Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Lebenszweck und Errungenschaften Mary Baker Eddys

Aus der Juli 1911-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft

Cosmopolitan Magazine


Man kann die Errungenschaften Mary Baker Eddys nicht ohne Staunen betrachten. Vor vierundvierzig Jahren war die Christian Science noch ganz und gar unbekannt; heute ist sie durch eine Organisation vertreten, die buchstäblich über die ganze Erde reicht. Damals erklärte nur eine Stimme das neu-alte Evangelium; heute verkündet ein mächtiger Chor von Stimmen dieses Evangelium — von den Schneegefilden Alaskas bis zum Gestrüpp Australiens, von den Pagoden Chinas bis zum südafrikanischen Veldt. Wendell Phillips erklärte einstmals: „Einer allein auf Gottes Seite bildet die Majorität.” Mrs. Eddy hat diese Worte angeführt und deren Wahrheit bewiesen. Menschlich gesprochen stand ihr alles entgegen. Die Welt ist in ihren Methoden sehr fortschrittlich, wenn es auf ihren eignen Vorteil ankommt, hält aber in der Regel sehr zäh an ihren Vorurteilen fest. Ihre Anführer, besonders auf religiösem Gebiete, waren stets Männer gewesen, und sie lehnte sich deshalb gegen den Gedanken auf, daß eine Frau auch das Recht habe, als ein Daniel zu urteilen. Seit vielen Jahrhunderten hatten sich ihre Gelehrten mit der Ausarbeitung wissenschaftlicher Methoden beschäftigt, die sie wohl von Zeit zu Zeit abänderten, aber stets vom materiellen Standpunkte aus, und sie waren sehr aufgebracht, als eine Frau erschien, die es wagte, ihre (der Gelehrten) Voraussetzungen in Frage zu stellen und ihre Grundsätze umzustoßen. Der herrschenden Anschauung nach war die Christian Science eine Irrlehre; und doch ist sie die reine Lehre, indem sie die Christenheit zu dem ursprünglichen Christentum zurückführt.

Wie uns Mrs. Eddy in ihrer kleinen, als „Retrospection and Introspection“ bekannten Selbstbiographie erzählt, entdeckte sie während ihres Aufenthaltes im Staate Massachusetts im Jahre 1866 die Wissenschaft des göttlich-metaphysischen Heilens, welche sie später Christian Science (Christliche Wissenschaft) nannte. Für die Welt waren Christentum und Wissenschaft entgegengesetzte Begriffe geworden. Daß sie dies nicht mehr sind, haben wir Mrs. Eddy zu verdanken. Ursprünglich war es vom orthodoxen Standpunkte aus durchaus nicht unpassend, diese beiden Begriffe zu verbinden. In den Episteln kommt ein Ausdruck vor, der mit „Erkenntnis Gottes” übersetzt ist, der aber eigentlich „wissenschaftliche Erkenntnis Gottes” bedeutet. Petrus sowohl wie Paulus bedienen sich dieser Bezeichnung. Dieselbe hat gewissermaßen die Bedeutung von „die Wahrheit”, im Gegensatz zu dem einfachen Wort „Wahrheit”, wie es im vierten Evangelium zu finden ist. Es wird somit ein Unterschied gemacht zwischen dem Absoluten und dem Relativen. Diese bedeutsame Tatsache war den Scholastikern des Mittelalters nicht unbekannt. Wenn sie auch ihre Fehler hatten, so bestrebten sie sich doch immerhin, bei ihren Bibelforschungen wissenschaftlich zu verfahren. Der größte von ihnen war Thomas von Aquino, welchen Huxley als den schärfsten Denker der Welt bezeichnet. In seiner „Summa” definiert Aquino die Theologie (ihrer reinen Bedeutung nach das Wort Gottes) als die einzige absolute Wissenschaft, die der Welt bekannt ist, und verwirft jede Erscheinungsform der Naturwissenschaft als rein relativ. Wyclif, der letzte der großen Oxforder Scholastiker, übersetzt die folgende bekannte Stelle aus dem Evangelium Lukas (Kap. 1:76, 77): „Daß du ... Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk, die da ist in Vergebung ihrer Sünden”, wie folgt: „Daß du ... Wissenschaft und Gesundheit gebest seinem Volk zur Vergebung ihrer Sünden.”

Sechs Jahrhunderte vergingen — Jahrhunderte der Verwirrung, die sich von einem Ende der Christenheit bis zum andern erstreckte. Die alten Bande der Orthodoxie wurden durch die Reformation gelöst. Das Wiederaufleben der Gelehrsamkeit brachte nicht nur ein eifrigeres Studium der griechischen Sprache und den Anfang der Textkritik, sondern auch eine Menge kühner Spekulationen, welche sich mit der Zeit zur historischen Kritik entwickelten. Man fing an, die alte abergläubische Achtung vor heiligen Dingen nach dem Maßstabe des Rationalismus zu bemessen, worauf dann nach dem Karneval der „Göttin der Freiheit” ein Jahrhundert folgte, in welchem es die wissenschaftliche Forschung größtenteils darauf abgesehen zu haben scheint, die göttliche Offenbarung zu vernichten. Während dieser Zeit, als die Hohenpriester der Naturwissenschaft ihren unbekannten Göttern Altäre bauten, wurde Mrs. Eddys Buch, „Science and Health with Key to the Scriptures“, der Welt gegeben. Auf Seite 24 von „Retrospection and Introspection“ schreibt sie: „Während der zwanzig Jahre vor meiner Entdeckung suchte ich alle physischen Wirkungen auf eine geistige Ursache zurückzuführen, und gegen Ende des Jahres 1866 gewann ich die wissenschaftliche Gewißheit, daß Geist (Mind) alle Ursache umschließt und daß jede Wirkung eine mentale Kundgebung ist. Meine sofortige Heilung von einer durch einen Unfall verursachten Verletzung, einer Verletzung, der gegenüber weder die Arzneikunde noch die Chirurgie etwas auszurichten vermochten, war der fallende Apfel, der mich zu der Entdeckung führte, wie ich selbst gesund sein und andre gesund machen könnte.”

Im Jahre 1866 waren acht Jahrhunderte seit der Eroberung Englands durch die Normannen verflossen. Ein für die Menschheit weit wichtigeres Ereignis, als die Landung Wilhelms des Eroberers in Pevensey, fand jedoch in diesem Gedächtnisjahre statt. Dieses Ereignis bestand darin, daß die Christian Science Bewegung, welche der Christenheit das ursprüngliche Christentum wiederbringen sollte, ihren Anfang nahm. In jenem Jahre stand Mrs. Eddy mit ihrer Entdeckung allein da in der Welt. Es fehlten ihr all die Mittel, die zu einem erfolgreichen Kreuzzug nötig erscheinen. Sie hatte jedoch ein Verständnis von der göttlichen Wissenschaft erlangt, das ihr niemand nehmen konnte, und sie erkannte die volle Bedeutung ihrer eignen Worte auf Seite 99 von „Miscellaneous Writings“: „In keiner andern Hinsicht erschien Jesus von Nazareth mehr göttlich, als in seinem Glauben an die Unsterblichkeit seiner Worte. Er sagte: ‚Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen‘; und sie sind nicht vergangen.” Die Christenheit hat diese Worte Jesu seit fast zwanzig Jahrhunderten gelesen, hat sie aber auf ein zukünftiges Leben bezogen — auf ein Reich jenseits der Wolken. Mrs. Eddy erkannte, was Jesus meinte, als er sagte, er sei gekommen, um den Menschen „Leben und volle Genüge” zu bringen, und als er erklärte, das Reich Gottes sei „inwendig” in ihnen — d. h. in ihrem Bewußtsein und darum in ihrem Bereich. Sie wollte der Welt zeigen, daß jetzt wirklich jetzt und nicht morgen bedeutet, und daß das praktische Christentum eine gegenwärtige Erlösung von den Übeln des Fleisches lehrt.

Die Leute reden oft von der Christian Science als sei sie nichts weiter als eine Riesen-Poliklinik. Sie haben oft einen fast lächerlichen Begriff von dem Heilen, wie es in der Christian Science ausgeübt wird. Wie heilt nun die Christian Science? Sie sucht aus dem menschlichen Bewußtsein alle mentalen Ursachen auszuscheiden, die Sünde, Krankheit und Tod erzeugen. Sie lehrt, daß der Patient ein besserer Mensch werden muß, wenn er Gesundheit erlangen will. Sie hat es nicht nur auf die Vernichtung von Krankheiten und Schmerzen, sondern auch von Kummer und Mangel, Laster und Elend abgesehen. Allerdings legt sie Gewicht auf das physische Heilen; aber darin folgt sie nur dem Beispiel Jesu. Nähme man die Berichte über physische Heilungen aus der Bibel heraus, so würde ein großer Teil der Evangelien fehlen. Jesus wandte seine Heilkraft nicht nur an, um den leidenden Menschen ihre Bürde abzunehmen, sondern auch, um durch praktische Veranschaulichung die Wissenschaft seiner Lehre zu beweisen. Als die Jünger Johannis zu ihm kamen und ihn fragten, ob er der Christus sei, wies er auf seine Werke und nicht auf seine Worte hin, und als er seine eignen Jünger aussandte, damit sie den Leuten die frohe Botschaft brächten, trug er ihnen auf, das Evangelium zu predigen und die Kranken zu heilen. Also Jesus und kein andrer machte die Fähigkeit, in gewissem Maße seine Werke zu tun, zum Maßstabe, nach welchem seine Nachfolger ihr Recht, Christen genannt zu werden, bemessen müssen. Wirft es nicht ein trauriges Licht auf die nahezu zweitausend Jahre christlicher Unterweisung, daß gerade die Kirche, welche diesen Maßstab „im Geist und in der Wahrheit” annimmt, von der Orthodoxie des Irrglaubens beschuldigt wird?

Die Tage sind vorüber, in denen der Ruf: „Ketzer!” die Leidenschaften abergläubischer und nichtdenkender Volksmassen erregen konnte. Die Welt sieht ein, daß der Irrglaube von gestern oft die Rechtgläubigkeit von heute ist. Es war ein und derselbe Geist, der Jesum der Gotteslästerung beschuldigte, Paulum als „eine Pest” bezeichnete (Züricher Bibel), Wyclif einen lügenhaften Menschen nannte und Luther als einen trunksüchtigen Mönch hinstellte. Die vielen unbegründeten Angriffe auf die Christian Science finden immer mehr ihren Weg dahin, wo die Merkwürdigkeiten theologischer Streitfragen aufbewahrt werden, und die Welt beginnt in dem Lebenswerk unsrer Führerin, Mrs. Eddy, die Erfüllung der wundervollen Prophezeiung des amerikanischen Philosophen Emerson zu erkennen: „Wenn dereinst ein aufrichtiger Denker mit Entschiedenheit jeden Gegenstand von persönlichen Beziehungen trennen, ihn im Lichte des Denkens schauen und zugleich die Wissenschaft mit dem Feuer der heiligsten Liebe entzünden wird, dann wird sich Gott aufs neue in seiner Schöpfung zeigen.”

Es hat jemand ganz richtig gesagt, daß, wenn das Christentum nicht wissenschaftlich und die Wissenschaft nicht christlich sei, man das eine oder das andre entbehren könne. Mrs. Eddy erkannte dies, als sie auf Seite 313 von „Science and Health“ schrieb: „Jesus von Nazareth war der wissenschaftlichste Mensch, der je auf dem Erdball wandelte.” Dies müssen wir zugeben, wenn wir das Leben Jesu betrachten — es sei denn, wir wollen die Evangelien in das Reich des Sagenhaften verweisen. Er wandelte den Ufern der syrischen Seen entlang, über die Hügel Galiläas und durch die Dörfer Judäas und predigte die absolute Wahrheit, wie die Welt sie noch nie gehört hatte — das Evangelium von Christo; und als nicht nur die Schriftgelehrten und Pharisäer, sondern auch die Fischer und Hirten sich der Wahrheit gegenüber, die er so furchtlos verkündete, ablehnend verhielten, bediente er sich der Wunder und sagte zu ihnen, wenn sie seinen Worten nicht glauben wollten, so müßten sie doch seinen Werken glauben. Diese „Zeichen” waren also die wissenschaftliche und praktische Demonstration der Wahrheit seiner Theorie und Theologie. Für ihn waren sie nichts weiter als die unausbleibliche Kundgebung der Tätigkeit des geistigen Gesetzes. Deshalb erklärte Mrs. Eddy mit geistigem Scharfblick, ein Wunder sei kein übernatürliches, sondern ein göttlich-natürliches Ereignis.

Wer dies in Frage stellt, möge sich an sein Neues Testament wenden. Die Worte, welche als „Wunder” übersetzt worden sind, bezeichneten nichts übernatürliches, bis man ihnen in den Jahrhunderten nach Konstantin dem Großen diese Bedeutung beilegte. Selbst das lateinische Wort miraculum, welches Hieronymus in seinen späteren Schriften anwendet, war ein einfacher wissenschaftlicher Ausdruck, der unter den heidnischen Philosophen gebräuchlich war. Tatsächlich stellte die ursprüngliche Kirche den Auftrag Jesu, die Kranken zu heilen, nie in Frage. Es war eben nur erst kurze Zeit vergangen, seit er gesagt hatte: „Wer an mich glaubet, der wird die Werke auch tun, die Ich tue”, und seit der Apostel Jakobus die folgende ernste Warnung hatte ergehen lassen: „Der Glaube, wenn er nicht Werke hat, ist er tot an ihm selber.”

Trotz alledem gab die Christenheit ihren Versuch nicht auf, den ungenähten Rock zu trennen. Das Predigen des Evangeliums übergab man immer mehr den Priestern, während das Heilen der Kranken den Ärzten übertragen wurde, die gar wohl Gottesleugner sein konnten. Natürlicherweise mußte die Christenheit ihre Abweichung von dem klaren Auftrag Jesu verteidigen, und sie tat es unter anderm mit der erstaunlichen Behauptung, das Wachstum des Christentums stehe im Verhältnis zu der Zunahme der Hospitäler. Keine Behauptung ist weiter von der Wahrheit entfernt. Die Zunahme von Hospitälern zeugt in Wirklichkeit von Mißerfolgen innerhalb der Christenheit. Das Hospital war ursprünglich ein Tempel, in welchem heidnische Verehrung schließlich mit der Krankenpflege verbunden wurde. Daß diese Krankenpflege die Form des krassesten Aberglaubens annahm, ist allgemein bekannt. Es bedeutete keinen großen Fortschritt, als sich die Menschen den weniger geheimnisvollen und mehr materiellen Mitteln zuwandten.

Im Zeitalter des Christentums wurden die Hospitäler aus den Tempeln des Äskulap entfernt und in die Klöster verlegt. Mit der Zeit trennte man sie ganz und gar von religiösen Einrichtungen. Die Heilkunde wurde immer mehr materiell. Nach und nach entwickelte sich ein Stand der orthodoxen Mediziner, wie sich eine orthodoxe Kirche entwickelt hatte, so daß z. B. schon im Mittelalter ein Hofarzt einen königlichen Prinzen durch Einwickeln in ein rotes Tuch gegen Pocken behandelte, während ein andrer Arzt, der nicht zu der anerkannten Schule gehörte, in den Stock gelegt wurde, weil er eine Frau durch Umhängen eines Stück Pappedeckels kurieren wollte. Die Rezepte, welche Plinius nennt, sind kaum erstaunlicher als diejenigen der Renaissance, und die Rezepte der Renaissance waren um nichts verwerflicher, als diejenigen zu Anfang des vorigen Jahrhunderts. Diese Tatsache sollten sich die Kritiker merken, welche fragen, warum denn die Welt jahrhundertelang habe auf die Christian Science warten müssen. „Gott ist in Seinem Himmel, mit der Welt steht’s gut”, schreibt ein Dichter. Aber Gott war zur Zeit, da die heidnischen Priester ihre Schlangen im Tempel auf der Insel Kos ausstellten, ebensowohl in Seinem Himmel, als zur Zeit, da Christus Jesus die Kranken auf den Straßen Kapernaums heilte — ebensowohl als zur Zeit, da die Ärzte im Zeitalter der Königin Elisabeth von England Pulver verschrieben, das von Mumien abgeschabt war. Jesus erklärte — auf seine geistige Individualität, den Christus Bezug nehmend —: „Ehedenn Abraham ward, bin Ich”; und unmittelbar vor seiner Himmelfahrt sagte er: „Siehe Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.” Obgleich Gott stets im Himmel war, obgleich Christus ewig ist, so mußte die Welt doch jahrhundertelang warten, bis Jesus kam, um sie über Gott, den Himmel und den Christus zu belehren. Und als die Menschheit während der langen Nacht, welche auf die Zeit Konstantins folgte, ihre Aufgabe vergessen hatte, mußte sie warten, bis Mrs. Eddy die Lehre „des wissenschaftlichsten Menschen, der je auf dem Erdball wandelte”, wiederentdeckte und der Welt aufs neue praktisch anwendbar machte.

Die Erkenntnis, daß Gott in Seinem Himmel ist, war jedoch während jener Jahrhunderte der Dunkelheit nicht ganz verloren gegangen. Sowohl vor wie nach Beginn der christlichen Zeitrechnung sind wiederholt Männer erstanden, welche in Augenblicken ungetrübter geistiger Wahrnehmung die Allmacht der Wahrheit so klar erkannten, daß sie Kranke heilen und dem Tod Einhalt tun konnten. Die Stimmen solcher Männer waren jedoch Stimmen in der Wüste des Zweifels und des materiellen Sinnes. Sie waren wie einzelstehende Sterne, welche die Dunkelheit der Nacht nur umso bemerkbarer machten, während das Kommen Christi Jesu das Aufgehen der „Sonne der Gerechtigkeit” bedeutete, „mit Gesundheit unter ihren Flügeln” (Züricher Bibel). Zu solchen Pionieren, die im christlichen Zeitalter gelebt haben, gehören Männer wie Luther, Blumhardt, Fox und Wesley. Diese Männer vollbrachten jedoch die Heilungen, welche ihnen durch ihr Vertrauen auf die göttliche Liebe möglich wurden, trotz der Tatsache, daß sie menschliche Leiden dem Walten der Vorsehung zuschrieben und Seuchen und Kriegsnöte für Sendungen Gottes ansahen. Die erste Person, welche die Unhaltbarkeit solcher Anschauungen klar erkannte, die erste, welche einsah, daß die Güte Gottes sich nicht nur gelegentlich kundtut, sondern daß sie als ein unveränderliches Gesetz wirkt, war Mrs. Eddy. Als ihr dies klar geworden war, hatte sie die Wissenschaft des Seins erfaßt. „Ich wußte”, schreibt sie auf Seite 109 von „Science and Health“, „daß Gott das Prinzip aller harmonischen Geistestätigkeit ist und daß die Heilungen zur Zeit der Urchristen durch heiligen, erhebenden Glauben bewirkt wurden. Ich mußte jedoch die Wissenschaft ergründen, welche diesen Heilungen zugrunde lag, worauf ich durch göttliche Offenbarung, Vernunft und Demonstration zu absoluten Schlüssen gelangte.”

Unter diesen Umständen mußte Mrs. Eddy vor allem lehren. Da aber ihre Lehre wesentlich wissenschaftlich war, konnte sie nicht von der Demonstration getrennt werden. Sie erklärt auf Seite ix in der Vorrede zu „Science and Health“: „Im Jahre 1870 wurde ihr [der Autorin] das Verlagsrecht auf ihre erste Broschüre über die Christian Science bewilligt; dieselbe erschien aber erst 1876 im Druck, da sie eingesehen hatte, daß diese Science durch Heilen demonstriert werden muß, ehe ein Werk über diesen Gegenstand in nutzbringender Weise studiert werden kann.” Das Werk der physischen Heilung schritt daher ununterbrochen weiter, ohne jedoch der Lehrtätigkeit Abbruch zu tun. Stets wurde der Befehl, das Evangelium zu predigen und die Kranken zu heilen, aufs strengste befolgt.

Mrs. Eddy erkannte gleich zu Anfang, daß die Bewegung, welche sie gegründet hatte, nur durch das Ausscheiden von Persönlichkeit gesundes Wachstum erlangen könnte. Sie hatte sich die folgenden bedeutungsvollen Worte Christi Jesu tief zu Herzen genommen: „Der Sohn kann nichts von ihm selber tun, sondern was er siehet den Vater tun; denn was derselbige tut, das tut gleich auch der Sohn.” In ihrem Artikel „Persönliche Ansteckung” sagt sie: „Keine Religion oder Philosophie ist den Jahrhunderten je in andrer Weise verloren gegangen, als dadurch, daß man deren göttliches Prinzip in der Persönlichkeit untergehen ließ.” Als sie die endgültige Form des Gottesdienstes für die Christian Science Kirche feststellte, handelte sie sehr weise, indem sie eine Form wählte, die dem ehrgeizigen Streben keinen Raum ließ— eine Predigt von außerordentlicher Einfachheit, die gleichzeitig auf dem ganzen Arbeitsfelde gelesen werden kann.

Wie alle Einrichtungen der Christian Science, so haben auch ihre Gottesdienste den Zweck, einen heilenden Einfluß auszuüben, und nicht, eine Gemütserregung hervorzurufen. Das Lesen der Bibel und des Textbuches, „Science and Health“, heilt den Geist und somit den Körper; sagte Jesus doch: „Welches ist leichter zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben; oder zu sagen: Stehe auf und wandle?” Die Heilmethode Jesu war geistig. Während seiner Amtstätigkeit bediente er sich niemals materieller Heilmittel, und seiner eignen Aussage gemäß war er „der Weg”. Der Fall, wo er die Augen des Blinden mit Kot bestrich, wird zuweilen angeführt, um den Gebrauch von materiellen Heilmitteln zu rechtfertigen. Dies beweist jedoch bloß, in welch verzweifelter Lage sich diejenigen befinden, die „den Geist in der Materie festhalten möchten” („Science and Health“, S. 28). Sollte der Mann, welcher den Sturm stillte, auf dem Wasser wandelte, Tote erweckte, und zwar durch die klare Erkenntnis, daß Gott ihn allezeit erhörte und daß das geistige Gesetz stets für alle anwendbar ist, die es anzuwenden wissen — sollte dieser Mann nicht imstande gewesen sein, einen Blinden zu heilen, ohne die Mittel der damaligen Mediziner anzuwenden, welche Blindheit mit verkohltem Schlangenfleisch und dem Blut roter Ziegenböcke zu vertreiben suchten?

Dieser Ton des Heilens klingt durch die ganze Christian Science Bewegung hindurch — in ihren Gottesdiensten, in ihrer Literatur, in ihren Vorträgen sowohl wie am Krankenlager. Seit Gründung dieser Bewegung vor etwa vierzig Jahren war das Streben der großen Führerin unablässig darauf gerichtet, ihren auf Seite 226 von „Science and Health“ ausgedrückten Wunsch zur Verwirklichung zu bringen: „Die Lahmen, die Tauben, die Blinden, die Kranken, die Sinnlichen, die Sünder wollte ich aus der Sklaverei ihrer eignen Annahmen und von den Lehrsystemen der Pharaonen befreien, welche heute, wie vor alters, die Kinder Israel gefangen halten.” Um dies tun zu können, mußte Mrs. Eddy ihre Nachfolger in der Christian Science unterrichten. Etwa 1867 eröffnete sie in Lynn im Staate Massachusetts die erste Schule der Christian Science Geistesheilung mit einem einzigen Schüler. Vierzehn Jahre später gründete sie die staatlich privilegierte „Metaphysische Lehranstalt von Massachusetts”, in welcher sie in den folgenden sieben Jahren über viertausend Schüler unterrichtete. Auf diese Weise wurden die ersten Werbungen für die „große Armee” von Christian Scientisten gemacht. Es war die Aufgabe dieser Rekruten, „Übel, Krankheit und Tod zu verringern” („Science and Health“, S. 450). Wo auch diese Armee marschiert, führt sie ihre Fahnen mit sich, auf welchen geschrieben steht: „Die Sklaverei ist abgeschafft”— nicht allein die Sklaverei des Körpers, sondern auch die grausame Unterwerfung des Geistes unter die bestehenden Bräuche, Annahmen und Krankheiten. Unter Mrs. Eddys Einrichtungen zur Errettung der Menschheit ist der Lektorenausschuß der Christian Science Kirche zu nennen, dessen Wirken uns an die Zeit der ersten Christen erinnert. Der Christian Science Lektor hat eigentlich keine Heimat. Er muß jederzeit gewärtig sein, in ein weitentferntes Land gesandt zu werden. Auf den Wunsch derer, die seine Hilfe nötig haben, reist er nach China oder Australien, wie sich die früheren Boten von Troas losmachten und nach Cypern schifften. Alle Länder sind ihm gleich. Er pflegt Umgang mit Menschen der verschiedensten Nationalitäten und Gemütsanlagen, und wo er auch hingeht, predigt er und spricht: Das Reich Gottes, die Herrschaft der Harmonie ist in eurem Bereich. Und dabei verbindet er die zerbrochenen Herzen und bringt den Mühseligen und Beladenen Frieden. Die Rednerbühne des Christian Science Lektors hat wenig mit der Rednerbühne auf dem römischen Forum gemein, sondern sie gleicht mehr dem am Ufer des Galiläischen Meeres geankerten Kahne.

Mit unsrer Literatur verhält es sich ebenso wie mit unserm Lektoren-ausschuß. Um den stets wachsenden Bedürfnissen der Bewegung entgegenzukommen, gründete Mrs. Eddy das Monatsheft, „The Christian Science Journal“, dessen Redakteur und Verleger sie anfangs war, und einige Jahre darauf eine Wochenschrift unter dem Namen „Christian Science Sentinel“. Im Jahre 1903 folgte das deutsche Monatsheft, „Der Herold der Christian Science.” Diese Zeitschriften haben den Zweck, das Heilen durch die Christian Science weiteren Kreisen zu erschließen. Eine jede Ausgabe dieser wohlbekannten Hefte hat ihren Lesern Berichte von Heilungen durch die Christian Science gebracht.

Nicht zufrieden mit diesen riesigen Leistungen, fügte Mrs. Eddy ihren Schriften stets neue hinzu. Das größte und berühmteste unter allen ist natürlich das Textbuch der Christian Science, „Science and Health with Key to the Scriptures“, das kostbare Buch, das Buch, welches eine größere Verbreitung gefunden hat, als irgendein andres Buch zu Lebzeiten seines Verfassers. In ihrem neunzigsten Jahr veröffentlichte sie ihr letztes Werk, nämlich eine schön gebundene Sammlung ihrer Gedichte.

Keine von Mrs. Eddys literarischen Vollbringungen erregte jedoch die Verwunderung der Welt in so hohem Maße, wie der „Christian Science Monitor“. Indem sie in ihrem siebenundachzigsten Lebensjahr diese Tageszeitung gründete, brachte sie einen Plan zur Ausführung, den sie seit siebenundzwanzig Jahren nie aus dem Auge verloren hatte. Also die Idee selbst sowie auch der Name und das Motto des Blattes stammen von ihr. Auf ihre Anordnung hin führten ihre treuen Nachfolger ein Werk aus, das die Welt in Erstaunen setzte, indem sie innerhalb drei Monaten, nachdem Mrs. Eddy ihren Wunsch geäußert hatte, den Bauplatz räumten das erforderliche Gebäude errichteten und eine Tageszeitung herausgaben, die in zwei Jahren eine einzigartige Verbreitung über die ganze Erde gefunden hat. Der „Christian Science Monitor“ soll der Welt Heilung bringen, indem er nicht das Schlechte, sondern das Gute unter den Menschen berichtet; indem er keine übertriebenen Berichte bringt, sondern Tatsachen erst in nüchterner Weise prüft; indem er nicht eine Partei, sondern die Gesamtheit vertritt. In dieser Weise erfüllt er seine Bestimmung, wie sie in dem ihm von seiner Begründerin gegebenen Motto zum Ausdruck kommt: „Zum ersten das Gras, darnach die Ähren, darnach den vollen Weizen in den Ähren.”

Wir haben nun Mrs. Eddys untrügliche Weisheit in der Pflege und Leitung dieser Bewegung kurz dargelegt. Sie tat jedoch noch mehr. Indem sie die Komitees für Veröffentlichungen anordnete, welche ihre Bureaus in allen Teilen der Welt haben, baute sie eine Schutzmauer auf, deren Stärke nicht leicht überschätzt werden kann. Das Motto dieser Komitees könnte sein: „Nur verteidigen, nie herausfordern.” Sie greifen nicht die Ansichten andrer Leute an, sondern verfolgen die Aufgabe, ihre eigne Sache zu verteidigen, indem sie in liebevoller aber bestimmter Weise Mißverständnisse, irrige Auffassungen und falsche Berichte in Bezug auf die Christian Science Bewegung berichtigen. In diesem Punkte hat Mrs. Eddy ganz besonders ihre Weisheit und zugleich ihre Liebe zur Menschheit bewiesen. Während andre Kirchengemeinschaften einen großen Teil ihrer Kraft dadurch vergeudeten, daß sie die Anschauungen ihrer Nachbarn angriffen, verwenden die Christian Scientisten jeden Augenblick darauf, die Wahrheit ihrer eignen Anschauungen in aller Geduld zu beweisen. Dem alten Sprichwort gemäß ist eine Unze von Beweisen mehr wert, als ein Pfund von Behauptungen. Die Beweise der Christian Science sind lebendige Beweise. Sie gehen auf der ganzen Erde als Menschen umher, die von Kummer, Not und Krankheit, ja vom Tode errettet worden sind. Die Gegner der Christian Science mögen den Kopf schütteln und behaupten, die Patienten seien nicht so krank gewesen wie sie gedacht hätten, oder die ärztliche Diagnose sei falsch gewesen und die Leidenden wären sowieso gesund geworden. Solche Erklärungen mögen diejenigen überzeugen, die schon von vornherein überzeugt waren; aber auf die Patienten, auf deren Familien, denen sie wiedergeschenkt worden sind, sowie auf deren Verwandte und Freunde, die Zeugen der stattgefundenen Veränderung gewesen sind, haben diese Einwendungen der Gegner keinen Einfluß. Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Gerade so benahmen sich die Schriftgelehrten dem Blindgebornen gegenüber, den Jesus sehend gemacht hatte. Erst wollten sie die Eltern dazu bewegen zuzugeben, daß die Tatsachen in Bezug auf das Leiden ihres Sohnes nicht genügend festgestellt worden seien, und als ihnen dies nicht gelang, suchten sie Jesum in seinem Ansehen zu schädigen. Der Geheilte aber gab ihnen halb verächtlich die triumphierende Antwort: „Eines weiß ich wohl, daß ich blind war, und bin nun sehend.” Um der Welt Gelegenheit zu geben, solche Zeugnisse aus dem Munde der Geheilten zu hören, richtete Mrs. Eddy die Zeugnisversammlungen an den Mittwochabenden ein. Dieselben tragen sehr viel zur Verbreitung der Christian Science über die ganze Erde bei. Jeden Mittwochabend, etwa um acht Uhr, fangen diese Versammlungen an, und indem die Sonne nach Westen zieht — oder zu ziehen scheint —, folgen sie ihr durch alle Länder, bis das Heilen der Christian Science auf der ganzen Erde verkündet worden ist. In diesen vierundzwanzig Stunden werden wohl mindestens fünftausend Zeugnisse über die heilende Macht des stets gegenwärtigen Christus abgegeben; und in der folgenden Woche wird die Kette dieser Heilberichte wiederum um die ganze Erde gezogen. Es sind etwa einunddreißig Jahre her, seit die Mutterkirche, „Die Erste Kirche Christi, des Scientisten”, in Boston gegründet wurde. Am 19. April 1879 versammelten sich Mrs. Eddy und eine handvoll Schüler, „um eine Kirche zu gründen, die den Zweck haben soll, der Worte und Werke unsres Meisters zu gedenken — eine Kirche der Geistesheilung, welche kein Dogma hat und welche die Kirche Christi, des Scientisten, heißen soll” („Retrospection and Introspection“, S. 44). In diesen einundreißig Jahren sind Hunderte und aber Hunderte von Kirchen und Vereine aus dem ursprünglichen Stamm hervorgewachsen, und dank der weisen Einrichtung der Führerin dieser Bewegung wird, wie bereits angedeutet, in den Versammlungen dieser Kirchen und Vereine allwöchentlich die Botschaft von der Heilung durch die Christian Science von denen verkündet, die aus Dankbarkeit für die erhaltenen Segnungen den Anwesenden, besonders den Fremden, ein Wort der Ermutigung zurufen möchten.

Wie ein jeder weiß, kommt es im Krieg hauptsächlich auf die Soldaten hinter den Kanonen an. Die Christian Science Kirche ist eine kämpfende Kirche, obgleich sie nicht „mit Fleisch und Blut” kämpft, „sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herrn der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen”. Alle Sorgfalt und Weisheit Mrs. Eddys wäre umsonst gewesen, wenn sie nicht die Männer für die Kanonen, die echten Christian Scientisten gefunden hätte. Natürlich mußte sie das Heer der Christian Scientisten erst einexerzieren, um den Soldaten etwas von der selbstlosen Liebe einzuflößen, die sie selber fühlte. Sie mußte dieselben dazu anhalten, sich selbst zu verleugnen und anzufangen für die Welt zu leben; mit einem Wort: Sie mußte sie die Christian Science lehren. Auch in dieser Hinsicht war sie sehr erfolgreich, indem sie eine große Schar von Arbeitern heranbildete, die die Geistesheilung, deren Demonstration die ursprüngliche Christian Science Kirche zum Zweck hatte, in alle Länder gebracht hat. Die Zukunft der Christian Science ist sicher, weil Mrs. Eddy ihre Nachfolger fortwährend auf das Prinzip und nicht auf die Persönlichkeit verwies. „‚Was seid ihr hinausgegangen zu sehen?‘” fragt sie in dem Aufsatz, „Persönliche Ansteckung”, „eine Person oder ein Prinzip? Dies entscheidet, ob die Nachfolge richtiger oder unrichtiger Art ist.” Keine Christian Scientisten, die auf der Reise vom Sinn zur Seele begriffen sind, würden je den rechten Pfad verlieren, wenn sie die Schlußworte von Mrs. Eddys Aufsatz, „Pond and Purpose“ („Miscellaneous Writings“, S. 209) beherzigen wollten: „Wenn ihr auf der Reise seid und euch bald nach Ruhe an den ‚frischen Wassern‘ sehnt, denkt über diese Liebeslehre nach. Lernt ihren Zweck; und da, wo sich die Herzen begegnen und gegenseitig gesegnet werden, trinkt mit mir in Hoffnung und Liebe die lebendigen Wasser des Geistes meiner Lebensaufgabe, nämlich, der Menschheit die wahre Erkenntnis des praktischen, wirksamen Christentums zu bringen.”

Copyright, 1911, by The Christian Science Publishing Society
Verlagsrecht, 1911, von The Christian Science Publishing Society

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / Juli 1911

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.