen Sterblichen vor, der unter der Annahme von heftigen Kopfschmerzen leidet. Er sucht einen Vertreter der Christian Science auf und drückt die Annahme aus, das Übel werde durch ein Augenleiden verursacht. Wie alle Materialisten, so betrachtet auch er die Materie als ursächlich, und ein falscher Stolz veranlaßt ihn, ein Gefühl großer Furcht, das er hegt, zu verheimlichen. Diese Furcht führt eine allgemeine Depression herbei und deren ungünstiger Einfluß auf die organischen Funktionen bewirkt einen Zustand, der den Menschen dazu treibt, Hilfe zu suchen. Der Vertreter steht nun vor der Aufgabe, die falsche Annahme von schlechter Sehkraft richtig zu stellen. Ist er sich nicht genügend bewußt, daß geistige Erkenntnis und Erleuchtung den Gottesmenschen nie verlassen, so wird er vielleicht in diesem Fall nicht sogleich Abhilfe schaffen können; doch wird getreuer Beistand unweigerlich die zur Lösung des Problems nötige geistige Klarheit bringen, des Patienten Sinn für das Gute erhöhen und sein geistiges Wahrnehmungsvermögen zur Entfaltung bringen. Hierdurch erhebt sich der Hilfesuchende über die Furcht, die ihn gefangen hielt, die mentale Depression wird beseitigt, und dies hat dann das Schwinden des Leidens zur Folge.
Kein Teil der Wahrheit kann je verloren gehen, unwirksam bleiben oder falsch angewandt werden. Die Ausübung der Christian Science ist so wissenschaftlich und gesetzmäßig, wie nur irgendeine Wissenschaft. Sie enthält nichts übernatürliches, Regelloses oder auf Zufälligkeiten Beruhendes. Wenn wir das geistige Gesetz völlig verstehen, so brauchen wir uns nicht mit dem materiellen Gesetz vertraut zu machen, um Frucht zu bringen. Das genaue Untersuchen des Irrtums führt oft tiefer in den Irrtum hinein. Warum sollten wir überhaupt danach trachten, mehr von dem zu wissen, was wir doch verlernen müssen? Wenn die Zahl zwei dargestellt werden soll, die auf der Wandtafel stehende Zahl aber einen andern Wert hat, so wird durch die Betrachtung der falschen Zahl nichts gewonnen. Durch das Entfernen derselben und das Hinschreiben der richtigen Ziffer kommt die Sache in Ordnung.
Warum bei dem Irrtum auch nur lange genug verweilen, um sich ihn zu besehen! In einem gewissen Fall wurde ein von den Ärzten als Hexenschuß bezeichnetes Übel beim Wiederauftreten auf dem Wege der Christian Science geheilt. Der ausübende Vertreter verstand nichts von materieller Diagnose, kehrte aber jede Suggestion des Irrtums um, die aus dem Munde des Patienten kam. Stolz, Tadelsucht, Furcht, Eigenwille und Selbstgerechtigkeit äußerten sich, aber fortwährend traten ihnen Gedanken der Liebe entgegen. Der Rat unsrer Führerin lautet: „Wirket, um den Demant des Irrtums mit dem universellen Lösungsmittel der Liebe aufzulösen” („Science and Health“, S. 242). Mehr war in obigem Fall offenbar nicht nötig. Später erklärte ein Freund, der sich für diesen Fall sowie für die Heilung interessierte, vom medizinischen Standpunkte aus werde ein solcher Zustand durch Schärfe im Blut verursacht. Jedoch vom Standpunkte der Christian Science aus hatte das Lösungsmittel der Liebe die Schärfe des Stolzes und der Tadelsucht aufgelöst. Liebe befriedigte die Notdurft; sie tut dies stets, wenn wir in Gottes Weise arbeiten; sie heilt alle Arten von Krankheit, wie wir sie auch benannt oder klassifiziert haben mögen.
Es ist nicht nur ehrliches Forschen und ernste Vorbereitung nötig, sondern auch der Gehorsam und die Empfänglichkeit des kindlichen Gemüts. Sprach nicht der Meister: „Es sei denn, daß ihr euch umkehret und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen” ? Nachlässigkeit, Unregelmäßigkeit sowie Ungehorsam gegenüber den ärztlichen Vorschriften haben schon oft Zustände herbeigeführt, für die weder der Arzt noch die Arzneimittellehre gerechterweise verantwortlich gemacht werden konnten. Ebenso wichtig ist es, daß der Kranke, der sich unter der Obhut eines ausübenden Vertreters befindet, sein Teil der Arbeit getreulich tue, sozusagen seine Medizin vorschriftsmäßig nehme, wenn er schnell und dauernd geheilt werden möchte. Wenn ein Mensch bei der Darlegung seines Falles unehrlich ist, seine Gedanken verheimlicht und sich hartnäckig weigert, „Science and Health“ zu lesen, obgleich dies zu seiner Heilung so notwendig ist, so können solche Hindernisse wohl durch Beistand überwunden werden, doch wird die Arbeit des Vertreters dadurch nur erschwert und die Leidenszeit des Patienten verlängert. Wenn der Patient ungeduldig wird und die Sache aufgibt, trägt nicht die Christian Science die Schuld, und man darf nicht sagen, sie habe versagt. In Fällen, wo keine Besserung zutage tritt, steht es dem Patienten frei, sich an einen andern Vertreter zu wenden, der die besonderen Bedürfnisse des Leidenden vielleicht besser erkennt und ihm dazu verhelfen kann, den der Heilung entgegenstehenden Irrtum zu vertreiben. Die Christian Science lehrt uns, daß Furcht vor Krankheit und Liebe zur Sünde die Wurzel alles menschlichen Leidens sind.
Johannes erklärt: „Die völlige Liebe treibet die Furcht aus”; und für den Christian Scientisten bedeutet das Austreiben der Furcht keine schwere Aufgabe, weil das Studium von „Science and Health“ immer von neuem Liebe erzeugt. Um da heilend wirken zu können, wo Sünde herrscht, müssen wir ein sehr hohes Maß geistiger Erkenntnis erlangt haben. Die Sünde ist leicht zu zerstören, wenn ihre Abscheulichkeit und Nichtigkeit ohne weiteres erkennbar wird; um jedoch den hartnäckigen Willen und den zähen Widerstand gegen die Wahrheit zu überwinden, ist eine nieversagende Wachsamkeit, eine unwandelbare Treue und grenzenlose Liebe nötig. Von Emerson stammt der Ausspruch, daß viele Menschen nicht Befreiung von ihren Lastern, sondern nur von den üblen Folgen derselben suchen.
Diese heilende Wahrheit, wie die Christian Science sie lehrt, hat uns die göttliche Liebe durch Mrs. Eddy geoffenbart, und zwar nicht zum Wohl einiger weniger, sondern zum Wohl aller. Sie ist der Sauerteig, der mit der Zeit die ganze Menschheit durchsäuern und sie umwandeln wird, wie er das Leben derer, die heutigestags Christian Scientisten sind, umgewandelt hat. Gleich dem Lehrer vermag der Christian Scientist seine Aufgabe am besten da zu erfüllen, wo Gehorsam, Aufmerksamkeit und Ordnung herrschen. Gleich dem Lehrer erkennt aber auch er, daß diese Vorbedingungen nicht erzwungen werden können, sondern entwickelt werden müssen. Herrschsucht und menschliche Willenskraft vermögen nicht zu heilen. Der Eiszapfen schmilzt unter den warmen Sonnenstrahlen; er kann es nicht verhindern, selbst wenn er wollte. In gleicher Weise muß schließlich jeder widerstrebende Gedanke nachgeben, wenn die Strahlen der Liebe auf ihn fallen; nicht die durch Sentimentalität und bloßes menschliches Mitgefühl gekennzeichnete Liebe, die den Schmerz zwar zu lindern sucht, ihr Objekt aber zugleich schwächt, sondern die Liebe, die bessert und stärkt, die die Wahrheit klar erkennt und sich nicht scheut, den Irrtum selbst da bloßzustellen, wo er zu lieben scheint. Der Ausübung der Christian Science haftet nichts Geheimnisvolles an. Ihr ausübender Vertreter unterscheidet sich von andern Menschen nur dadurch, daß er den Schimmer eines wunderbaren heilenden Lichtes erblickt hat und sich näher zur göttlichen Liebe hingezogen fühlt, denn je zuvor.
Gott ist der einzige Heiler, der einzige Geist. Die Arbeit des ausübenden Vertreters ist derjenigen eines behutsamen Gärtners zu vergleichen. Gott spendet Leben und Schönheit, aber der Gärtner hegt die kleinen Sprößlinge, richtet die vom Sturm niedergeworfenen Pflanzen wieder auf, begießt sie und überläßt sie dann dem Geber und Erhalter alles Lebens. Der Christian Scientist muß sein Möglichstes tun, um die göttlichen Absichten zur Ausführung zu bringen. Wenn er sagen kann, daß er seiner menschlichen Pflanze all das Licht und all die Liebe gebracht hat, die er ihr bringen kann, dann darf er sie getrost sich selbst überlassen, in der Zuversicht, daß sie gedeihen wird. Mrs. Eddy sagt: „Liebe ist es, die die Blumenblätter mit Myriaden von Farbentönen bemalt, im warmen Sonnenstrahl glitzert, die Wolke mit dem Bogen der Schönheit wölbt, die Nacht mit Sternengefunkel erfüllt und die Erde mit Schönheit bedeckt”. Ferner sagt sie: „Liebe allein kann uns einen Begriff geben von der unbegrenzten Idee des unendlichen Geistes” (Mind) („Science and Health“, SS. 247, 510).
Lobe nie, was Tadel verdient;
Doch tadle nicht alles,
Was du nicht loben kannst.
Kannst du nicht bessern, so schweig.
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