Bei jenem denkwürdigen Mahl am galiläischen Meere, als der Meister zum letztenmal mit seinen Jüngern Brot brach, ereignete sich der bezeichnende Vorfall, über den Johannes in seinem Evangelium mit folgenden Worten berichtet: „Da sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon Jona, hast du mich lieber, denn mich diese haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, Du weißt, daß ich dich lieb habe. Spricht er zu ihm: Weide meine Schafe!” Daß das Gebot, das dreimal wiederholt wurde, Eindruck auf Petrus machte, wird durch den Eifer und Fleiß bewiesen, mit dem er ans Werk des Predigens und Heilens ging, bestrebt, in allen Dingen den Fußstapfen seines geliebten Meisters zu folgen, dessen Abschiedsgebot an die Jünger gewesen war: „Gehet hin in alle Welt, und prediget das Evangelium aller Kreatur. ... Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: In meinem Namen werden sie ... mit neuen Zungen reden, ... auf die Kranken werden sie die Hände legen, so wird’s besser mit ihnen werden.”
Als die Jünger, in Erfüllung dieser Voraussage, anfingen, „mit neuen Zungen [zu] reden”, und die Menge sich verwunderte und zu fragen begann, was sie tun sollten, sagte Petrus: „Denn euer und eurer Kinder ist diese Verheißung, und aller, die ferne sind, welche Gott, unser Herr, herzurufen wird.” Dann kam als weitere Bekräftigung die Heilung des Lahmen an der Türe des Tempels, wo Petrus öffentlich des Meisters Erklärung in Bezug auf die Zeichen, die da folgen sollten denen, „die da glauben”, auf die Probe stellte.
Der Bettler lag da, hilflos und wahrscheinlich ohne Hoffnung, daß das Leben für ihn eine größere Wohltat bereit hätte als ein Almosen, das ihm Brot und Obdach sichern würde. Ohne Zweifel erkannte Petrus des Krüppels erbärmlichen Zustand und sah, daß nicht ein Almosen sein größtes Bedürfnis war, sondern daß er vor allem Gesundheit nötig hatte, um sich durch eigne Arbeit aus der Not befreien zu können. Mit Absicht richtete er daher an den Hilflosen die folgende Behauptung der durch Jesum zum Ausdruck gekommenen Allheit und Allmacht Gottes, der Macht der Wahrheit, von der wir wissen, daß sie auch heute noch heilt und erlöst: „Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: im Namen Jesu Christi von Nazareth stehe auf und wandle!” Der Bericht sagt von diesem scheinbar Hilflosen: „Alsobald standen seine Schenkel und Knöchel fest; sprang auf, konnte gehen und stehen, und ging mit ihnen in den Tempel, wandelte und sprang, und lobete Gott.”
Der erwähnte Vorfall enthält in Kürze die Lehren der Christian Science. Das Gebot: „Weide meine Schafe!” fand ein Echo im Ohr unsrer Führerin, als sie in ihrer eignen wunderbaren Genesung den Beweis erhielt, daß das Christus-Heilen auch heute noch anwendbar ist und daß die „Zeichen” immer noch folgen „denen, die da glauben”. Reichlich hatte sie empfangen und reichlich gab sie. Als sie ihre Entdeckung durch das Christian Science Lehrbuch „Science and Health with Key to the Scriptures“ bekannt machte und demselben nur wenig Glauben geschenkt wurde, heilte sie zum Beweis für dessen Wahrheit die Kranken. Gleich dem Meister sagte sie: „Glaubet doch den Werken, wollt ihr mir nicht glauben”.
Gerade durch ihr Heilungswerk richtet die Christian Science den stärksten Ruf an die Menschheit. Es ist ein oft angeführter und sehr wahrer Ausspruch: „Wo die Not am größten, da ist Gottes Hilfe am nächsten”, und wenn wir durch Krankheit und Sorge, Unglück und Verlust scheinbar zum äußersten gekommen sind, wenn uns aller irdischer Verlaß fehlgeschlagen hat und wir demütig anerkennen: „Menschenhilfe ist nichts nütze”, so wird die Christian Science für uns zu einem Licht in der Dunkelheit der sterblichen Annahme, zu einem sichern Hafen, wenn Stürme in der Gestalt von Widerwärtigkeiten, Bosheit, Neid und Haß uns hin und her werfen und uns überwältigen wollen. Ja die Christian Science bietet uns eine vollständige Erlösung durch ihre Erklärung von der Allmacht und Allgegenwart Gottes, der da ist „gestern und heute, und derselbe auch in Ewigkeit”— durch ihre Demonstration von der Macht der Wahrheit, die heilt und von Krankheit und Sünde errettet.
Haben wir selbst Erlösung erfahren, so ist es unser hohes Vorrecht, nun die Herde zu weiden. Wir müssen der Menge, die nach einer gegenwärtigen Rettung hungert und dürstet, die frohe Botschaft verkündigen, daß jetzt, in dieser unsrer Zeit, das Brot des Lebens und das lebendige Wasser zu haben ist, den Worten Jesu gemäß: „Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubet, den wird nimmermehr dürsten.” Es ist das Evangelium, das „im Namen Jesu Christi von Nazareth” die Lahmen auffordert zu gehen und die Tauben zu hören, die „Unheilbaren”, sich von ihrem Kranken- und Schmerzenslager zu erheben, die Opfer erniedrigender Gewohnheiten, ihre Fesseln abzuwerfen, mit denen sie Satan binden wollte, die da sorgenvollen und gebrochenen Herzens sind, sich zu trösten, die Armen und Notleidenden, teilzunehmen an den Schätzen, die nicht dahinschwinden. Es ist das Evangelium, das uns hilft, sowohl uns selbst wie auch unsern Nächsten aus der Not zu erretten.
Mrs. Eddy sagt uns: „Das Mittel, Irrtum aus dem sterblichen Sinn auszuscheiden, besteht darin, daß man Wahrheit auf Flutwellen der Liebe einströmen läßt” („Science and Health“, S. 201). Genau in dem Verhältnis, wie die Christian Scientisten, einzeln und in der Gesamtheit, in Wort und Wandel das Evangelium der völligen Erlösung in die Tat umsetzen, überwinden sie die sterbliche Annahme, die so lange das Verderben der Menschheit gewesen ist — die Annahme, daß es eine andre Macht gebe als Gott, das universelle und unbegrenzbare Gute.
 
    
