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Das Heilen der Christlichen Wissenschaft ist geistig und wissenschaftlich

Aus der Juli 1913-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Eine der brennenden Fragen der Menschheit ist die der Heilung. Die Menschheit ersehnt und erstrebt mehr Gesundheit und Glück, als sie heute besitzt, und zweifellos besteht ein großes Bedürfnis nach besseren Heilmitteln als den heute gebräuchlichen. In der Bibel — diesem einzigartigen Buch, das Millionen von Menschen schätzen und lieben, einerseits als die Richtschnur für Moral und wahre Lebensführung, und andrerseits als den wahren Bericht von der Erscheinung der Göttlichkeit auf Erden, um die Menschheit zu erlösen — in der Bibel, im Alten wie im Neuen Testament, findet man Worte, die auf eine bestimmte Heilungsart von Sünde wie von Krankheit hinweisen, eine Heilungsart, von der Christus Jesus bewies, daß sie allen andern Heilungsarten weit überlegen war, eine heilende und erlösende Macht, die auf ganz andern Wegen als den althergebrachten erforscht werden sollte, und die keine Beziehung zum Materiellen hat und hoch über allem Materiellen steht.

2. Mose 15, 26 z.B. lesen wir: „Ich bin der Herr, dein Arzt”. Psalm 103 heißt es, daß Gott „alle deine Gebrechen” heilt, und Psalm 107: „Er sandte sein Wort und machte sie gesund.” Christus Jesus sagt: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; Ich will euch erquicken”, und: „Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: In meinem Namen werden sie Teufel austreiben, mit neuen Zungen reden, Schlangen vertreiben; und so sie etwas Tötliches trinken, wird’s ihnen nicht schaden; auf die Kranken werden sie die Hände legen, so wird’s besser mit ihnen werden” (Mark, 16, 17–18).

Diese Zitate weisen darauf hin, daß die Menschheit bei einer geistigen Quelle anstatt bei Medikamenten nach der heilenden Kraft suchen sollte. Hätte Gott die Medikamente geschaffen und denselben heilende Kraft gegeben, dann hätte Christus Jesus, der in die Welt gekommen ist, um uns den Weg zur Erlösung zu zeigen, sie sicherlich gebraucht und andern anempfohlen. Aber dies tat er nicht, obwohl er genug Erkenntnis gehabt haben müßte, sie anzuwenden, wenn sie göttlich vorgesehen und göttlich bedingt wären. Sein durchschlagender Erfolg im Heilen, ohne Zuflucht zu materiellen Methoden zu nehmen, beweist aber, daß er die Kunst zu heilen voll und ganz verstand.

Die Heilige Schrift berichtet im Alten wie im Neuen Testament viele Fälle von Heilungen, z.B. die Heilung des Sohns der Witwe durch Elias (1. Kön. 17, 17–24), Elisas Erweckung des Sohns der Sunamitin (2. Kön. 4, 18–37), die Heilung des Naeman vom Aussatz (2. Kön. 5, 1–14).

Es wird berichtet, daß Christus Jesus zahlreiche körperliche Krankheiten geheilt hat, vorzüglich folgende: Lähmung (Luk. 5, 18–29), Aussatz (Luk. 17, 11–19), Verkrüppelung (Luk. 13, 11–17), Blindheit (Matth. 9, 27–31), Fieber (Luk. 4, 38–39), Wassersucht (Luk. 14, 2–4), Blutfluß (Matth. 9, 20–22), Wahnsinn (Mark. 5, 1–20), und Epilepsie (Mark. 9, 14–27). In den Evangelien wird auch von Totenerweckungen Jesu berichtet, von der Erweckung der Tochter des Jairus (Luk. 8, 41–56), des Jünglings zu Nain (Luk. 7, 11–15), und des Lazarus, der schon vier Tage im Grabe gelegen hatte (Joh. 11, 1–44). Außerdem werden viele Heilungen durch die Jünger und durch einige von Jesu Nachfolgern, die nicht seine persönlichen Schüler waren, berichtet. In der Apostelgeschichte (5, 12) lesen wir: „Es geschahen aber viel Zeichen und Wunder im Volk durch der Apostel Hände.” Petrus heilte den Mann, der lahm von Mutterleibe war (Apostelg. 3, 2–8), er heilte den Äneas von Lähmung (Apostelg. 9, 32–35), er erweckte Tabea (Apostelg. 9, 36–41), ja er heilte „viel Volks” (Apostelg. 5, 15–16). Paulus heilte einen Krüppel (Apostelg. 14, 8–10), er heilte den Vater des Publius von Fieber und Ruhr (Apostelg. 28, 8–9), er erweckte den Eutychus zum Leben nach seinem Unfall (Apostelg. 20, 9–12), und sich selbst heilte er vom Biß einer giftigen Schlange (Apostelg. 28, 3–6). Philippus, der, wie Paulus, kein persönlicher Schüler Jesu war, heilte verschiedene Menschen von Wahnsinn, Gichtbruch und Lähmung (Apostelg. 8, 6–7).

Von den Siebenzig wird berichtet, daß sie zu Jesus zurückkehrten und ihm von ihrer Heiltätigkeit erzählten: „Es sind uns auch die Teufel Untertan in deinen: Namen” (Luk. 10, 17–20). Diese Fälle zeigen fraglos, daß das christliche Heilen durch geistige und nicht durch materielle Mittel bewirkt worden ist. Sie lehren uns, daß wir die wahre Heilkraft, die Christus Jesus und seine Jünger zur Anwendung brachten, nicht in der Materie suchen sollten, sondern im göttlichen Gemüt, im göttlichen Geist. Bei der Heilung des Blindgeborenen (Joh. 9, 6) lagen augenscheinlich keine heilenden Kräfte in der Erde und im Speichel, auch nicht im Wasser des Teiches Siloah, denn wenn dem so gewesen wäre, würden diese allgemein leicht anwendbaren Mittel heute zur Heilung solcher Fälle angewendet werden. Zeitgenössische Profanschriftsteller und Geschichtsschreiber erwähnen, daß die ersten Christen heilten, und daß sie diese Heiltätigkeit ungefähr noch dreihundert Jahre lang ausübten.

Wenn die Bibelgläubigen konsequent sein wollen, können sie nicht umhin, die Tatsache des geistigen Heilens anzuerkennen; und doch zweifelt die überwiegende Mehrheit an der Möglichkeit solches Heilens, ja viele geben nicht einmal zu, daß es historisch ist, während die Naturwissenschafter als Gesamtheit dessen Möglichkeit in Abrede stellen. Manche geben zu, daß diese Ereignisse vielleicht zu jener Zeit unter irgendeinem unbekannten übernatürlichen Einfluß stattgefunden hätten, daß sie aber heute nicht mehr möglich seien. Dies ist weder logisch noch vernunftgemäß, denn wenn dieses Heilen durch die Kraft Gottes, die dieselbe ist gestern, heute und in alle Ewigkeit, damals geschah, dann kann es heute ebenfalls geschehen, da jedes göttliche Gesetz und jede göttliche Ordnung unwandelbar sein muß, und wir es mit denselben materiellen Zuständen und denselben materiellen Körpern zu tun haben wie die Leute damals. Jesus sagt: „Siehe, Ich bin bei euch alle Tage” (Matth. 28, 20), und: „Wer an mich glaubet, der wird die Werke auch tun, die Ich tue, und wird größere denn diese tun; denn Ich gehe zum Vater” (Joh. 14, 12). So lehrt uns der Meister, daß die ganze Wahrheit immer bei uns ist, und er kam, um uns zu zeigen, wie wir sie anwenden können. Das ist der Weg der Erlösung, und wenn wir ihn heute nicht finden und wandeln können, dann war Jesu Mission verfehlt. Ist es denkbar, daß der große Beispielgeber Christus Jesus, der Wegweiser der Welt, der Menschheit einen Weg zur Heilung und Erlösung gezeigt, ihn demonstriert und zur Nachfolge befohlen hätte, wenn derselbe nur im ersten Jahrhundert hätte eingeschlagen werden können, aber im zwanzigsten nicht mehr? Es ist unmöglich, Jesu Taten von seinen Worten zu trennen, denn die einen sind der Beweis für die andern. Die Heiltätigkeit muß als ein wesentliches Element des Urchristentums anerkannt werden.

Das in der Bibel verzeichnete Heilen wurde zu der Zeit, da es geschah, nicht bereitwilliger aufgenommen als heute, denn mir die Wenigen, die durch die dargebotenen Beweise überzeugt waren oder die eine geistige Umwandlung erlebt hatten, nahmen es auf. Die Schrift spricht von dem intensiven Haß und von den Verfolgungen, welche die ersten Christen wegen ihres Glaubens an die Wirksamkeit der geistigen Kraft zu erdulden hatten. Dies wird durch die Geschichte bekräftigt. Bemerkenswert ist, daß sich der Haß am intensivsten zeigte, wenn die geistige Kraft am sichtbarsten war, besonders in dem Augenblick, in dem sich die Heilung vollzog.

Wenn dieses geistige Heilen nach seinen Früchten beurteilt wird, muß jeder denkende Mensch zugeben, daß es viel besser und wirksamer ist als materielle Mittel; und da dies der Wahrheit entspricht, können wir nicht umhin, die Frage aufzuwerfen: Warum wird es nicht angewandt? Augenscheinlich, weil es nicht verstanden wird, denn heutzutage besteht ein allgemein verbreiteter Unglaube an die Möglichkeit des geistigen Heilens, eine hartnäckige Tendenz, es in Zweifel zu ziehen, trotz der vielen authentischen Berichte von solchen Heilungen.

Wir wollen nun einige der Ursachen dieses Unglaubens an das christliche oder schriftgemäße Heilen näher prüfen.

1. Den materiell Gesinnten wird es schwer einzusehen, daß physische Resultate durch geistige Mittel erzielt werden können, da die Lehren der materiellen Wissenschaften hinsichtlich der Natur der Materie ein Bewußtsein erzeugen, das derart zu Gunsten der Materie voreingenommen ist, daß es ihm schwer fällt, die Natur des geistigen Daseins und der geistigen Kraft zu erfassen.

2. Die allgemein angenommene Lehre hinsichtlich des Wesens Gottes und des materiellen Daseins steht im Widerspruch zu der Lehre der Bibel hinsichtlich der Demonstration der geistigen Kraft als eines wesentlichen Elementes des Christentums.

3. Die menschliche Trägheit, die allem widerstrebt, was nicht durch die Erziehung zur Gewohnheit geworden ist.

4. Der angeborene Widerstand des materiellen Sinnes, des fleischlichen Sinnes, gegen alle geistigen oder göttlichen Dinge. Paulus sagt: „Fleischlich gesinnet sein ist eine Feindschaft wider Gott” (Röm. 8, 7), ein Widerstand gegen den Geist.

So sehen wir, daß es der materielle Sinn ist, der das Verständnis des geistigen Heilens der Bibel hindert. Er ist der fruchtbare Boden, dem der Zweifel, der Agnostizismus und die Ungläubigkeit unsrer Zeit entwachsen. Betrachten wir also die Frage näher, ob die Materie den Geist überragt.

Den Jüngsten Entdeckungen der Naturwissenschaft zufolge ist die Materie eine Form von Energie und nicht der unzerstörbare Stoff oder die Wesenheit, wie früher angenommen wurde. Es hat sich gezeigt, daß ihre Einheit, das Molekül, aus positiven und negativen elektrischen kleinsten Teilchen, Elektronen oder Jonen genannt, zusammengesetzt ist. Durch mechanische und chemische Prozesse kann ein materieller Körper dahin gebracht werden, daß er im Zustand seiner allerkleinsten Teilchen, Atome genannt, in Wirksamkeit tritt. Eine weitere Trennung dieser Atome in ihre Ur-Elektronen und -Jonen läßt von unsern materiellen Körpern nur noch eine Form von Energie übrig, einen theoretischen Ausdruck von Kraft, in dem jede Spur der charakteristischen Merkmale der Materie oder des Körpers verschwunden ist. Welcher Art nun aber die Natur und das Verhalten eines abgesonderten, freien Elektrons ist, darüber mögen sich die Physiker den Kopf zerbrechen.

Die Ideal-Philosophie und die Psychologie lehren, daß die materiellen Gegenstände nur vergegenständlichte mentale, d.h. geistige Eindrücke und Begriffe sind und nicht außerhalb des Bewußtseins liegende, selbständige Wesenheiten. Wenn wir uns z.B. das ansehen, was wir ein materielles Ding nennen, so empfangen wir einen Eindruck, der durch das Licht auf das Bewußtsein hervorgerufen wird, und das ist alles, was wir sehen. Die Physik definiert Licht als Äther-Schwingungen oder eine Form von Energie, welche einen Eindruck auf das Bewußtsein hervorruft, und wir sind dazu erzogen worden, diesen Eindruck zu vergegenständlichen. Wir haben die Gewohnheit ererbt und in uns großgezogen, diesen Eindruck für Materie zu halten oder für einen Gegenstand, den wir sehen, wohingegen es sich nur um die Erfahrung eines mentalen, d.h. geistigen Eindrucks handelt. Gehör, Geschmack, Gefühl und Geruch, sie alle sind Erzeugnisse der mentalen, d.h. geistigen Eindrücke irgendeiner Form von Energie, die wir unbewußt vergegenständlichen.

So sehen, hören, fühlen, schmecken oder riechen wir in Wirklichkeit niemals Materie oder Gegenstände, sondern wir erleben Sinnenphänomene, die wir Materie nennen. Was wir zu sehen vermeinen, ist nicht ein Gegenstand, der außerhalb des Bewußtseins liegt, sondern nur ein Eindruck, der im Bewußtsein durch eine angenommene Form von Schwingung hervorgerufen wird. Ferner gibt es der Psychologie und Philosophie zufolge keinen Beweis von irgendeinem Dasein, das außerhalb des Bewußtseins existiert, und das Dasein wird daher durch das Bewußtsein bemessen.

Außerdem weichen unsre mental, d.h. geistig auftauenden und wahrnehmenden Fähigkeiten so weit von einander ab, daß zwei Menschen denselben Gegenstand niemals gleich sehen und mich niemals dasselbe Bewußtsein haben können; daher ist es offenbar, daß der Charakter des Bewußtseins zum großen Teil durch vererbte Anlagen und durch den Einfluß der Erziehung bestimmt wird. So ist denn unser sogenanntes materielles Universum nur unsre Vorstellung, unser individueller Begriff vom Universum. Da das menschliche Bewußtsein zum großen Teil ein Produkt der fünf körperlichen Sinne ist und diese Sinne nur für das zeugen, was räumlich, meßbar und relativ ist, müssen wir die Materie als die Erscheinung der Substanz und nicht als die Substanz selbst definieren. Und so sehen wir, daß die Materie rein mental, daß sie ein Zustand des menschlichen Bewußtseins ist.

Dies sind nicht die Lehren der Christlichen Wissenschaft, sondern Schlüsse, zu denen man durch Forschungen und Entdeckungen auf dem Gebiet der Naturwissenschaft, der Psychologie und Philosophie gekommen ist. Diese Schlüsse beweisen, daß das, was wir Materie nennen, sogar vom naturwissenschaftlichen Standpunkt aus nicht das ist, was allgemein angenommen wird, sondern daß die Materie ein rein mentales Phänomen ist, und daß man in keiner andern Weise mit ihr rechnen darf.

Professor Ostwald in Leipzig schreibt: „Die Materie ist ein Gedankending”. Grant Allen sagt, das uns bekannte Universum bestehe „ganz und gar aus Geist”, und die Materie sei „eine zweifelhafte und unsichere Hypothese der menschlichen Intelligenz”, während Professor Huxley die Materie als „den Namen für die unbekannte hypothetische Ursache der Zustände unsres eignen Bewußtseins” definiert. Hat nicht Christus Jesus bewiesen, daß das Dasein rein mental ist, als er auf dem Wasser ging, den Sturm stillte und andre materielle Zustände überwand?

Wir haben soeben das mentale Wesen der Materie betrachtet und wollen nun sehen, was dieses sogenannte Gemüt ist, das materielle Dinge wahrnimmt, und dessen vergegenständlichter Begriff oder Verkörperung die Materie ist. Weil dieses Gemüt alle Dinge materiell auffaßt und die Auffassung von den Dingen größtenteils durch die fünf körperlichen Sinne erlangt, so ist es ein Bewußtsein, das nur das erkennen kann, was räumlich, meßbar, veränderlich und zerstörbar scheint. Diese materielle Mentalität, d.h. geistige Beschaffenheit, erhebt den Anspruch, intelligent zu sein, während sie von Natur nicht-intelligent ist, nichts von sich weiß. Sie erhebt den Anspruch, Substanz zu sein; da sie sich aber nur auf eine Theorie gründet, ist sie in Wirklichkeit nichts als Schatten. Sie erhebt den Anspruch, lebendig zu sein; da sie aber außerstande ist, sich selbst zu erhalten, ist sie in Wirklichkeit tot, ebenso wie die Nahrung, die der Verwesung anheimfällt, wenn sie nicht eiligst verzehrt wird. Dies beweist, daß die Nahrung kein Leben in sich birgt.

Paulus erkannte das Wesen dieses sogenannten Gemüts und nannte es „fleischlich”; Mrs. Eddy nennt es „sterblich”, weil es in Sünde, Krankheit und Tod — seinen unvermeidlichen Produkten — endigt. Da diese unharmonischen Zustände des menschlichen Bewußtseins existieren, verlangt ihre Richtigstellung oder Zerstörung eine Umwandlung dieses Bewußtseins. Da alles Dasein Bewußtsein ist, und da der Körper sinnlich wahrnehmbares Bewußtsein ist, so hängen die Zustände des Daseins und des Körpers von dem Zustand dieses Bewußtseins ab. Ein unharmonisches Bewußtsein hat ein unharmonisches Dasein zur Folge. Daher ist es notwendig, das Bewußtsein zu ändern, wenn wir veränderte Zustände haben wollen. Und wie kann das geschehen?

Erstens müssen wir uns darüber klar werden, ob das sterbliche oder fleischliche Gemüt mit seinen Erfahrungen wirklich ist; denn wir wissen, daß der erste Schritt zur Verbesserung eines Fehlers das Erkennen des Fehlers ist. Wir erkennen einen Irrtum, wenn wir die Wahrheit, die er fälscht, kennen. Dann wenden wir das korrigierende Prinzip der Wahrheit auf den Irrtum an, der sofort verschwindet, und richtige harmonische Zustände erlangen die Oberhand. Wenn die Phänomene des sterblichen Gemüts wahr wären, dann könnten sie niemals geändert werden. Wenn sie unwahr sind, können sie nur dadurch berichtigt werden, daß wir ihre Falschheit erkennen. Es ist unmöglich, einen Irrtum zu berichtigen, bis wir ihn als Irrtum erkannt haben. Wenn wir z.B. eine falsch addierte Rechnung bekommen und sie für richtig halten, täuschen wir uns und leiden infolgedessen. Aber wir wissen nicht, daß sie verkehrt ist, bis wir wissen, was richtig ist, und sowie wir die Wahrheit der Sachlage erkennen, können wir die Wahrheit anwenden und den Irrtum oder den falschen Begriff richtigstellen.

So wollen wir nun die wesentliche Natur und den wesentlichen Charakter der Wahrheit, den Charakter dessen, was wirklich ist, prüfen und in Erfahrung bringen, ob die Materie und das sterbliche Gemüt wahr und wirklich sind, denn wir haben gesehen, daß die Materie und das materielle Dasein mental sind, und müssen uns nun über die Wahrheit hinsichtlich dieser Mentalität klar werden. Die Wahrheit muß ihrem ureigensten Wesen nach unendlich sein, allüberall. Da die Wahrheit alles ist, was ist, kann es keinen Raum geben, wo die Wahrheit nicht ist, wo z.B. zweimal zwei nicht vier ist. Daher ist die Wahrheit allgegegenwärtig. Die Wahrheit ist intelligent; sie weiß stets genug, um sie selbst zu sein und niemals irgend etwas andres. Da sie unendlich ist, muß sie unendlich intelligent sein, d.h. allwissend. Die Wahrheit ist allvermögend, weil sie die Kraft besitzt, sie selbst zu sein und dem zu widerstehen, etwas andres zu sein; weil sie die Kraft besitzt, alles Falsche zu korrigieren. Da die Wahrheit unendlich ist, ist die Macht der Wahrheit unendlich, allmächtig. Da es unmöglich ist, daß irgendein Element, eine Eigenschaft oder ein Teil der Allgegenwart oder des wirklichen Seins zerstört werde, so ist die Wahrheit unzerstörbar. Die Wahrheit z.B., daß zweimal zwei vier ist, kann niemals geändert oder zerstört werden.

So sehen wir, daß die Wahrheit absolut, grundlegend und unabhängig ist; ohne Anfang oder Ende, ohne Ausdehnung oder Begrenzung. Sie ist unsterblich, sie erhält sich ewiglich selbst, sie ist das grundlegende Prinzip, die Quelle allen wahren Seins, sie ist harmonisch und vollkommen. Diese Wahrheit nun ist Geist, Gemüt, Seele, Leben, das höchste Ego, der große Ich-bin, der einige und einzige Gott, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott, den Jesus seinen Vater nennt, der Gott, den Johannes als Liebe definiert. Diese unendliche, alles umschließende, alles schaffende, allgegenwärtige, allwissende, allmächtige göttliche Liebe ist der unkörperliche Gott, der durch die Christliche Wissenschaft geoffenbart wird.

Der Mensch als Bild und Gleichnis Gottes, der wirkliche Mensch, der Mensch der Bibel muß wie sein Vater sein, nicht körperlich sondern unkörperlich, nicht materiell sondern mental, geistig, nicht sterblich sondern unsterblich, nicht menschlich, sondern göttlich. Das von Gott geschaffene und immerwährend erhaltene Universum muß sein wie Er, denn Gleiches bringt Gleiches hervor; daher ist das wirkliche Universum nicht endlich oder räumlich sondern unendlich, nicht zerstörbar sondern unzerstörbar, nicht materiell sondern geistig.

Vollkommener Gott, vollkommener Mensch, vollkommenes Sein — dies ist die Grundlage aller Lehre, Analyse und Betätigung der Christlichen Wissenschaft. Dies ist die Norm, nach der die Christliche Wissenschaft alle menschlichen Phänomene und Erfahrungen mißt und prüft, um ihren wahren Wert bestimmen zu können. So ist also die Wirklichkeit im höchsten Sinne unendlich, ohne Begrenzung und Raum, unendlich in Ausdehnung, Gegenwärtigkeit, Weisheit und Kraft. Sie ist absolut, fundamental; sie besteht durch sich selbst. Sie ist von Dauer, unveränderlich, unzerstörbar, ewig. Sie ist harmonisch, vollkommen, geistig. Daher ist die Norm der Unendlichkeit, Unzerstörbarkeit und Vollkommenheit der Prüfstein für die Wirklichkeit. Alles, was diese Eigenschaften oder Attribute der Unendlichkeit und Vollkommenheit nicht besitzt, ist nicht Wahrheit. Da die Materie und das sterbliche Gemüt endlich, wandelbar, raumbegränzt, zerstörbar und unharmonisch sind, sind sie nicht wahr, nicht wirklich.

Die Wahrheit kann aber nicht durch die körperlichen Sinne erkannt werden, denn diese Sinne können wegen ihrer materiellen Begrenzungen die Unendlichkeit nicht wahrnehmen; ihr Zeugnis ist raumbegrenzt und relativ; das Endliche kann das Unendliche nicht erkennen. Die Wahrheit wird nur durch das Verständnis — eine Fähigkeit, die gänzlich von den körperlichen Sinnen getrennt ist — wahrgenommen. Die Wahrheit des Einmaleins z.B. wird nicht durch den Gesichtssinn erkannt sondern nur durch das Verständnis. So ist das Zeugnis der körperlichen Sinne ohne irgendwelche wirkliche Beziehung zur Wahrheit, zur Tatsächlichkeit. Darum also ist der wirkliche Gott, der wirkliche Mensch und das wirkliche Universum den körperlichen Sinnen nicht wahrnehmbar. Geistige Dinge werden geistig erkannt. Die Wirklichkeit kann man nur durch den geistigen Sinn oder das geistige Verständnis erkennen. Dieses geistige Verständnis, die Wahrnehmung und das Erfassen der göttlichen Wahrheit, wird heute allen durch die Christliche Wissenschaft möglich gemacht.

Krankheit, Sünde, Tod, ja alle Disharmonien sind daher als Irrtümer des sterblichen Bewußtseins, als mesmerische Zustände zu klassifizieren. Auf dieser Grundlage kann man sie durch die Wahrheit korrigieren; solange man sie aber als physische oder mentale Realitäten klassifiziert, können sie nicht berichtigt werden. Sogar der Psychologie und Philosophie zufolge sind sie nur vergegenständlichte Sinneseindrücke.

Es wird im allgemeinen angenommen, daß Gott seinen Kindern Krankheit, Unheil und Tod schicke. Wenn dem so wäre, dann hätten wir kein moralisches Recht, Heilmittel irgendwelcher Art zu brauchen, denn dadurch würden wir den göttlichen Plan und Vorsatz unterbrechen. Wenn Gott uns die Krankheit auferlegt, dann sollten wir auch krank bleiben. Wird der Mensch von solchen Annahmen beherrscht, so ist es natürlich unmöglich, das christliche Heilen zu verstehen und geistig geheilt zu werden.

Unharmonische Zustände existieren nur in dem menschlichen Bewußtsein, das zum großen Teil sterblich und eine Voraussetzung von Gut und Böse ist. Sie sind keine Erzeugnisse der Wahrheit oder des Prinzips, daher sind sie keine göttlichen Schöpfungen. Wenn wir uns dies bis zu einem gewissen Grade vergegenwärtigen, nimmt ihre vermeintliche Macht sofort ab; und indem wir uns an die göttlichen Quellen im Reich der Wirklichkeit wenden, haben wir den Anfang zu unsrer Befreiung gemacht. Dann sehen wir, daß Gott nicht der Urheber von Sünde, Krankheit und Tod ist, und daß wir dieselben nicht durchzumachen brauchen. Das Erfassen dieses einen Punktes hat oft Heilung zur Folge.

(Schluß folgt.)

Copyright, 1913, by The Christian Science Publishing Society
Verlagsrecht, 1913, von The Christian Science Publishing Society

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