Die Geschichte von Naeman, wie wir sie im fünften Kapitel des zweiten Buchs der Könige aufgezeichnet finden, ist in jeder Hinsicht von großem Interesse für den Wahrheitssucher, denn sie zeichnet sich aus durch lebendige Darstellung, außergewöhnliche Ereignisse, Schärfe der Charakterzeichnung und lokale Färbung. Wir werden hier mit einem Mann bekannt, der eine hohe und verantwortungsvolle Stelle bekleidete. Er erfreute sich der Gunst seines Königs, man ehrte ihn als einen großen General, und sein Ohr war an den Beifall der Menge gewöhnt. Ohne Zweifel hatte er ein großes Einkommen, und es gab daher genug Leute, die es als ein Vorrecht ansahen, nicht nur seinen Bedürfnissen entgegenzukommen, sondern auch seine Launen zu befriedigen.
Angesichts dieser Tatsachen erscheint es begreiflich, daß es dem Naeman nicht an Stolz und Selbstachtung fehlte. Und doch schien er ein höchst trauriges Dasein zu fristen, denn er war aussätzig. Der menschlichen Annahme nach stand ihm daher das Schicksal bevor, mit der Zeit als ein Gegenstand des Abscheus aus der menschlichen Gesellschaft ausgestoßen zu werden. Ehe es jedoch zum schlimmsten kam, hörte er von einem Propheten in Israel, den er alsdann auf den Rat des Königs hin und mit dessen Geschenken versehen aufsuchte. Als er mit Rossen und Wagen bei der einfachen Wohnung des Propheten angekommen war, benahm er sich mehr als Gönner denn als Bittsteller, und die Heilungsfrage war ihm rein Geschäftssache. Er erwartete offenbar, daß sich der Prophet ungeheuer freuen würde, einen Mann heilen zu dürfen, der so hoch gestellt war und ihn so reichlich belohnen konnte. Elisa erteilte ihm jedoch einen scharfen Verweis, indem er seinen Rang ignorierte, seine Geschenke ablehnte und ihm sagen ließ, wenn er Heilung erlangen wolle, müsse er sich der Reinheit befleißigen und zum Beweis der Aufrichtigkeit seines Wunsches sich siebenmal im Jordan waschen.
Naemans Zorn und Unwille, sein schließlicher Gehorsam gegen die Vorschrift des Propheten sowie seine Heilung, welche diesem Gehorsam folgte — alles das sind bekannte menschliche Erfahrungen. Naemann steht mit seiner Torheit und Selbstüberhebung durchaus nicht einzig da. Ähnliche Charaktereigenschaften finden sich auch heute noch sehr häufig unter uns. Der Prophet wies auf eine Forderung der Wahrheit hin, die unnachgiebig und von allgemeiner Gültigkeit ist — eine Forderung, die dem sterblichen Sinn heute ebenso anstößig ist wie zur Zeit, da Jesus sagte: „Wie schwer werden die Reichen [diejenigen, die an den Dingen der materiellen Sinne hangen] in das Reich Gottes kommen!”
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